PCOS multimodal behandeln |
Laura Rudolph |
31.07.2025 18:00 Uhr |
Die Basistherapie beim polyzystischen Ovarialsyndrom besteht aus Lebensstilmodifikationen: gesunde Ernährung, viel Bewegung und gegebenenfalls Abnehmen. / © Getty Images/Davizro
Mehr als jede zehnte Frau im gebärfähigen Alter hat das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS). Die komplexe Hormonstörung geht häufig mit langen Menstruationszyklen, ausbleibenden Eisprüngen und verminderter Fruchtbarkeit einher. Im Eierstock bleiben dann viele nicht geplatzte Eibläschen (Follikel) zurück, die im Ultraschall wie kleine Zysten aussehen und der Stoffwechselstörung ihren Namen gaben.
Die Ursache des Syndroms ist nicht vollends geklärt. Wissenschaftler gehen aber davon aus, dass eine Störung des Regelkreises zwischen Hypothalamus, Hypophyse und Eierstöcken schuld ist – mit der Folge, dass in der Nebennierenrinde zu viele männliche Sexualhormone produziert werden. Dies kann sich bei den Patientinnen etwa durch verstärkte Körperbehaarung oder Akne äußern. Bis zu zwei Drittel weisen darüber hinaus Anzeichen für eine Insulinresistenz auf und etwa die Hälfte ist übergewichtig. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes ist erhöht.
Gesunder Eierstock (links) und Eierstock mit vielen ungeplatzten Eibläschen (rechts) / © Adobe Stock/inspiring.team
Seit 2023 gibt es eine internationale Leitlinie zur Diagnostik und Behandlung des Syndroms. Kürzlich folgte die nationale S2k-Leitlinie – die erste zum PCO-Syndrom überhaupt (AWMF-Registernummer 089 - 004). Federführend an der Erstellung beteiligt war die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE).
»PCOS bleibt häufig unerkannt. Neben Zyklusstörungen, erhöhten männlichen Hormonen und unerfülltem Kinderwunsch steigt bei betroffenen Frauen auch das Risiko für weitere Erkrankungen: Typ-2-Diabetes, Schwangerschaftsdiabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleber sowie psychische Erkrankungen wie Depressionen und Angststörungen. Daher ist eine frühe Diagnose entscheidend«, sagt Professor Dr. Susanne Reger-Tan, Direktorin der Klinik für Diabetologie und Endokrinologie am Herz- und Diabetes-Zentrum NRW und Mitkoordinatorin der Leitlinie, in einer Pressemitteilung der DGE.
Laut der S2k-Leitlinie müssen mindestens zwei der drei sogenannten Rotterdam-Kriterien erfüllt sein, um die Diagnose stellen zu können. Dazu zählen:
Außerdem müssen Differenzialdiagnosen ausgeschlossen sein, schildert Dr. Cornelia Jaursch-Hancke, leitende Endokrinologin an der DKD Helios Klinik Wiesbaden und Leitlinien-Koordinatorin: »Die Symptome bei PCOS sind sehr ähnlich zu anderen Erkrankungen, beispielsweise der Schilddrüse, Tumoren oder des Cushing-Syndroms.« Bei der Diagnose müssten Ärzte daher andere Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausschließen.
Die Basistherapie umfasst laut Leitlinie Lebensstiländerungen, eine gesunde Ernährung und körperliche Aktivität. Übergewichtige Patientinnen sollen abnehmen. Da es keine Wirksamkeitsbelege gebe, empfehlen die Autoren weder Nahrungsergänzungsmittel noch komplementäre Therapien.
»Es ist wichtig, die Betroffenen erst einmal dort zu unterstützen, wo sie selbst aktiv werden können. Je nach Symptomprofil und Kinderwunsch lassen sich diese Maßnahmen gezielt mit medikamentösen Therapien wie oralen Kontrazeptiva, Metformin oder antiandrogenen Medikamente ergänzen«, erklärt Jaursch-Hancke. Damit dieser Ansatz greift, müsse die Behandlung fachübergreifend erfolgen.
