Neue Enzymersatztherapie bei Morbus Fabry |
| Brigitte M. Gensthaler |
| 02.11.2023 07:00 Uhr |
Eine Enzymersatztherapie bedeutet für die Patienten eine regelmäßige intravenöse Dauerinfusion. Für Erwachsene mit Morbus Fabry gibt es jetzt eine neue Option: Pegunigalsidase alfa. / Foto: Adobe Stock/Seventyfour
Die seltene Erkrankung Morbus Fabry gehört zu den genetisch bedingten lysosomalen Speicherkrankheiten. Sie wird durch einen Mangel an funktionsfähiger α-Galaktosidase A verursacht, die für den Abbau von Globotriaosylceramid im Körper verantwortlich ist. Je nach Ausprägung des Mangels reichert sich diese Fettsubstanz in Zellen verschiedener Organe, etwa Niere, Herz und Gehirn, an und kann zu schweren Funktionsstörungen wie Nierenversagen oder Herzproblemen führen. Die Erkrankung kann sich im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter manifestieren.
Zur Enzymersatztherapie (EET) stehen seit Langem zwei Präparate zur Verfügung: Agalsidase alfa (Replagal®) und Agalsidase beta (Fabrazyme®). 2016 kam mit Migalastat (Galafold®) der erste oral verfügbare Wirkstoff hinzu, ein Chaperon, das das fehlerhaft gefaltete Enzym in die richtige Konformation verschieben kann.
Der Neuling Pegunigalsidase alfa (Elfabrio® 2 mg/ml Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Chiesi) ist indiziert zur langfristigen EET bei Erwachsenen mit bestätigter Morbus-Fabry-Diagnose. Der Wirkstoff ist eine pegylierte Version des in Pflanzenzellkultur exprimierten Enzyms α-Galaktosidase A. Die Aminosäuresequenz der rekombinanten Form ähnelt der des menschlichen Enzyms. In klinischen Studien wurde nach Angaben von Chiesi eine Halbwertszeit im Blutkreislauf von circa 80 Stunden beobachtet.
Die empfohlene Dosis von 1 mg/kg Körpergewicht wird alle zwei Wochen intravenös verabreicht. Die Erstinfusion sollte mindestens über drei Stunden laufen. Später hängt die Infusionsdauer von der Verträglichkeit ab, sollte aber mindestens 1,5 Stunden betragen. Der Patient sollte nach der Infusion zwei Stunden lang auf infusionsbedingte Reaktionen (IRR) überwacht werden.
Die am häufigsten beobachteten IRR waren Überempfindlichkeit, Ausschlag, Juckreiz, Übelkeit, Schwindelgefühl, Schüttelfrost und Muskelschmerzen. Eine Vorbehandlung mit Antihistaminika und/oder Corticosteroiden kann ratsam sein für Patienten, die bereits einmal Überempfindlichkeitsreaktionen auf Elfabrio oder eine andere EET erlitten haben.
Wenn der Patient die Infusionen gut verträgt, kann der Arzt eine Heiminfusion erwägen. Der Patient und/oder die Betreuungsperson müssen zuvor geschult werden. Treten Probleme während der Infusion auf, müssen sie diese sofort abbrechen und einen Arzt konsultieren.
Wirksamkeit und Sicherheit von Pegunigalsidase alfa wurden in einem Studienprogramm bei insgesamt 142 Fabry-Patienten (94 Männer und 48 Frauen) untersucht. 112 von ihnen erhielten Pegunigalsidase alfa 1 mg/kg jede zweite Woche.
Die Nierenfunktion wurde anhand der geschätzten glomerulären Filtrationsrate (eGFR) bewertet; ihre annualisierte Steigung war der primäre Wirksamkeitsendpunkt in zwei Phase-III-Studien bei EET-vorbehandelten Erwachsenen. Die randomisierte doppelblinde Phase-III-Hauptstudie BALANCE ist ein Head-to-Head-Vergleich mit Agalsidase beta bei 77 Patienten, die zuvor mindestens ein Jahr lang Agalsidase beta bekommen hatten (DOI: 10.1016/j.gimo.2023.100015). In die einjährige Phase-III-Studie BRIGHT waren 30 Patienten eingeschlossen, die zuvor mindestens drei Jahre lang eine EET bekommen hatten und dann auf Pegunigalsidase alfa (2 mg/kg alle vier Wochen) umstiegen (DOI: 10.1016/j.gim.2022.01.185).
