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Forschungsergebnisse

Neues zu Ginkgo, Psilocybin, Ingwer und Sägepalmenfrüchten

Aktuelle präklinische und klinische Fortschritte bei Phytopharmaka und Naturstoffen lassen aufhorchen. So konnten weitere Inhaltsstoffe des Ginkgo-Trockenextrakts EGb761® charakterisiert werden. Zudem gibt es neue klinische Aspekte zur Anwendung von Psilocybin, Ingwer- und Sägepalmenfrüchtezubereitungen. 
Manfred Schubert-Zsilavecz
Mario Wurglics
08.09.2021  07:00 Uhr

Der pflanzliche Arzneistoff EGb761® ist ein aus Ginkgo-Blättern hergestellter Trockenextrakt, der unter anderem zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch bedingten geistigen Leistungseinbußen bei demenziellen Syndromen eingesetzt wird. Das Europä­ische Arzneibuch zählt EGb761 zu den sogenannten quantifizierten Extrakten mit nachgewiesenen Beiträgen einzelner Inhaltsstoffklassen zur klinischen Wirkung (zum Beispiel Flavonglykoside und Terpenlactone), wobei die vollständige Aufklärung der pharmakologischen Wirkprinzipien noch aussteht. Die bisher charakterisierten Komponenten entsprechen rund 30 Prozent der Massenbilanz des Gesamtextrakts.

Mit Blick auf eine systematische Charakterisierung des Gesamtextrakts konnte nun ein bedeutender Fortschritt erzielt werden. Forschenden ist es gelungen, die Zusammensetzung der Proanthocyanidin-Fraktion von EGb761 mittels HPLC umfassend zu charakterisieren. Es konnte gezeigt werden, dass die Proanthocyanidine oligomere und polymere Strukturen aufweisen, wobei nach saurer Hydro­lyse als Hauptbausteine Delphinidin und Cyanidin identifiziert wurden. Die analytische Charakterisierung dieser wichtigen Inhaltsstoffklasse, die ungefähr 7 Prozent der Masse des Gesamtextrakts ausmacht, ist nicht zuletzt mit Blick auf mögliche Beiträge dieser Inhaltsstoffe zur klinischen Wirksamkeit von Interesse.

Psilocybin als Antidepressivum

Die Behandlung von Depressionen mit den zur Verfügung stehenden Antidepressiva leidet unter zwei maßgeblichen Einschränkungen. Zum einen setzen die gewünschten klinischen Effekte meist erst nach einer Latenzzeit ein, zum anderen sprechen viele Patienten nicht auf die verfügbaren Therapieoptionen an (therapieresistente Depressionen). Letztere adressiert die potenzielle Zulassung des Naturstoffs Psilocybin als Anti­depressivum. Psilocybin ist ein Indolalkaloid, dessen Konsum in der Regel in Form von Psilocybin-haltigen Pilzen erfolgt. Es bewirkt als Prodrug psychedelischen Rausch mit visuellen Halluzinationen. Dieser Zustand ist einem LSD-Rausch sehr ähnlich, hält aber in der Regel kürzer an. Verantwortlich für diese Wirkung ist das Hydrolyseprodukt Psilocin.

Psilocybin zählt zu den sogenannten klassischen Psychedelika, die Wahrnehmung, emotionales Erleben und Bewusstsein tiefgreifend verändern können. Das macht sie für die Behandlung psychischer Erkrankungen interessant. Seit einigen Jahren sind Psychedelika wieder verstärkt in den Fokus der psychopharmakologischen Forschung gerückt. Eine Phase-II-Studie lieferte vielversprechende Hinweise zur Wirksamkeit und Sicherheit von Psilocybin in der Depressionstherapie, deren Ergebnisse jetzt durch eine Studie in Deutschland abgesichert werden sollen. Diese wird federführend am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) in Mannheim sowie an der Charité in Berlin durchgeführt.

In die randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie EPIsoDE sollen 144 Patienten und Patieninnen mit Depressionen im Alter von 25 bis 65 Jahren aufgenommen werden, bei denen andere Therapien nicht oder nicht mehr wirksam waren. Die Behandlung erfolgt in zwei circa sechsstündigen Psilocybin-Sitzungen im Abstand von sechs Wochen. Hinzu kommen insgesamt drei vorbereitende Sitzungen sowie vier ­Integrationssitzungen, bei denen die Psilocybin-Erfahrungen mit therapeutischer Unterstützung in den persönlichen Sinnrahmen eingebettet werden. In den Psilocybin-Sitzungen erhalten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entweder 5 oder 25 mg Psilocybin oder Placebo. Nach sechs und zwölf Monaten erfolgt jeweils eine Kontrolluntersuchung, um die langfristigen Effekte zu erfassen.

