Neuer Wirkstoff beim Glaukom |
Kerstin A. Gräfe |
05.01.2023 07:00 Uhr |
Die Zulassung basiert auf den Phase-III-Studien MERCURY 1 und MERCURY 2, an denen insgesamt 1468 Erwachsene mit Glaukom oder okulärer Hypertension teilnahmen. In den Studien wurde die Wirksamkeit von Roclanda auf den Augeninnendruck mit der der beiden Einzelkomponenten verglichen: Die Patienten tropften einmal täglich abends entweder Roclanda, Netarsudil 0,02 Prozent oder Latanoprost 0,005 Prozent. Die Behandlungsdauer betrug in MERCURY 1 zwölf Monate, in MERCURY 2 drei Monate. Der Hauptindikator für die Wirksamkeit war der Kleinste-Quadrate-(LS-)Mittelwert des Augeninnendrucks an neun Zeitpunkten. Gemessen wurde jeweils um 8 Uhr, 10 Uhr und 16 Uhr an den Tagen 15, 43 und 90.
Roclanda senkte den Augendruck wirksamer als die Einzelkomponenten. Dabei war die durchschnittliche Wirkung des Kombinationspräparates über drei Monate hinweg um 1 bis 3 mmHg größer. Die gepoolten Werte für den Augeninnendruck lagen bei den mit Roclanda behandelten Patienten zwischen 15,03 und 16,38 mmHg, verglichen mit 17,35 bis 19,39 mmHg (Netarsudil) beziehungsweise 16,93 bis 17,96 mmHg (Latanoprost). Die Unterschiede waren bis einschließlich Monat 3 klinisch relevant und statistisch signifikant (p < 0,0001).
Die häufigste beobachtete okuläre Nebenwirkung ist Bindehauthyperämie (»rote Augen«), die bei 46 Prozent der Patienten auftrat. Sie war auch der häufigste Grund für einen Therapieabbruch. Andere okuläre Nebenwirkungen sind Schmerzen an der Stelle des Eintropfens, Vortexkeratopathie (wirbelartige Ablagerungen im Hornhautepithel der Augen) und Augenjucken.
Netarsudil ist vorläufig als Sprunginnovation einzustufen. Es handelt sich um den ersten Rho-Kinase-Hemmer im Handel. Damit kam seit vielen Jahren wieder ein neues Wirkprinzip zur Glaukomtherapie auf den Markt. Schon aufgrund des neuen Targets und des innovativen Abzielens auf das Trabekelwerk im Auge ist diese Einstufung zu rechtfertigen. Die Studienergebnisse mit dem Kombinationspräparat Roclanda® zeigen zudem, dass das Präparat den Augeninnendruck wirksamer senkte als die beiden Einzelkomponenten. Die Hinzunahme von Netarsudil macht einen Behandlungserfolg mithilfe einer lokalen Therapie bei Glaukompatienten also wahrscheinlicher. Auch ein Monotherapeutikum mit Netarsudil ist andernorts übrigens bereits im Handel. Es könnte für Glaukompatienten ebenfalls interessant sein, zum Beispiel wenn sie auf andere Medikamentengruppen nicht ansprechen oder diese nicht vertragen.
Systemische Nebenwirkungen sind selten. Das ist gut. Allerdings kommt es unter Roclanda sehr häufig zu einer Bindehauthyperämie. Schade ist zudem, dass Roclanda nicht unkonserviert und nur in einem Präparat mit Benzalkoniumchlorid zur Verfügung steht.
Gespannt sein darf man auf weitere Daten zu Netarsudil und zu anderen Rho-Kinase-Hemmern wie Ripasudil. Es sind über die reine Drucksenkung verschiedene pleiotrope Effekte im Gespräch, etwa Neuroprotektion oder Antiinflammation. Diese müssen aber erst noch klinisch bestätigt werden.
Sven Siebenand, Chefredakteur