Die BALANCE-Studie erfüllte die vorgegebenen Kriterien der Nicht-Unterlegenheit für den primären Endpunkt der Nierenfunktion nach zwei Jahren. Allerdings waren die Daten nach einem Jahr aufgrund des Designs und der Größe der Studie nicht aussagekräftig genug, um Nicht-Unterlegenheit zu beweisen. Jedoch schienen die medianen eGFR-Steigungen von Pegunigalsidase alfa und Agalsidase beta von Studienbeginn bis Monat 24 nahe beieinander zu liegen. Die sekundären Endpunkte inklusive der Spiegel des Globotriaosylceramid-Abbauprodukts Globotriaosylsphingosin (Lyso-Gb3) waren stabil oder ähnlich in beiden Gruppen.
In der BRIGHT-Studie waren sowohl die eGFR als auch die Lyso-Gb3-Spiegel stabil. Dies deutet nach Ansicht der Firma darauf hin, dass die Fabry-Krankheit während der gesamten Studiendauer auch bei vierwöchentlicher Substitution stabil blieb.
Im August 2023 wurde eine Phase-I/II-Langzeitstudie veröffentlicht, bei der 15 EET-naive erwachsene Fabry-Patienten ein Jahr lang Pegunigalsidase alfa bekamen und in eine 60-monatige offene Verlängerungsstudie (1 mg/kg Infusion alle zwei Wochen) aufgenommen wurden. (DOI: 10.1016/j.gim.2023.100968). Zehn Patienten hatten eine zweijährige Behandlungszeit hinter sich, zwei bereits 60 Monate. Die Autoren berichteten über einen kontinuierlichen Rückgang der Lyso-Gb3-Konzentration vom Ausgangswert bis Monat 24. Nach 60 Monaten war die eGFR vergleichbar mit der von Patienten unter anderer Langzeit-EET. Die Herzfunktion war stabil.
Die häufigsten Nebenwirkungen waren infusionsbedingte Reaktionen (Nebenwirkungen innerhalb von zwei Stunden nach der Infusion, 6,3 Prozent der Patienten), gefolgt von Überempfindlichkeit und Asthenie bei jeweils 5,6 Prozent. In klinischen Studien kam es bei fünf Patienten (3,5 Prozent) zu einer schwerwiegenden Reaktion, davon viermal eine bestätigte IgE-vermittelte Überempfindlichkeitsreaktion bei der Erstinfusion.
In klinischen Studien entwickelten 17 von 111 Patienten (16 Prozent), die mit 1 mg/kg Elfabrio alle zwei Wochen behandelt wurden, behandlungsinduzierte Anti-Drug-Antikörper (ADA). Bei diesen Patienten kann das Risiko für IRR erhöht sein und schwere IRR treten mit größerer Wahrscheinlichkeit bei ADA-positiven Patienten auf.
Das Medikament ist im Kühlschrank zu lagern (2 bis 8 °C). Die zubereitete Infusionslösung sollte möglichst sofort verwendet, jedoch nicht länger als 24 Stunden im Kühlschrank oder acht Stunden bei Temperaturen unter 25 °C gelagert werden.
Seit einigen Jahren gibt es für Menschen mit Morbus Fabry glücklicherweise die Möglichkeit einer Enzymersatztherapie mit Agalsidase alfa und beta. Bei einigen kommt auch der Wirkstoff Migalastat in Betracht. Nun ist das Behandlungsspektrum um eine neue Enzymersatztherapie erweitert worden. Das ist schön, bringt aber keinen weiteren therapeutischen Fortschritt. Pegunigalsidase alfa ist damit als Analogpräparat einzustufen.
Die pegylierte rekombinante Form der menschlichen α-Galaktosidase A besitzt zwar eine lange Halbwertszeit. Elfabrio muss aber wie andere Präparate auch alle zwei Wochen verabreicht werden. Hinzu kommt, dass es momentan nur bei Erwachsenen zugelassen ist und im Gegensatz zu anderen Enzymersatztherapien nicht bei jüngeren Patienten. Last, but not least konnte in der zulassungsrelevanten Studie zwar die Nicht-Unterlegenheit gegenüber Agalsidase beta gezeigt werden, eine Überlegenheit gegenüber dem älteren Präparat jedoch nicht. Tendenziell schnitt dieses in der Studie sogar ein bisschen besser ab als der Neuling.
Sven Siebenand, Chefredakteur