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Kamuvudine

NRTI-Derivate bei trockener AMD und Typ-2-Diabetes

Neueren Erkenntnissen zufolge spielt das Umschreiben von RNA in DNA bei verschiedenen Erkrankungen eine Rolle, darunter trockene altersabhängige Makuladegeneration (AMD) und Typ-2-Diabetes. Als mögliche Therapeutika kommen nukleosidische Reverse-Transkriptase-Hemmer (NRTI) und deren Weiterentwicklung, die Kamuvudine, infrage.
Annette Rößler
05.08.2021  17:30 Uhr

In menschlichen Zellen verläuft der Weg vom Gen zum Protein normalerweise ausgehend von der DNA über die RNA. Die umgekehrte Richtung, bei der RNA in DNA umgeschrieben wird, schlagen etwa Retroviren wie HIV ein. Sie sind dafür mit dem erforderlichen Enzym, der Reversen Transkriptase, ausgestattet – ein erfolgreich genutzter Angriffspunkt für HIV-Medikamente wie NRTI.

Auch bestimmte menschliche Enzyme haben die Funktion einer Reversen Transkriptase. Sie werden von sogenannten Retrotransposons kodiert, einer Unterform der Transposons, die auch als transponierbare Elemente oder springende Gene bezeichnet werden. Es handelt sich um kurze DNA-Abschnitte, die sich von allein immer wieder kopieren und an neuen Stellen der DNA ins Erbgut einbauen. Retrotransposons nutzen dabei als mobile Zwischenstufe RNA, die dann wieder zurück in DNA umgeschrieben wird.

Häufige Retrotransposons sind LINE-1 und Alu. Beide gehören insofern zusammen, als Alu keine eigene Reverse Transkriptase besitzt, sondern für das Umschreiben seiner RNA in DNA das entsprechende Protein von LINE-1 benutzt. Wird dieses Enzym gehemmt, stoppt das also die Ausbreitung sowohl von LINE-1 als auch von Alu im Erbgut.

Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms

Neuere Forschung hat ergeben, dass dieser Ansatz bei diversen Erkrankungen infrage kommen könnte, denen eine bestimmte Form von Entzündung zugrunde liegt. Der gemeinsame Nenner ist das NLRP3-Inflammasom. Dieser proinflammatorische Multiproteinkomplex kann durch verschiedene Stimuli aktiviert werden; einer davon ist die RNA des Alu-Retrotransposons.

Anfang des Jahres berichtete eine Autorengruppe um Seniorautor Professor Dr. Jayakrishna Ambati von der University of Virginia in Charlottesville im Fachjournal »PNAS«, dass sich bei der trockenen Makuladegeneration Alu-DNA in den Zellen des retinalen Pigmentepithels (RPE) anreichert. Dies führe letztlich zum Absterben der RPE-Zellen und somit zur Erblindung.

Einer Publikation in »Nature Communications« aus dem vergangenen Herbst zufolge, die ebenfalls von Ambati und Kollegen stammt, ist die Alu-abhängige Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms auch ein Treiber der Entwicklung von Typ-2-Diabetes. Die Auswertung der Daten von insgesamt 128.861 HIV- und Hepatitis-B-Patienten aus fünf Datenbanken habe ergeben, dass die Einnahme eines NRTI das Diabetesrisiko um 33 Prozent reduziere. Darüber hinaus sei bei Alzheimer-Demenz und systemischem Lupus erythematodes mit einem Einfluss zu rechnen.

In den beiden Arbeiten wird ein positiver Effekt des NRTI Lamivudin sowohl bei trockener AMD als auch bei Typ-2-Diabetes beschrieben. Dies wird damit begründet, dass der Wirkstoff nicht nur die Reverse Transkriptase von HIV, sondern auch auch die von LINE-1 hemmt, auf die das Alu-Transposon ja angewiesen ist. Letztlich wird so die Aktivierung des NLRP3-Inflammasoms unterbunden.

Um für eine mögliche Anwendung bei trockener AMD und Prädiabetes beziehungsweise Typ-2-Diabetes besser verträgliche Wirkstoffe zu erhalten, modifizierten die Forscher verschiedene NRTI und kreierten so eine neue Arzneistoffklasse, die sie als Kamuvudine bezeichnen. Sie haben ihre antiretrovirale Wirksamkeit verloren, können also nicht bei HIV eingesetzt werden. Zwei Vertreter, 2-Ethyl-Zidovudin und 3-Methyl-Lamivudin, testeten sie erfolgreich im Mausmodell bei AMD, wie sie kürzlich im Fachjournal »Signal Transduction and Targeted Therapy« berichteten. Weitere positive Studienergebnisse vorausgesetzt, könnten die springenden Gene also den NRTI beziehungsweise den Kamuvudinen neue Indikationsgebiete erschließen.

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