Neues SARS-CoV-2-Mittel mit guten Daten aus Phase III |
Theo Dingermann |
07.03.2023 15:00 Uhr |
Schneller wieder negativ: Die Einnahme des Proteasehemmers Ensitrelvir konnte in einer Phase-III-Studie mit SARS-CoV-2-Infizierten die Zeit bis zum ersten negativen Virustiter gegenüber Placebo verkürzen. / Foto: Adobe Stock/Thorsten Malinowski
Ensitrelvir ist ein SARS-CoV-2-Proteaseinhibitor der japanischen Firma Shionogi. Der Wirkstoff inhibiert ebenso wie Nirmatrelvir die virale 3CL-Protease. Anders als Nirmatrelvir erfordert Ensitrelvir allerdings keinen Ritonavir-Booster und sollte daher deutlich weniger Arzneimittelinteraktionen bewirken als Paxlovid.
In einer Pressemitteilung informiert das Unternehmen über Ergebnisse des Phase-III-Teils einer Phase-II/III-Studie zur Wirksamkeit von Ensitrelvir-Fumarsäure (S-217622). In dieser Studie wurden in Japan, Südkorea und Vietnam rund 1200 überwiegend geimpfte Patienten mit leichtem/mittelschwerem Covid-19 unabhängig von Risikofaktoren für schwere Komplikationen untersucht. Die Ergebnisse des Phase-IIa-Teils der Studie wurden bereits in »Antimicrobial Agents and Chemotherapy« publiziert.
Als primärer Endpunkt der Phase-III-Studie war die Zeit bis zum Abklingen von fünf wichtigen Covid-19-Symptomen definiert: verstopfte oder laufende Nase, Halsschmerzen, Husten, Hitzegefühl oder Fieber und Energielosigkeit oder Müdigkeit. Ausgewertet wurden Patienten, die innerhalb von 72 Stunden nach Auftreten der Symptome randomisiert worden waren. Wichtige sekundäre Endpunkte waren die Veränderung der Menge an SARS-CoV-2-Virus-RNA gegenüber dem Ausgangswert an Tag 4 und die Zeit bis zum ersten negativen SARS-CoV-2-Virustiter.
Die in die Studie eingeschlossenen Patienten erhielten über fünf Tage entweder 125 oder 250 mg Ensitrelvir täglich. Während einer Follow-up-Periode wurden die Patienten an den Tagen 6, 9, 14, 21 und 28 bezüglich ihrer Symptome befragt. Zur Abschätzung einer potenziellen Risikominimierung für ein Auftreten von Long Covid gab es weitere Befragungen an den Tagen 89 und 169.
Laut der Firmenmitteilung erholten sich Teilnehmer, die 125 mg Ensitrelvir einnahmen, von den fünf als primärer Endpunkt definierten spezifischen leichten Symptomen etwa 24 Stunden früher als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Zudem resultierte die Einnahme von 125 mg Ensitrelvir im Vergleich zu Placebo in einem signifikant kürzeren Intervall, in dem infektiöses Virus ausgeschieden wurde, und auch in einer im Vergleich zu Placebo 87-prozentigen Reduktion der Patienten mit positivem Virustiter am Tag nach Einnahme der dritten Dosis (Tag 4).
Ensitrelvir war gut verträglich und es wurden keine neuen Sicherheitsbedenken festgestellt. Bei den Patienten, die 125 mg des Wirkstoffs enthielten, waren die häufigsten behandlungsbedingten unerwünschten Ereignisse eine Abnahme des HDL-Cholesterols und ein Anstieg der Triglyzeride im Blut, wie dies bereits in früheren Studien beobachtet worden war.
Eine Untergruppe der Teilnehmer wurde drei und sechs Monate nach Beginn der Studie sowie während der akuten Infektion zu ihren Covid-19-Symptomen befragt. Diejenigen, die in diesem Zeitraum mindestens zweimal hintereinander zwei oder mehr der gleichen Symptome meldeten, wurden als Long-Covid-Patienten eingestuft.
Bei Patienten, die in der Frühphase der Krankheit relativ viele Symptome aufwiesen, lag das Risiko, Long Covid zu entwickeln, bei 14 Prozent, wenn diese mit Ensitrelvir behandelt worden waren, und bei 26 Prozent für entsprechende Patienten in der Placebogruppe. Dies könnte darauf hindeuten, dass eine Therapie mit Enzitrelvir das Risiko, an Long Covid zu erkranken, reduziert.
Allerdings ist diese Aussage nicht mehr als eine Vermutung. Darauf weist unter anderem Professor Dr. Eric Topol vom Scripps Research Translational Instituts in San Diego, der nicht an der Studie beteiligt war, in einem News-Artikel in »Nature« hin. Dr. Simon Portsmouth, Leiter der klinischen Entwicklung bei Shionogi in Florham Park, New Jersey, sagt gegenüber »Nature«, dass das Unternehmen dem Long-Covid-Aspekt in der Studie keinen Raum gibt, weil zum Zeitpunkt der Planung Long Covid noch nicht so klar definiert war.
Dass eine frühzeitige Behandlung einer SARS-CoV-2-Infektion mit einem Virostatikum das Risiko für Long Covid zumindest bei Menschen mit Anzeichen einer Viruspersistenz reduziert, hält nicht nur Topol für plausibel. Auch Professor Dr. Ziyad Al-Aly vom Veterans Affairs St. Louis Health Care System, Seniorautor einer Studie zur Risikoreduktion von Long-Covid durch eine Behandlung mit Paxlovid, berichtet von ähnlichen Beobachtungen.
Mit den Ergebnissen dieser Studie, die während der Omikron-Phase der Pandemie durchgeführt wurde, ist Ensitrelvir das erste orale antivirale Präparat, das eine statistisch signifikante Wirkung im Vergleich zu Placebo in der Zeit bis zum Abklingen der Symptome zeigt. Bisher ist der Wirkstoff nur in Japan unter dem Handelsnamen Xocova® zugelassen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.