Penicillin-Allergie hinterfragen |
Daniela Hüttemann |
09.05.2024 12:00 Uhr |
Gelb-orangene Sticker sollen Allergiker warnen. Doch häufig wird eine vermeintliche Penicillin-Allergie vorschnell dokumentiert – und klebt ein Leben lang an einem. / Foto: Getty Images/Rapid Eye Media CC
»Patientinnen und Patienten, die anamnestisch eine Penicillin-Allergie angeben, haben in der Mehrzahl der Fälle keine«, stellt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin fest. Etwa 5 bis 10 Prozent der Bevölkerung würden eine solche Allergie bei sich vermuten. Hierbei würden mitunter Nebenwirkungen des Antibiotikums wie Übelkeit, Durchfall oder die Infektion selbst mit Exanthem als Allergie fehlgedeutet.
In der Mehrzahl der Fälle sei diese Sorge jedoch unbegründet, da nur 1 Prozent der Bevölkerung eine echte Betalactam-Allergie aufweise, heißt es aktuell in einer neuen »Klug entscheiden«-Empfehlung im »Deutschen Ärzteblatt«. Daher rät die Fachgesellschaft, wenn keine gesicherte Diagnose vorliege, das Risiko für eine echte Penicillin-Allergie eingehend zu evaluieren, durch sorgfältige Anamnese und mithilfe eines Scores.
Dazu eignet sich zum Beispiel der validierte PEN-FAST-Score, der Ende 2020 im »International Journal of Infectious Diseases« von australischen Forschenden vorgestellt wurde. Dabei werden nur drei Fragen gestellt, die unterschiedlich bepunktet werden und in der Summe den Score ergeben. Der Test ist anwendbar für orale Penicilline und nur bei Erwachsenen.
Es kann also ein maximaler Score von 5 Punkte erreicht werden. Bei einer Punktzahl unter drei gilt eine Penicillin-Allergie als unwahrscheinlich. Diese Patienten können risikoarm mit Penicillinen behandelt werden.
Mit einem derartigen Score lasse sich das Delabeling einer vermeintlichen Penicillin-Allergie vereinfachen, das oft durch komplexe Abläufe und sehr ausführliche Fragebögen sowie eine hohe Hemmschwelle und Angst vor Fehlern im Alltag erschwert sei.
Denn Betalactam-Antibiotika sind wesentlich für die Behandlung vieler bakterieller Infektionskrankheiten und gelten häufig als Mittel der Wahl. Das unnötige Ausweichen auf Zweitlinienantibiotika habe dagegen mögliche negative Folgen wie schlechteres Outcome, vermehrte Resistenzentwicklung, höhere Nebenwirkungsraten und steigende Therapiekosten.