Potenzielle neue Indikationen für Ingwer

Das Rhizom des Ingwers (Zingiber officinale) wird als traditionelles Heilmittel zur Linderung von verschiedenen Gesundheitsproblemen wie Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen eingesetzt. Der Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) der Europäischen Arzneimittelbehörde sieht in der aktuell in Überarbeitung befindlichen Monographie die Wirksamkeit des Ingwers bei Reisekrankheit als belegt an. Für die Behandlung von leichten, krampfartigen Magen-Darm-Beschwerden einschließlich Blähungen ist die klinische Datenlage hingegen weniger gut. Schwangerschaftserbrechen, Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV) oder postoperative Übelkeit und Erbrechen (PONV) fanden bisher keine Erwähnung in der HMPC-Monographie. Das könnte sich in der nächsten Auflage jedoch ändern.

Zahlreiche klinische Studien zeichnen mittlerweile ein durchweg posi­tives Bild in den aufgeführten Indika­tionsbereichen. Eine systematische Übersichtsarbeit mit mehr als 109 randomisierten klinischen Studien zeigt positive Effekte von Ingwer bei Übelkeit und Erbrechen in der Schwangerschaft. Die Forscher werteten dazu zehn kontrollierte klinische Studien aus. Im Vergleich zu Placebo zeigten sich in der Ingwer-Behandlungsgruppe signifikante positive Effekte. Darüber hinaus konnte vergleichbare Effektivität mit etablierten Therapieoptionen wie Vitamin B6 (Pyridoxin), Anti­histaminika oder Metoclopramid (MCP) nachgewiesen werden. Gastrointestinale Beschwerden waren die häufigsten unerwünschten Wirkungen des Ingwers, die meistens als nicht schwerwiegend eingestuft wurden. Bezüglich der Teratogenität gibt ein Review Entwarnung.

Sägepalmenfrüchteextrakt ebenso wirksam wie Alphablocker

Auch im Bereich der Urologie lassen neue Ergebnisse aufhorchen. Eine Metaanalyse von vier kontrollierten Studien mit insgesamt 1080 Patienten widmete sich der Frage, ob Sägepalmenfrüchteextrakt bei mindestens sechsmonatiger Anwendung die Beschwerden des unteren Harntrakts aufgrund einer benignen Prostatahyperplasie vergleichbar wie Tamsulosin lindern kann. Die Anwendung von Sägepalmenfrüchteextrakt führte im Vergleich mit dem Alphablocker zu einer ähnlichen Verbesserung der Miktionsbeschwerden, erhoben anhand des International Prostate Symptom Score (IPSS), sowie der Lebensqualität. Vergleichbar waren auch die Resultate für die maximale Harnflussrate, das Restharnvolumen und die Werte des prostataspezifischen Antigens. Lediglich bei der Verringerung des Prostatavolumens war der Effekt durch Tamsulosin stärker aus­geprägt. Der Pflanzenextrakt erhöhte nicht das Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen, insbesondere in Bezug auf Ejakulationsstörungen und Libidoverlust.

Im Einklang damit stehen aktuelle Daten aus einer Subgruppenanalyse der QUALIPROST-Studie, die einen Vorteil in der Kombination der beiden Therapieoptionen zeigen. In der sechsmonatigen, offenen Beobachtungsstudie verbesserte sich der IPSS um 7,2 ± 5,0 Punkte in der Kombinations-Gruppe (n = 184) im Vergleich zu 5,7 ± 4,3 Punkte unter Tamsulosin (n = 263) und 5,4 ± 4,6 Punkte unter Sägepalmenmonotherapie (n = 262). Von allen Parametern war in erster Linie eine ausgeprägte Verbesserung der Lebensqualität bei der Kombinationstherapie zur beobachten. Die Monotherapie mit dem Pflanzenextrakt wurde auch hier gut vertragen, bei der Kombinationstherapie dominierten die unerwünschten Effekte des Tamsulosins, nicht zuletzt in Bezug auf Sexualfunktion und Blutdruck.

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