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Covid-19

Neue Daten zur Antikörpertherapie

Die Hersteller der Antikörper Bamlanivimab, Casirivimab und Imdevimab, die bei gefährdeten Covid-19-Patienten schwere Verläufe verhindern sollen, informieren aktuell über positive Studienergebnisse. Wichtige Fragen bleiben dabei aber offen.
Annette Rößler
Sven Siebenand
27.01.2021  18:00 Uhr

Bamlanivimab von Eli Lilly und die in Kombination gegebenen Casirivimab und Imdevimab von Regeneron sind gegen das Spike-Protein von SARS-CoV-2 gerichtete Antikörper, die das Coronavirus in der Frühphase einer Infektion abfangen sollen, bevor es menschliche Zellen befällt. Das Wirkprinzip klingt in der Theorie sehr überzeugend, doch konnte ein Vorteil für behandelte Patienten bislang noch nicht in großen Studien schlüssig belegt werden. Hinweise aus frühen Phasen der klinischen Prüfung reichten aber der US-amerikanischen Arzneimittelaufsicht FDA, um im November 2020 zunächst Bamlanivimab und wenige Tage später auch Casirivimab/Imdevimab jeweils eine Notfallzulassung zu erteilen.

Offenbar war auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) überzeugt, denn wie kürzlich bekannt wurde, hat er 200.000 Dosen der Antikörper-Präparate für 400 Millionen Euro eingekauft. Angesichts der spärlichen Datenlage zu den nicht zugelassenen Medikamenten hielten das viele Experten für vorschnell. Aktuelle Ergebnisse, die teils bereits publiziert wurden und teils zunächst nur von den Herstellern via Pressemitteilungen kommuniziert wurden, geben den Skeptikern prinzipiell recht, obwohl sie auch positive Aspekte haben.

Auch Bamlanivimab braucht einen Partner

Zunächst zum Bamlanivimab: Im Fachjournal »JAMA« erschienen jetzt Ergebnisse der Studie BLAZE-1 (Blocking Viral Attachment and Cell Entry with SARS-CoV-2 Neutralizing Antibodies). Hierbei handelt es sich um eine Phase-II/III-Studie mit leicht bis moderat erkrankten Covid-19-Patienten in den USA (NCT04427501). Die »JAMA«-Publikation stellt die Auswertung des Phase-II-Teils der Studie dar (DOI: 10.1001/jama.2021.0202).

Untersucht wurde darin bei 577 nicht hospitalisierten Patienten, wie sich die Gabe einer Einzeldosis von Bamlanivimab mit 700 mg (der aktuell im Rahmen der US-Notfallzulassung vorgesehenen Dosierung), 2800 mg oder 7000 mg oder einer Einzeldosis von Bamlanivimab plus Etesivimab mit jeweils 2800 mg im Vergleich zu Placebo auf die SARS-CoV-2-Viruslast an Tag 11 auswirkte. Etesivimab ist ein weiterer gegen das Spike-Protein gerichteter Antikörper von Lilly, der bislang weder notfallmäßig noch voll zugelassen ist. Er bindet an ein anderes Epitop als Bamlanivimab, was die Wirksamkeit bei mutierten Virusvarianten erhöhen soll – derselbe Grund, aus dem Konkurrent Regeneron mit Casirivimab und Imdevimab von vorneherein zwei Antikörper kombiniert.

Das scheint auch notwendig zu sein, um überhaupt nennenswert auf die Viruslast einzuwirken. In BLAZE-1 wurde nur dadurch eine signifikante Abnahme der Viruslast um -0,57 Logarithmenstufen erreicht. Mit Bamlanivimab allein gelang dies in keiner der getesteten Dosen.

Klinischer Vorteil der Kombination in Phase III

Ob Bamlanivimab und Etesivimab zusammen auch klinische Parameter beeinflussen, soll im Phase-III-Teil von BLAZE-1 ermittelt werden. Und hier vermeldete Lilly gestern Positives: In diesem Teil der Studie seien der primäre und alle wichtigen sekundären Endpunkte erreicht worden. Die Gabe der beiden Antikörper mit jeweils 2800 mg habe die kombinierte Rate von Krankenhauseinweisungen und Todesfällen bis zum Tag 29 – zusammengefasst als »Ereignisse« – verglichen mit Placebo um 70 Prozent gesenkt. In der Untersuchung mit insgesamt 1305 Teilnehmern sei es in der Verumgruppe zu elf Ereignissen gekommen und in der Placebogruppe zu 36. Alle zehn Todesfälle seien in der Placebogruppe zu verzeichnen gewesen.

Diese Daten wurden zunächst von Lilly kommuiziert und sind bislang noch nicht in einem wissenschaftlichen Journal veröffentlicht worden. In der Pressemitteilung informiert der Hersteller auch über seine weiteren Pläne mit den Präparaten. So sei eine Notfallzulassung für Etesivimab bei der FDA im November beantragt worden. Erste Ergebnisse einer weiteren Studie des BLAZE-Programms, BLAZE-4 (NCT04634409), hätten gezeigt, dass eine niedrigere Dosis, nämlich Bamlanivimab mit 700 mg und Etesivimab mit 1400 mg statt beides mit 2800 mg, genauso wirksam sei. Auch arbeite man zusammen mit der FDA daran, die vorgeschriebene Dauer der Infusion von derzeit 60 Minuten auf 16 Minuten zu verkürzen.

