Neues Reservemittel bei CMV-Infektion |
Annette Rößler |
04.01.2023 07:00 Uhr |
Maribavir wird vorrangig über CYP3A metabolisiert. Die gleichzeitige Anwendung mit starken Induktoren dieser Enzyme, etwa Rifampicin, Rifabutin oder Johanniskraut, wird daher nicht empfohlen. Ist die gleichzeitige Anwendung mit anderen starken oder mittelstarken CYP3A-Induktoren wie Carbamazepin, Efavirenz, Phenobarbital oder Phenytoin unumgänglich, sollte die Maribavir-Dosis auf 1200 mg (sechs Filmtabletten) zweimal täglich erhöht werden. Die Kombination mit CYP3A-Inhibitoren erfordert keine Dosisanpassung.
Immunsuppressiva wie Tacrolimus, Cyclosporin, Sirolimus und Everolimus sind CYP3A-/P-gp-Substrate mit enger therapeutischer Breite. Deren Plasmakonzentrationen müssen bei gleichzeitiger Anwendung mit Maribavir engmaschig überwacht werden; gegebenenfalls muss die Dosis angepasst werden. Das ist wichtig, da Maribavir indikationsgemäß ausschließlich bei Patienten nach einer Stammzell- beziehungsweise Organtransplantation angewendet wird, die häufig unter immunsuppressiver Therapie stehen. Welche weiteren potenziellen Interaktionspartner eine Überwachung und/oder Dosisanpassung erforderlich machen, ist in der Fachinformation von Livtencity tabellarisch aufgelistet.
In der Schwangerschaft sowie bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird von der Anwendung von Maribavir abgeraten. Das Stillen sollte während der Behandlung mit Maribavir unterbrochen werden.
Zulassungsrelevant war eine offene Phase-III-Studie, an der 352 stammzell- oder organtransplantierte Patienten mit CMV-Infektion teilgenommen hatten, die zuvor auf eine Behandlung mit Ganciclovir, Valganciclovir, Foscarnet oder Cidofovir nicht angesprochen hatten. Die Probanden wurden im Verhältnis 2 : 1 randomisiert und entweder acht Wochen lang mit Maribavir behandelt sowie anschließend zwölf Wochen lang nachbeobachtet oder sie erhielten eine vom Prüfarzt verordnete Vergleichstherapie, die aus Ganciclovir, Valganciclovir, Foscarnet oder Cidofovir bestand.
Den primären Endpunkt, eine bestätigte vollständige CMV-Virämie-Clearance in Woche 8, erreichten signifikant mehr Patienten in der Maribavir- als in der Kontrollgruppe (56 versus 24 Prozent). Auch im wichtigsten sekundären Endpunkt, der vollständigen CMV-Virämie-Clearance samt Symptomkontrolle in Woche 8 mit anhaltendem Behandlungserfolg bis Woche 16, war Maribavir gegenüber der aktiven Kontrolle überlegen (19 versus 10 Prozent der Patienten). Allerdings kam es in der Follow-up-Phase häufiger bei den mit Maribavir behandelten Patienten als bei den Kontrollen zu einem Rezidiv der CMV-Virämie (39 versus 22 Prozent).
Die häufigsten Nebenwirkungen von Maribavir waren Geschmacksstörungen (46 Prozent der Behandelten), Übelkeit (21 Prozent), Diarrhö (19 Prozent), Erbrechen (14 Prozent) und Ermüdung (12 Prozent). Als schwerwiegende Nebenwirkungen wurden am häufigsten Diarrhö (2 Prozent) sowie Übelkeit, Gewichtsabnahme, Ermüdung, erhöhte Wirkstoffspiegel des Immunsuppressivums und Erbrechen (alle >1 Prozent) genannt.
Das Cytomegalievirus (CMV) ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, etwa bei transplantierten Patienten, kann eine CMV-Reaktivierung zu schweren, lebensbedrohlichen Krankheitsbildern führen. Für die Behandlung gibt es glücklicherweise bereits einige Arzneistoffe. Dennoch kann man Maribavir vorläufig als Sprunginnovation betrachten. Denn weitere Therapeutika zur Behandlung sind höchst willkommen, insbesondere im Fall von resistenten und refraktären Krankheitssituationen. Maribavir weist ferner ein neues Target auf, was die Einstufung als Sprunginnovation ebenfalls stützt. Es hat zudem den Vorteil, dass es hepatisch metabolisiert wird und eine eingeschränkte Nierenfunktion die Clearance des Wirkstoffs nicht beeinflusst.
Möglich, dass Maribavir sich auch als Mittel in der Erstlinienbehandlung oder auch als Partner für bestimmte andere Substanzen für eine Kombinationstherapie zur CMV-Behandlung eignet. Das sollte man weiter testen. Auch wäre an eine mögliche Prophylaxe mit Maribavir zu denken, obwohl hier nicht alle bisherigen Untersuchungen positiv verliefen.
Sven Siebenand, Chefredakteur