Neuer MET-Kinasehemmer bei Lungenkrebs |
Sven Siebenand |
07.04.2022 07:00 Uhr |
In Europa ist Lungenkrebs Schätzungen zufolge die zweithäufigste Krebsart und die häufigste krebsbedingte Todesursache. / Foto: Adobe Stock/ utah51
Tepotinib ist für die Monotherapie bei Erwachsenen mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom (NSCLC) mit METex14-Skipping zugelassen. Voraussetzung für den Einsatz ist, dass die Patienten zuvor mit einer Immuntherapie und/oder platinhaltigen Chemotherapie behandelt wurden. Zudem muss vor Beginn der Behandlung das Vorliegen von METex14-Skipping-Veränderungen mit einer validierten Testmethode bestätigt worden sein.
Was verbirgt sich dahinter? Man weiß, dass eine Überaktivierung der MET-Rezeptor-Tyrosinkinase eine bedeutende Rolle bei der Proliferation und dem Überleben von Tumorzellen spielt. Im Normalfall bindet eine Ligase an die Juxtamembrandomäne von MET und steuert dadurch Ubiquitinierung und Abbau von MET. Sogenannte MET-Exon-14-Skipping-Mutationen im Gen für die Kinase können zum Verlust der Juxtamembrandomäne und damit der Bindungsstelle der steuernden Ligase führen. Die Folge: MET wird weniger abgebaut und ist dauerhaft übermäßig aktiv. Auch nachgelagerte Signalwege fördern das Krebswachstum. METex14-Skipping kann in den Tumoren von circa 3 bis 4 Prozent der NSCLC-Patienten gefunden werden. Tepotinib ist ein selektiver ATP-kompetitiver MET-Inhibitor, der die MET-Phosphorylierung und damit auch nachgelagerte MET-abhängige Signalwege hemmt.
Die Wirksamkeit von Tepotinib wurde in einer einarmigen, offenen Studie bei 275 Erwachsenen mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem NSCLC mit METex14-Skipping-Veränderungen beurteilt, ein Teil davon war vorbehandelt (n = 138). Alle Patienten erhielten 450 mg Tepotinib einmal täglich bis zur Krankheitsprogression oder bis zum Auftreten einer inakzeptablen Toxizität. Der primäre Endpunkt war das bestätigte objektive Ansprechen (komplett oder partiell) nach Beurteilung durch ein unabhängiges Prüfgremium. Das objektive Ansprechen lag in der Gruppe der vorbehandelten Patienten, für die Tepmetko nun auch zugelassen ist, bei 44 Prozent. Die mediane Dauer des Ansprechens betrug circa elf Monate.
Die empfohlene Dosis beträgt 450 mg Tepotinib, also zwei Tabletten, einmal täglich. Die Tabletten sollten zusammen mit einer Mahlzeit im Ganzen eingenommen werden. Eine reduzierte Dosis, die bei bestimmten Nebenwirkungen empfohlen wird, beträgt 225 mg einmal täglich. Weitere Informationen dazu sind in der Fachinformation zu finden.
Tepotinib ist ein weiterer neuer Wirkstoff aus dem Jahr 2022, der bei Krebs zum Einsatz kommt. / Foto: Merck
In dieser sind auch einige Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung des Präparats näher beleuchtet. Unter anderem wird über die Möglichkeit einer interstitiellen Lungenerkrankung (ILD) und Pneumonitis informiert. Die Patienten sind auf pulmonale Symptome, die auf ILD-artige Reaktionen hinweisen können, zu überwachen. Auch sollen die Leberwerte im Blick behalten werden und bei Patienten mit einem Risiko für eine QTc-Verlängerung wird eine Überwachung empfohlen. Nicht empfohlen wird die Einnahme von Tepotinib bei schwerer Leber- oder Nierenfunktionsstörung.
Sehr häufig kommt es unter Tepmetko zur Bildung von Ödemen (77 Prozent), insbesondere zu peripheren Ödemen. Auch Übelkeit (30 Prozent), Hypoalbuminämie (29 Prozent) und ein Anstieg des Kreatinins (27 Prozent) sind sehr häufig. Bei mehr als 20 Prozent der Patienten traten unerwünschte Ereignisse auf, die zu einem dauerhaften Absetzen der Behandlung führten.
Hinsichtlich möglicher Wechselwirkungen ist zu beachten, dass eine gleichzeitige Anwendung mit starken CYP- und P-gp-Induktoren nicht erfolgen sollte, da dies die Wirksamkeit von Tepotinib einschränken könnte. Umgekehrt ist eine gleichzeitige Anwendung von dualen starken CYP3A4- und P-gp-Hemmern zu vermeiden. Denn das könnte die Plasmaspiegel von Tepotinib erhöhen und damit zu mehr und stärkeren Nebenwirkungen führen.
Auf Grundlage von In-vitro-Daten könnte Tepotinib oder sein Metabolit die Exposition gegenüber Substraten der Transporter OCT1 und 2 sowie MATE1 und 2 verändern. Das klinisch relevanteste Beispiel für Substrate solcher Transporter ist Metformin. Eine Überwachung der Wirkung des Biguanids wird bei gleichzeitiger Anwendung mit Tepotinib empfohlen.
Tepotinib kann den Fötus schädigen, wenn es während der Schwangerschaft eingesetzt wird. Es darf daher bei Schwangeren nicht angewendet werden, es sei denn, die Behandlung der Mutter ist unbedingt erforderlich. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor Beginn der Therapie einen Schwangerschaftstest machen. Während der Behandlung mit Tepmetko und bis mindestens eine Woche nach der letzten Dosis wird Frauen im gebärfähigen Alter und Männern mit Partnerinnen in diesem Alter eine zuverlässige Verhütungsmethode empfohlen. Das Stillen soll während der Behandlung und bis mindestens eine Woche nach der letzten Tablette unterbrochen werden.
Das Target von Tepotinib ist nicht ganz neu. Auch die Multikinase-Hemmer Crizotinib und Cabozantinib blockieren unter anderem die MET-Kinase. Dennoch ist Tepotinib vorläufig als Schrittinnovation zu sehen. Denn zumindest in Deutschland ist es der erste selektive orale MET-Kinaseinhibitor – in den USA ist auch schon Capmatinib im Handel, dessen Zulassung in Europa derzeit noch geprüft wird.
Tepotinib ist eine gezielte Behandlungsoption für Patienten mit fortgeschrittenem nicht kleinzelligen Bronchialkarzinom und METex14-Skipping-Mutationen. Immerhin sind diese bei 3 bis 4 Prozent aller NSCLC-Patienten zu finden. Die VISION-Studie brachte für vorbehandelte Patienten überzeugende Ergebnisse, auch bei Patienten mit Hirnmetastasen zeigte sich ein vergleichbares systemisches Ansprechen bei Einsatz dieser personalisierten Therapieoption.
Bislang ist Tepotinib – anders als in den USA – erst ab der Zweitlinie zugelassen. Hier gilt es weitere Ergebnisse abzuwarten. Genauso gespannt darf man auf die Daten einer weiteren Studie sein, die den potenziellen Stellenwert von Tepotinib bei der Behandlung von NSCLC-Patienten und erworbener Resistenz gegen einen EGFR-Kinasehemmer aufgrund von MET-Amplifikation prüft. Hier könnte sich ein weiteres wichtiges Einsatzgebiet des neuen Wirkstoffs ergeben.
Sven Siebenand, Chefredakteur