Neue Studien sprechen für Booster-Impfung |
| Theo Dingermann |
| 13.10.2021 09:00 Uhr |
Booster-Impfungen werden angesichts neuer Varianten von SARS-CoV-2 voraussichtlich bald auch für jüngere Menschen notwendig werden. / Foto: Getty Images/Chris Clor
In zwei Arbeiten, die jetzt im Fachjournal »Nature« publiziert wurden, wird die Dynamik des Immunschutzes gegen SARS-CoV-2 über die Zeit aufgezeigt. Dies ist im Kontext der anstehenden Booster-Impfungen von großer Bedeutung. Denn das Immunsystem sieht sich mit zwei großen Problemen konfrontiert: Zum einen wird eine Immunantwort über die Zeit generell schwächer. Zum anderen muss ein Immunschutz unterschiedliche Virusvarianten in Schach halten.
Wissenschaftler um Carolina Lucas von der Yale University in New Haven analysierten den Einfluss verschiedener SARS-CoV-2-Varianten auf die durch mRNA-Impfstoffe induzierte Immunität. Sie verglichen dazu die Entwicklung von Anti-SARS-CoV-2-Antikörpern und SARS-CoV-2 spezifischen T-Zell-Reaktionen bei Genesenen und bei nicht infizierten (naiven) Personen, die einen mRNA-Impfstoff gegen SARS-CoV-2 erhalten hatten.
Das Forscherteam zeigte, dass Personen, die von Covid-19 genesen waren, nach einer einzelnen Dosis eines mRNA-Impfstoffs höhere Antikörpertiter aufwiesen als nicht infizierte Personen, die ebenfalls zunächst nur einmal geimpft waren. Nach der zweiten Impfdosis erreichten dann aber auch die Nichtinfizierten ein vergleichbares Niveau an Neutralisierungsreaktionen wie die Genesenen. Auch stieg in beiden Gruppen die SARS-CoV-2 spezifische T-Zellantwort nach der Impfung kontinuierlich an. Allerdings schwächt sich mit der Zeit die Neutralisationskapazität langsam wieder ab. Diese Reduzierung der Plasmaneutralisation korreliert mit dem Auftreten spezifischer Mutationen im Spike-Gen der bekannten bedenklichen Virusvarianten (VOC).
Auf Basis von 16 authentischen Isolaten verschiedener lokal zirkulierender SARS-CoV-2-Varianten demonstrierten die Wissenschaftler, dass Linien mit E484K- und N501Y/T-Mutationen, wie sie für die Beta- beziehungsweise Gamma-Varianten typisch sind, die größten Einbußen in der Plasmaneutralisationskapazität verursachten. Linien mit einer L452R-Muation, die für die Delta-Variante typisch sind, reduzierten die Plasmaneutralisationskapazität etwas schwächer.
Positiv zu vermerken ist, dass prinzipiell eine Neutralisierungskapazität gegen alle Varianten erhalten bleibt. Das Plasma von zuvor infizierten und danach einmal geimpften Personen weist eine insgesamt bessere Neutralisierungskapazität auf als das Plasma von nicht infizierten Personen, die zwei Impfstoffdosen erhalten hatten. Das deutet darauf hin, dass Auffrischimpfungen in absehbarer Zeit notwendig werden, um die negativen Auswirkungen neu auftretender Varianten auf die neutralisierende Aktivität zu kompensieren.
Wissenschaftler um Alice Cho von der Rockefeller University in New York kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen wie die Kollegen von der Yale University. Sie bestätigen, dass Covid-19 Genesene, die zusätzlich einmal mit einem mRNA-Impfstoff immunisiert wurden, eine hohe Neutralisationskapazität gegen alle derzeit relevanten Varianten aufweisen, wobei die Neutralisationskapazität gegen einzelne Varianten durchaus variiert. Die hohe Neutralisationskapazität basiert darauf, dass sich die B-Zell-Reaktivität kontinuierlich über mindesten ein Jahr entwickelt. Während dieser Zeit exprimieren die Gedächtnis-B-Zellen zunehmend Antikörper, die mehr Epitope erkennen und die an diese Epitope immer stärker binden. Daraus resultiert auch ein Immunschutz gegen Mutationen in den bedenklichen Virusvarianten, die einem initialen Immunschutz entkommen würden.
Zusätzlich analysierten die Wissenschaftler um Cho, wie sich die Gedächtnis-B-Zellen bei SARS-CoV-2-naiven Personen über die Zeit entwickeln. Sie konnten zeigen, dass diese Zellen zwischen der Erst- und Zweitimpfung Antikörper produzieren, die eine stetig steigende neutralisierende Aktivität entwickeln. Dann jedoch beginnt die Entwicklung der Immunantwort zu stagnieren. Antikörper, die fünf Monate nach der Impfung naiver Personen entstehen, ähneln hinsichtlich ihrer Spezifität denen, die initial gebildet wurden.
Zwar steigt die Affinität der Gedächtnis-Antikörper sowohl nach einer natürlichen Infektion als auch nach einer mRNA-Impfung an. Allerdings zeigen die durch die Impfung ausgelösten monoklonalen Gedächtnis-Antikörper sowohl eine geringere neutralisierende Potenz als auch eine geringere Spezifitätsbreite als diejenigen, die sich nach einer natürlichen Infektion entwickeln. Der Unterschied zwischen dem Gedächtniskompartiment, das sich als Reaktion auf die natürliche Infektion und die mRNA-Impfung entwickelt, steht im Einklang mit dem höheren Schutz vor Varianten, den die natürliche Infektion bietet.
Auch diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Auffrischung von geimpften Personen mit den derzeit verfügbaren mRNA-Impfstoffen die neutralisierende Aktivität des Plasmas erhöht, aber möglicherweise keine Bildung von Antikörpern mit der gleichen Breite wie bei der Impfung rekonvaleszenter Personen induziert.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.