Die Leitlinie empfiehlt, PCOS-Patientinnen regelmäßig auf Begleit- und Folgeerkrankungen zu untersuchen, etwa auf Diabetes mittels eines oralen Glucosetoleranztests. Außerdem sollten Gewicht, Blutdruck und Fettstoffwechsel regelmäßig kontrolliert und auf psychische Belastungen wie Depressionen, Angststörungen oder ein negatives Körperbild geachtet werden, um frühzeitig gegenzusteuern.
Die Pharmakotherapie des PCOS erfolgt in der Regel im Off-Label-Use und richtet sich nach den Symptomen und Begleiterkrankungen der Patientin. Bei Komorbiditäten soll sie sich an der jeweiligen Leitlinie orientieren. Unter anderem können etwa folgende Wirkstoffe zum Einsatz kommen:
Wirkstoff | Indikation | Erstattungsfähigkeit bei Vorliegen der Indikation (GKV, Stand 03/2025 | ||
---|---|---|---|---|
Metformin | Typ-2-Diabetes | ja | ||
Exenatid, Lira-, Dula- und Semaglutid, Tirzepatid | Typ-2-Diabetes | ja | ||
Lira-, Sema-, Tirzepatid | Adipositas | nein | ||
Clomifen | anovulatorische Infertilität (ausbleibender Eisprung) | ja | ||
orale Kontrazeptiva | Verhütung | bis zur Vollendung des 22.Lebensjahres | ||
Ethinylestradiol/Cyproteronacetat | mäßig bis schwere Akne, Hirsutismus | ja | ||
Ethinylestradiol/Dienogest | Kontrazeption, mittelschwere Akne nach Versagen geeigneter topischer Therapien oder einer oralen Antibiotikabehandlung bei Frauen, die sich für die Anwendung eines oralen Kontrazeptivums entscheiden | ja, sofern Akne als Indikation gegeben ist | ||
Cyproteronacetat | mäßig bis schwere Akne, Hirsutismus | ja | ||
Spironolacton | arterielle Hypertonie, Herzinsuffizienz, Leberzirrhose | ja | ||
Isotretinoin | schwere Akne | ja | ||
Clindamycin(topisch), Tetracycline inklusive Doxycyclin, Minocyclin,Erythromycin (topisch), | ||||
Nadifloxacin (topisch) | Akne (systemisch und teilweise lokal) | ja | ||
Eflornithin (topisch) | Hirsutismus (lokal) | bei Hirsutismus möglich | ||
Benzoylperoxid (topisch) | Akne (lokal) | ja | ||
Minoxidil (topisch) | androgenetische Alopezie (erblich bedingter Haarausfall) | nein |
Die Leitlinie enthält auch ein eigenes Kapitel zu Jugendlichen. Darin wird betont, dass PCOS in der Adoleszenz nicht vorschnell diagnostiziert werden sollte. Viele Symptome wie unregelmäßige Zyklen, Akne oder vermehrte Körperbehaarung können in der Pubertät vorübergehend auftreten. Eine Diagnose sollte außerdem nicht auf Basis der Rotterdam-Kriterien gestellt werden, da diese für Erwachsene entwickelt wurden. Vielmehr solle die Diagnose »auf Basis des gleichzeitigen Vorliegens der Kriterien 1. Zyklusstörungen in Bezug zur Pubertätsentwicklung und 2. Hyperandrogenismus gestellt werden«, schreiben die Autoren.
Der Fokus der Therapie liegt wie bei Erwachsenen zunächst auf Lebensstilinterventionen. Zudem hebt die Leitlinie hervor, dass Jugendliche mit PCOS-Symptomen ein erhöhtes Risiko für psychische Belastungen haben können, beispielsweise Körperbildstörungen oder depressive Symptome.
»Mit der neuen PCOS-Leitlinie liefern wir einen klaren Handlungsrahmen für die behandelnden Ärzt*innen und verbessern so langfristig die Lebensqualität der Betroffenen«, erklären die beiden Koordinatorinnen abschließend. Eine Leitlinie, die sich an Patientinnen richtet, sei derzeit in Arbeit und soll in diesem Jahr veröffentlicht werden.