Osilodrostat bremst Cortisolüberproduktion |
Brigitte M. Gensthaler |
07.08.2020 08:00 Uhr |
Recht unscheinbar sitzen die Nebennieren (hier gelb gezeichnet) auf den Nierenpolen auf. Ihre Hormonproduktion ist jedoch lebenswichtig – doch wenn sie überschießt, auch lebensgefährlich. Menschen mit Cushing-Syndrom kennen die belastenden Symptome. / Foto: Shutterstock/crystal light
Das endogene Cushing-Syndrom ist eine seltene Erkrankung, die auf einer Überproduktion des Hormons Cortisol in der Nebennierenrinde beruht. Dabei werden zwei Formen unterschieden. Beim hypothalamisch-hypophysären Typ (Morbus Cushing, zentrales Cushing-Syndrom) verursacht ein Adrenocorticotropin-(ACTH-)produzierendes Hypophysen-Adenom die Überfunktion. Deutlich seltener ist das ACTH-unabhängige Cushing-Syndrom; hier ist meist ein Nebennierenrinden-Tumor für die überschießende Cortisolproduktion verantwortlich.
Das klinische Bild des Cushing-Syndroms ist sehr heterogen und geprägt von den vielfältigen langfristigen Effekten der Glucocorticoide auf Organe und Gewebe. Symptome und Komorbiditäten sind unter anderem Dehnungsstreifen der Haut, Vollmondgesicht, Stammfettsucht und Atrophie der Muskulatur an Armen und Beinen, allgemeine Schwäche, Osteoporose, Glucoseintoleranz und metabolisches Syndrom, arterielle Hypertonie, Wundheilungsstörungen, verstärkte Blutungsneigung und thromboembolische Komplikationen. Ebenso können die Infektanfälligkeit steigen oder neuropsychiatrische Störungen wie Depressionen und Angst auftreten. Die Sterblichkeit ist vor allem aufgrund der Herz-Kreislauf-Komplikationen deutlich erhöht. Haupttherapieziel ist daher die Normalisierung des Cortisolspiegels, unter anderem durch chirurgische Entfernung des Hypophysen-Tumors, bilaterale Adrenalektomie oder Medikamente wie Osilodrostat oder das ältere Metyrapon (Metopiron®), die die Steroidsynthese unterdrücken.
Der Cortisolspiegel wird im Blut oder im 24-Stunden-Sammelurin bestimmt. / Foto: Adobe Stock/Henrik Dolle
Die Anfangsdosis von Osilodrostat beträgt zweimal täglich 2 mg. Für Patienten asiatischer Abstammung oder mit mäßiger Leberfunktionsstörung wird die halbe Anfangsdosis empfohlen. Die Tagesdosis wird je nach individuellem Ansprechen und Verträglichkeit langsam auftitriert (initial in Schritten von 1 oder 2 mg), bis sich der Cortisolspiegel normalisiert. Der Hormonspiegel, zum Beispiel im 24-Stunden-Urin oder im Serum beziehungsweise Plasma, sollte alle eine bis zwei Wochen kontrolliert werden. Bei übermäßigem Rückgang ist die Dosis zu reduzieren oder zu pausieren. Wichtig ist, dass die Patienten die Symptome eines Hypocortisolismus kennen. Dazu gehören Übelkeit, Erbrechen, Fatigue, Bauchschmerzen, Appetitverlust und Schwindel. Da solche Ereignisse jederzeit auftreten können, müssen die Cortisolspiegel regelmäßig kontrolliert werden.
Zusätzliche Kontrollen werden vor allem in Situationen mit erhöhtem Cortisolbedarf empfohlen, zum Beispiel bei hoher körperlicher oder psychischer Belastung. Starke Enzyminduktoren und -inhibitoren können die Osilodrostat-Exposition beeinflussen; daher sind vermehrte Kontrollen nötig, wenn solche Medikamente an- oder abgesetzt werden.
In klinischen Studien lag die übliche Erhaltungsdosis zwischen 2 und 7 mg zweimal täglich. Die empfohlene Höchstdosis beträgt 30 mg zweimal täglich.
Osilodrostat inhibiert das Enzym 11β-Hydroxylase (CYP11B1), das für den letzten Schritt der Cortisolbiosynthese in der Nebenniere verantwortlich ist. Seine Wirksamkeit und Sicherheit wurden in einer prospektiven Phase-III-Studie bei 137 Patienten mit Morbus Cushing untersucht. Nach einer 26-wöchigen offenen Phase, in der alle Patienten Osilodrostat erhielten, folgte eine achtwöchige Entzugsphase, in der sie randomisiert entweder Osilodrostat oder Placebo bekamen, gefolgt von einer offenen Phase mit Verum.
Die Anfangsdosis von 2 mg Osilodrostat zweimal täglich konnte in der zwölfwöchigen Anfangsphase auftitriert werden. Der primäre Endpunkt war der Vergleich der Rate an vollständigem Ansprechen am Ende der Entzugsphase (Woche 34) in der Verum- und der Placebogruppe. Das vollständige Ansprechen war definiert als mittleres freies Cortisol im Harn (mUFC, abgeleitet aus drei 24-Stunden-Urinsammlungen) unter oder gleich der Obergrenze des Normbereichs (ULN). Der wichtigste sekundäre Endpunkt war die Rate des vollständigen Ansprechens in Woche 24, also vor der Absetzphase.
Der primäre Studienendpunkt wurde erreicht: Am Ende der Entzugsphase hatten signifikant mehr Patienten (31 von 36) mit Osilodrostat ohne Dosiserhöhung einen normalen mUFC-Wert als in der Placebo-Gruppe (10 von 34). Mehr als die Hälfte aller Patienten (53 Prozent) erreichte den sekundären Endpunkt und zwei Drittel hatten ein normales mUFC am Ende der 48-wöchigen Studie. Infolge der reduzierten Cortisolspiegel verbesserten sich kardiovaskuläre und metabolische Parameter wie Körpergewicht, Taillenumfang, Langzeitblutzucker und Blutdruck.
Die in der Phase-III-Studie am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Nebenniereninsuffizienz (51 Prozent), Fatigue (44 Prozent), Ödembildung (21 Prozent), Übelkeit und Erbrechen (42 und 22 Prozent) sowie Kopfschmerzen (34 Prozent).
Wichtig ist, dass Osilodrostat dosisabhängig das QT-Intervall des Herzens verlängern und damit Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Daher muss der Arzt vor Therapiebeginn und innerhalb einer Woche danach sowie anschließend je nach klinischer Indikation ein EKG aufnehmen. Patienten mit einem QTc-Intervall länger als 480 ms sollten einen Kardiologen aufsuchen. Eine Unterversorgung mit Kalium, Calcium und Magnesium muss vor Therapiestart korrigiert und die Elektrolytwerte müssen regelmäßig kontrolliert werden.
Osilodrostat blockiert wie Metyrapon die Aktivität des Enzyms 11-β-Hydroxylase, das an der Herstellung von Cortisol im Körper beteiligt ist. Es gibt keinen direkten Vergleich mit dieser Substanz, der zeigt, dass Osilodrostat Vorteile bietet. Einzig die Tatsache, dass Osilodrostat nur zweimal pro Tag eingenommen werden muss und die Tagesdosis Metyrapon auf drei oder vier Einzelgaben aufzuteilen ist, bietet einen gewissen Vorteil für die Patienten. Dies alleine rechtfertigt aber vorerst keine höhere Einstufung als die als Analogpräparat.
Sven Siebenand, Chefredakteur