Neue Option beim Urothelkarzinom |
Sven Siebenand |
08.07.2022 07:00 Uhr |
In der Liste der weltweit häufigsten Krebserkrankungen steht Blasenkrebs an siebter Stelle. Die Tumoren gehen dabei zu 90 Prozent vom Urothel aus. Wesentlich seltener entwickeln sich Plattenepithelkarzinome, Adenokarzinome oder Mischformen. / Foto: Adobe Stock/mi_viri
Das Urothelkarzinom ist die zweithäufigste uroonkologische Erkrankung und dadurch gekennzeichnet, dass es oft besonders aggressiv ist. Insbesondere Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom (Stadium IV) haben eine schlechte Prognose. Kurative Behandlungsansätze wie eine operative Entfernung des Tumors stehen in diesem Stadium nicht mehr zur Verfügung.
Standardtherapie in der palliativen Situation ist in der Erstlinie eine platinbasierte Chemotherapie. Klassische Zweitlinientherapie ist eine Krebsimmuntherapie mit einem Checkpoint-Inhibitor. Für die Drittlinie steht nun mit Enfortumab-Vedotin eine neue Therapieoption zur Verfügung. Das Antikörper-Wirkstoff-Konjugat ist zugelassen als Monotherapie für die Behandlung erwachsener Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom, die zuvor eine platinhaltige Chemotherapie und eine Krebsimmuntherapie mit einem PD-1/L1-Inhibitor erhalten haben.
Enfortumab, die Antikörperkomponente des Konjugats, ist gegen das Oberflächenprotein Nectin-4 gerichtet. Dieses ist besonders hoch in Tumorzellen des Urothels exprimiert. Eine Biomarker-Testung auf Nectin-4 ist aber keine Voraussetzung für den Einsatz des neuen Medikaments. Nachdem der Antikörper gebunden ist, folgt die Internalisierung des Konjugats. Das Zellgift Monomethyl Auristatin E (MMAE) wird erst in der Tumorzelle freigesetzt und aktiv. Es wirkt als Mikrotubuli-Hemmstoff. Der Zellzyklus wird unterbrochen, es kommt zur Apoptose.
Basis der Zulassung sind die Ergebnisse der randomisierten Phase-III-Studie EV-301. In dieser wurde Enfortumab-Vedotin mit einer vom behandelnden Arzt ausgewählten Chemotherapie (Docetaxel, Paclitaxel oder Vinflunin) bei – mit einer platinbasierten Chemotherapie und PD-(L)1-Inhibitoren vorbehandelten Patienten mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom verglichen (n = 608). Die vordefinierte Zwischenanalyse zeigte im primären Endpunkt ein signifikant längeres Gesamtüberleben bei Behandlung mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat im Vergleich zur Chemotherapie: Im Enfortumab-Vedotin-Studienarm betrug das mediane Gesamtüberleben 12,9 Monate, im Chemotherapie-Arm 9,0 Monate. Auch die Gesamtansprechrate war unter Enfortumab-Vedotin signifikant höher als unter Chemotherapie (40,6 versus 17,9 Prozent).