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Depressionstherapie

Patienten sorgsam begleiten

Apotheker nehmen eine wichtige Funktion bei der Betreuung von Menschen mit Depressionen ein. Sie können potenziell Erkrankte in der Selbstmedikation erkennen, Patienten mit Diagnose und Erstverordnung über die Arzneimitteltherapie informieren und im weiteren Medikationsprozess begleiten.
Katja Renner
28.06.2020  08:00 Uhr

Grenzen der Selbstmedikation

Depressive Menschen zu beraten, fällt schwer. Immer noch sind psychische Erkrankungen tabuisiert. Deshalb kostet es Überwindung, Patienten intensiver auf ihre Beschwerden anzusprechen. Mitarbeiter der Apotheke können Patienten im Verständnis der Therapie schulen, die Adhärenz steigern und die Verträglichkeit durch richtige Arzneimittelanwendung verbessern.

Die Symptome einer unipolaren Depression stellen sich langsam ein. Der Betroffene bemerkt erste Veränderungen wie Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten, Verstimmungen oder Probleme mit dem Schlaf. In dieser Phase gehen die Patienten häufig zuerst in die Apotheke und fragen zum Beispiel nach einem Schlafmittel, Vitaminen oder Arzneimitteln zur Durchblutungsförderung.

Nun ist der Apotheker gefordert zu entscheiden, ob eine Selbstmedikation überhaupt möglich ist. Handelt es sich wirklich »nur« um Schlafprobleme oder einen Vitaminmangel oder steckt mehr dahinter? Hier helfen die bekannten W-Fragen aus der Leitlinie der BAK zur Beratung bei Abgabe von Arzneimitteln in der Selbstmedikation (4):

  • Wer hat die Symptome?
  • Welche Beschwerden liegen vor?
  • Wie lange und wie häufig treten diese bereits auf?
  • Welche Arzneimittel werden regelmäßig angewendet und was ist außerdem zu berücksichtigen, zum Beispiel Vorerkrankungen oder Unverträglichkeiten?

Im Zusammenhang mit der unipolaren Depression sollte das Apothekenteam explizit die Hauptsymptome Antriebslosigkeit, Freudlosigkeit und depressive Stimmung abfragen. Eine Möglichkeit zur schnellen Erfassung einer unipolaren depressiven Störung bietet der »Zwei-Fragen-Test« nach Whooley (3), der mit einer Sensitivität von 96 Prozent und einer Spezifität von 57 Prozent ein sehr praktikables und genaues Vorgehen darstellt:

  • Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig, bedrückt oder hoffnungslos?
  • Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?

Werden beide Fragen mit »Ja« beantwortet, ist die klinische Erfassung der formalen Diagnosekriterien beim Arzt erforderlich, da nur durch die explizite Erhebung aller relevanten Haupt- und Nebensymptome eine adäquate Diagnosestellung nach ICD-10 möglich ist (1). Daher sollte der Apotheker dem Kunden den Arztbesuch empfehlen, beispielsweise so: »Ich rate Ihnen eine ärztliche Untersuchung an. Vielleicht handelt es sich um einen Vitaminmangel, möglicherweise steckt etwas Anderes dahinter. Berichten Sie dem Arzt, dass Sie seit ein paar Wochen schlecht schlafen, sich schlapp und müde fühlen und keine Lust mehr an Freizeitaktivitäten haben. Er wird eine sorgfältige Diagnostik machen und kann die richtige zielgerichtete Behandlung vorschlagen.«

Die Grenzen der Selbstmedikation sind auch überschritten, wenn die Betroffenen Kinder oder Jugendliche sind, die Symptome mit Vorerkrankungen oder anderen Medikamenten zusammenhängen können, in der Schwangerschaft oder postpartal sowie bei alten multimorbiden Patienten.

Spricht das Beschwerdebild für eine leichte oder mittelgradige depressive Verstimmung ohne deutliche Alltagseinschränkung und Kontraindikationen, kann ein Arzneimittel mit standardisiertem Johanniskrautextrakt als erster Behandlungsversuch empfohlen werden. Es gibt Patienten, die ein pflanzliches Präparat eher akzeptieren als ein »chemisches«. Für die evidenzbasierte Selbstmedikation kommt nur Johanniskrautextrakt infrage.

Antidepressiv wirkt Johanniskraut über seinen Inhaltsstoff Hyperforin, der die Wiederaufnahme von Noradrenalin und Serotonin aus dem synaptischen Spalt in die Zelle hemmt. In Studien wurde die Wirksamkeit von standardisiertem Johanniskrautextrakt WS 5570 bei leichten bis mittelschweren Depressionen auch im Vergleich zu SSRI nachgewiesen (5, 6). Die empfohlene Tagesdosis beträgt etwa 600 bis 1.200 mg. Apotheker sollten dem Patienten erklären, dass es bei regelmäßiger Einnahme etwa drei Wochen dauert, bis eine Wirkung eintritt.

Hyperforin ist ein starker Enzyminduktor von p-Glykoprotein und den Cytochrom-Enzymen CYP3A4, CYP2C9 und CYP2C19. Pharmakokinetische Interaktionen mit herabgesetzten Plasmaspiegeln von Immunsuppressiva, Anti-HIV-Präparaten, Zytostatika, oralen Antikoagulanzien, Digoxin, Hormonen und Simvastatin sind zu erwarten. Bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Antidepressiva (Nefazodon, Paroxetin, Sertralin), Buspiron oder Triptanen kann deren pharmakologische Wirkung verstärkt sein (7). Deshalb sollten Apotheker Patienten mit Polymedikation von Johanniskraut-Präparaten abraten.

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