Passive Immunisierung mit Casirivimab und Imdevimab

Ebenfalls in einer Pressemitteilung informiert Regeneron, Hersteller des Antikörper-Cocktails aus Casirivimab und Imdevimab (REGEN-COV™), über die Ergebnisse einer Zwischenanalyse einer laufenden randomisierten und placebokontrollierten Phase-III-Studie (NCT04452318). In dieser erhalten Personen, die aufgrund der Exposition zu einer Covid-19-infizierten Person im Haushalt ein hohes eigenes Infektionsrisiko tragen, Casirivimab und Imdevimab als passive Immunisierung zur Vorbeugung der Infektion. Dabei werden die beiden Antikörper nicht infundiert, wie es laut der US-Notfallzulassung bei Erkrankten vorgesehen ist, sondern einmalig subkutan verabreicht (1200 mg).

Die Zwischenanalyse zeigt positive Effekte: Während sich in der Placebogruppe 23 von 223 Personen mit SARS-CoV-2 infizierten, war dies in der Verumgruppe nur bei 10 von 186 Teilnehmern der Fall. Eine Infektion mit Symptomen trat in der Verumgruppe bei keiner der 186 Personen auf, in der Kontrollgruppe waren dagegen acht Menschen davon betroffen. »Diese Daten legen nahe, dass die passive Immunisierung mit dem Antikörper-Cocktail sowohl die Übertragung des Virus als auch die Virus- und Krankheitslast bei dennoch Infizierten reduzieren kann«, so Dr. George D. Yancopoulos von Regeneron.

Trotz der zunehmenden Verfügbarkeit von aktiven Impfstoffen gebe es weiterhin sehr viele Menschen, die sich infizierten und das Virus an engen Kontakte weitergäben. Die Antikörper-Kombination könne möglicherweise dazu beitragen, diese Kette zu durchbrechen, indem sie Personen mit hohem Infektionsrisiko eine sofortige passive Immunität biete. Der Mediziner verweist zudem darauf, dass immungeschwächte Personen auf einen Aktivimpfstoff möglicherweise nicht gut ansprechen, sodass die passive Immunisierung das Potenzial haben könnte, eine Option für diese Person zu werden.

Bevor es so weit ist, gilt es aber, die endgültigen Daten der Studie abzuwarten. Regeneron erwartet diese zu Beginn des nächsten Quartals – und kündigt an, sie mit den Regulierungsbehörden dann schnell zu besprechen und auszuloten, ob es eine Erweiterung der US-Notfallgenehmigung geben kann. Dasselbe käme irgendwann möglicherweise auch für Bamlanivimab/Etesivimab infrage, denn auch Lilly testet den Einsatz seiner Antikörper als passive Immunisierung in der BLAZE-2-Studie (NCT04497987).

REGEN-COV wird zusätzlich zu der Phase-III-Studie zur Prävention von Covid-19 nicht nur zur Behandlung von nicht hospitalisierten Infizierten untersucht, sondern auch in zwei Krankenhausstudien im Spätstadium der Erkrankung. Das ist etwas überraschend, weil man bisher davon ausging, dass die therapeutischen Antikörper möglichst frühzeitig gegeben werden müssen, um einen Wirkeffekt zu erzielen.

Weitere Kandidaten

Derzeit stehen bei den therapeutischen Antikörpern jene von Regeneron und Lilly im Mittelpunkt. Nicht vergessen sollte man aber, dass auch viele andere Firmen den Einsatz solcher Antikörper klinisch testen und auf diesem Gebiet intensiv forschen.

Dazu gehört zum Beispiel das Unternehmen Astra-Zeneca. Dessen Prüfkandidat heißt AZD7442. Dabei handelt es sich um zwei Antikörper aus Rekonvaleszenten-Serum, die so modifiziert wurden, dass sie länger wirksam sein sollen. Aktuell wird mit diesem Antikörper-Cocktail nicht nur die Behandlung bei Covid-19-Patienten untersucht, sondern auch der Ansatz zur passiven Immunisierung und die Post-Expositionsprophylaxe. Mit TY027 hat auch die Firma Tychan aus Singapur einen Kandidaten im Rennen, der sich in der klinischen Testung befindet. Dabei handelt es sich um einen komplett künstlich hergestellten Antikörper.

Vor allem das Interesse der USA an den therapeutischen Antikörpern scheint groß zu sein. Wie heute bekannt wurde, hat die Firma Evotec SE mit Sitz in Hamburg vom US-amerikanischen Verteidigungsministerium für ihre Tochtergesellschaft Just – Evotec Biologics den Auftrag erhalten, solche Antikörper herzustellen. Der Deal umfasse 28,6 Millionen US-Dollar (23,5 Millionen Euro), wie Evotec mitteilt.

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