Pharmazeutische Zeitung online

Interaktionen sind kein Klassenphänomen

28.06.2004  00:00 Uhr
PZ-Akademie Kongress

Interaktionen sind kein Klassenphänomen

Je mehr Arzneimittel ein Patient einnimmt, desto mehr steigt das Risiko für Interaktionen. Diese können zu einem Aufkonzentrieren des Wirkstoffs und damit einhergehender Potenzierung des Effektes oder auch zum Wirkverlust führen. Die Wirkdauer kann sich verlängern oder verkürzen. Im schlimmsten Fall verursachen unerwünschte Wechselwirkungen den Tod des Patienten. Interaktionen sind häufig jedoch kein Arzneigruppenphänomen, betonte Professor Dr. Walter E. Haefeli, Mediziner am Universitätsklinikum Heidelberg, in seinem Vortrag „Klinisch relevante Interaktionen – was muss der Apotheker beachten?“.

Auch wenn CSE-Hemmer durch das Auftreten von Rhabdomyolysen in der Vergangenheit in Verruf geraten sind, ist die Gefahr für Arzneistoffe dieser Klasse nicht gleich hoch. Nicht jedes Statin verhalte sich gleich, sagte der Mediziner. Während Lovastatin und Simvastatin vorwiegend über Cytochrom P450 3A4 metabolisiert werden, ist die Biotransformation von Fluvastatin und Pravastatin weitgehend unabhängig von diesem Isoenzym. Allerdings wird die Hälfte aller Arzneistoffe, die wir aufnehmen, über das CYP 3A4 metabolisiert. Kommt es bei Einnahme eines weiteren Wirkstoffs nun zu einer Blockade oder reduzierten Aktivität des Enzyms, gelangt mehr Lovastatin oder Simvastatin von der Leber in Muskel oder Niere und kann die Organe schädigen. Da Fluvastatin und Pravastatin CYP-3A4-unabhängig metabolisiert werden, sei die Gefahr einer Rhabdomyolyse unter dieser Therapie wesentlich geringer.

Neben der Auswahl des CSE-Hemmers spiele die Dosis eine wesentliche Rolle. Vier von fünf Patienten, denen Ärzte 45 mg Lovastatin pro Kilogramm Körpergewicht verabreichten, zeigten entsprechende Symptome und bei 75 Prozent trat Rhabdomyolyse auf. Bei dieser unerwünschten Wirkung klagen Patienten relativ früh, in der Regel in den ersten Wochen nach Therapiebeginn, über Hüft- oder Muskelschmerzen in den Beinen. Der Arzt sollte das Medikament dann austauschen oder die Dosis reduzieren.

Arzneistoffe, die bekanntermaßen das Isoenzym CYP 3A4 hemmen, sind unter anderem Ciclosporin, Fluoxetin, Erythromycin oder Ketoconazol. Häufig käme es gerade bei HIV-Patienten zu Arzneimittelinteraktionen. Eingesetzte Proteaseinhibitoren wie Ritonavir, Indinavir oder Saquinavir seien potente CYP-3A4-Hemmer.

Neben Wechselwirkungen, die sich aus der Metabolisierung ergeben, entsteht eine Reihe von Interaktionen über die Beeinflussung von Transportsystemen. Ein wichtiges Transportmolekül im menschlichen Körper ist das P-Glykoprotein. Wird es gehemmt, kann die Ausscheidung eines Arzneistoffs verhindert oder verzögert werden. Fatal ist es, wenn es sich um Wirksubstanzen mit geringer therapeutischer Breite handelt, wie es bei Digoxin der Fall ist. „Schnell kann es zu einer doppelten Konzentration an Digoxin im Blut kommen“, sagte der Referent. Jedoch sei die Inhibition des Transporters ebenfalls kein Klassenphänomen. Vielmehr hänge die Affinität von Arzneistoffen zu bestimmten Transportmolekülen von strukturellen Kriterien ab.

Eine Interaktion, die nicht unmittelbar nach der Einnahme sichtbar wird, ist die Enzyminduktion, so der Referent. Auswirkungen zeigen sich erst Tage bis Wochen später. Dies liege daran, dass bei dieser Arzneistoffinteraktion die Transkription und damit die Translation erhöht werde. Umgekehrt bedeutet dies, dass ein Patient, der nach Unverträglichkeiten das Medikament absetzt, erst nach einiger Zeit mit einer Besserung rechnen kann.

Prominentes Beispiel für einen Enzyminduktor ist Johanniskraut. Das Medikament induziert Cytochrom-P450-Enzyme und Arzneistofftransporter wie P-Glykoprotein. Für einen begleitend eingesetzten Wirkstoff könne das eine Erhöhung der Dosis bedeuten. Vielfach wissen Ärzte nichts von der Einnahme des Phytopharmakons bei ihren Patienten und können auf mögliche auftretende Interaktionen nicht reagieren.

Zurück zur Übersicht Top

© 2004 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa