Neuer Antikörper zum Schutz vor Covid-19 |
Kerstin A. Gräfe |
26.02.2025 08:00 Uhr |
Sipavibart verhindert durch die Bindung an die Rezeptorbindedomäne von SARS-CoV-2, dass das Coronavirus Zugang zur Wirtszelle erhält. / © Adobe Stock/Kateryna_Kon
Monoklonale Antikörper und deren Kombinationen wurden in den Jahren der Pandemie bereits zur Behandlung oder Prävention von Covid-19 eingesetzt. Ein Beispiel ist das Präparat Evusheld®, das die Antikörper Tixagevimab und Cilgavimab enthält. Sein Einsatz zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) aber nur noch in begründeten Einzelfällen empfohlen. Grund sei unter anderem eine nachlassende Wirksamkeit, so die STIKO.
Der neue Antikörper Sipavibart verfügt verglichen mit Evusheld über eine breitere neutralisierende Wirkung gegen verschiedene SARS-CoV-2-Varianten, darunter XBB.1 und BA.2.75. Er bietet jedoch voraussichtlich keinen Schutz vor symptomatischem Covid-19 bei SARS-CoV-2-Varianten, die im Spike-Protein die Mutation F456L enthalten. Die meisten derzeit kursierenden Varianten tragen diese Mutation.
Die Schutzwirkung von Sipavibart basiert wie bei anderen neutralisierenden Antikörpern auf einer Bindung an die Rezeptorbindedomäne (RBD) des Spike-Proteins von SARS-CoV-2. Durch die RBD-Blockade wird die Interaktion mit dem humanen ACE-2-Rezeptor verhindert und somit das Eindringen des Virus in die Wirtszellen.
Sipavibart (Kavigale® 300 mg Injektions-/Infusionslösung, Astra-Zeneca) ist zugelassen zur PrEP von Covid-19 bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit mindestens 40 kg Körpergewicht, die aufgrund einer Erkrankung oder immunsuppressiver Behandlungen immungeschwächt sind.
Die empfohlene Dosis beträgt 300 mg Sipavibart, verabreicht als intramuskuläre Injektion oder intravenöse Infusion. Eine einzelne Dosis bietet mindestens sechs Monate Schutz. Die Gabe kann alle sechs Monate wiederholt werden.
Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass Durchbruchinfektionen möglich sind. Sie sollten umgehend einen Arzt aufsuchen bei Symptomen wie Atmenprobleme oder Kurzatmigkeit sowie Fieber, Schüttelfrost, Husten, Müdigkeit und neu aufgetretener Verlust des Geschmacks- oder Geruchssinns.
Bei der intravenösen Gabe von Kavigale können infusionsbedingte Reaktionen auftreten. In diesem Fall soll die Infusion unterbrochen, verlangsamt oder gestoppt werden und eine Behandlung mit Arzneimitteln eingeleitet werden. Gleiches gilt bei schweren Überempfindlichkeitsreaktionen oder Anaphylaxie. Wie alle intramuskulären Injektionen soll Sipavibart bei Patienten mit Thrombozytopenie oder einer anderen Gerinnungsstörung mit Vorsicht angewendet werden.
Während der Schwangerschaft sollte der Neuling nur angewendet werden, wenn der potenzielle Nutzen für die Mutter das potenzielle Risiko für den Fetus überwiegt. Was das Stillen betrifft: Beim Menschen erfolgt die Ausscheidung von IgG-Antikörpern in die Milch in den ersten Tagen nach der Geburt und sinkt bald darauf auf niedrige Konzentrationen ab. Daher kann ein Risiko für den gestillten Säugling während dieses kurzen Zeitraums nicht ausgeschlossen werden. Anschließend könnte Sipavibart während der Stillzeit angewendet werden, wenn dies klinisch erforderlich ist.
Die Zulassung basiert auf der randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie SUPERNOVA an insgesamt 3335 immungeschwächten Patienten. Sie erhielten 1:1 randomisiert entweder 300 mg Sipavibart, Evusheld oder Placebo. Die Studie hatte zwei primäre Wirksamkeitsendpunkte. Der erste untersuchte die Wirksamkeit von Sipavibart bei allen bestätigten SARS-CoV-2-positiven symptomatischen Erkrankungen, die nach der Verabreichung vor dem 181. Tag auftraten und durch eine beliebige Variante verursacht wurden (Gesamtinzidenz). Die zweite primäre Wirksamkeitsanalyse wurde nur unter Verwendung der bestätigten Covid-19-Fälle durchgeführt, die durch definierte Varianten verursacht worden waren. Bei dieser angepassten Variantenanalyse wurden ausschließlich Varianten berücksichtigt, die keine F456L-Mutation enthalten.
Die Gesamtinzidenz von Covid-19 lag in der Sipavibart-Gruppe bei 9,2 Prozent, während in der Kontrollgruppe 12,7 Prozent der Patienten infiziert wurden. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von 29,9 Prozent. Erwartungsgemäß konnte bei der angepassten Variantenanalyse mit 35,5 Prozent eine stärkere relative Risikoreduktion beobachtet werden (4,4 versus 6,6 Prozent).
Sipavibart ist im Kühlschrank bei 2 bis 8 °C zu lagern.
Sipavibart ist der erste in der EU zugelassene monoklonale Antikörper mit der Endung -bart. Das hat an sich aber keinen Innovationswert. Wirkmechanismus und Einsatzgebiet von Sipavibart sind nichts Neues. Ein Statement der Emergency Task Force (ETF) der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA vom Dezember 2024 ist hilfreich, um zu begründen, weshalb Sipavibart als Analogpräparat einzuordnen ist. Dort heißt es zunächst, dass keiner der älteren Anti-SARS-CoV-2-Antikörper ausreichend Neutralisierungskapazität gegen neue Virusvarianten besitzt und deren Verwendung vermieden werden sollte, da es unwahrscheinlich ist, dass sie einen klinischen Nutzen bringen. Sipavibart habe breitere neutralisierende Wirkung gegen SARS-CoV-2-Varianten gezeigt, darunter XBB.1.5, XBB.1.16, XBB.2.3 und BA.2.86. Allerdings sei auf der Grundlage von In-vitro-Daten zu konstatieren, dass der Antikörper keine antivirale Aktivität gegen SARS-CoV-2-Varianten mit F456L-Mutation besitzt.
Die meisten derzeit kursierenden Varianten tragen diese Mutation. Die ETF betont, dass Sipavibart nicht verwendet werden sollte, wenn F456L-Varianten vorherrschend im Umlauf sind. In diesem Fall sei die Impfung nach wie vor die beste Option zur Vorbeugung einer Infektion, auch bei immungeschwächten Patienten.
Sven Siebenand, Chefredakteur
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.