Neuartiger mRNA-Impfstoff in Europa zugelassen |
Theo Dingermann |
21.02.2025 15:00 Uhr |
In der EU wurde ein neuartiger Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen. Er enthält selbst amplifizierende mRNA. / © Adobe Stock/Trsakaoe
Die Unternehmen Arcturus Therapeutics und CSL haben den ersten Impfstoff mit selbst amplifizierender mRNA (sa-mRNA) in Europa zur Zulassung gebracht. Zapomeran (ARCT-154, Handelsname Kostaive®) dient dem Schutz vor Covid-19 für Personen ab 18 Jahren. Der Impfstoff enthält einzelsträngige sa-mRNA, die in Lipid-Nanopartikeln verkapselt ist.
Selbst amplifizierend bedeutet, dass die mRNA sich im Geimpften selbst vervielfachen kann. Hierfür enthält sie nicht nur die Bauanleitung für das Spike-Protein des Coronavirus als Impfantigen, sondern auch für das Enzym Replikase, das RNA synthetisieren kann. Dies soll laut Hersteller eine breitere Immunantwort und eine länger anhaltende Antikörperantwort bewirken.
Die Basis der sa-mRNA bildet ein Replikon (ein RNA-Abschnitt, der in einem Stück repliziert wird) auf der Grundlage des Venezuela-Equine-Enzephalitis-Virus (VEEV). Aus dem viralen Genom wurden die Bereiche, die für Strukturproteine codieren, komplett entfernt und durch eine Codon-optimierte RNA ersetzt, die für das Spike-Glykoprotein der SARS-CoV-2-Variante D614G (B.1) in voller Länge codiert.
In der S-Protein-spezifischen mRNA stellen Mutationen sicher, dass das Spike-Glykoprotein in der Präfusionskonformation stabilisiert und mit furinspaltungsinaktivierenden Mutationen exprimiert wird. Als Teil des VEEV-Replikons ist auf der Codon-optimierten mRNA zudem die RNA-abhängige RNA-Polymerase (Replikase) des Virus codiert. Diese kann nur das Replikon vervielfachen, weil nur dort die benötigte Startsequenz vorhanden ist. Die gesamte einzelsträngige mRNA in dem Impfstoff hat eine Länge von 11.860 Nukleotiden. »Die mRNA-Selbstamplifikation ist vorübergehend und erzeugt keine infektiösen Partikel«, heißt es in der Fachinformation von Kostaive.
Erteilt wurde die Zulassung auf Basis mehrerer klinischer Studien, die teils in Vietnam, teils in Japan durchgeführt worden waren. Die Ergebnisse der Phase-III-Studie ARCT-154-J01 wurden im Fachjournal »The Lancet Infectious Diseases« publiziert. In dieser doppelblinden, multizentrischen, randomisierten, kontrollierten Nichtunterlegenheitsstudie wurden die Immunogenität, Sicherheit und Verträglichkeit von Kostaive mit der von Comirnaty® (Tozinameran) von Biontech/verglichen. Beide Impfstoffe wurden als vierte Auffrischungsdosis verabreicht.
Die Studie zeigte, dass Kostaive bei Erwachsenen sicher und gut verträglich ist und eine humorale Immunität induziert. Im Vergleich zu Comirnaty erwies sich Kostaive als nicht unterlegen hinsichtlich der Stärke der humoralen Reaktion gegen den SARS-CoV-2-Stamm Wuhan-Hu-1 und als überlegen hinsichtlich der humoralen Reaktion gegen die Omikron-BA.4/5-Variante.
Eine aktuelle Auswertung, die im April 2024 ebenfalls in »The Lancet Infectious Diseases« erschien, zeigt, dass die Titer der neutralisierenden Antikörper nach Immunisierung mit dem sa-mRNA-Impfstoff im Vergleich zu einem herkömmlichen mRNA-Impfstoff langsamer abfallen. Da neutralisierende Antikörper nachweislich der Hauptindikator für eine schützende Immunität sind, deuten diese Ergebnisse auf eine längere Dauer des Schutzes durch den sa-mRNA-Impfstoff hin. Zudem lasse die nachgewiesene überlegene Immunogenität gegen die BA.4/5-Sublinie auf eine verbesserte Breite der Immunreaktion schließen.
Da sich SARS-CoV-2 immer weiter entwickelt und die Coronaimpfstoffe immer wieder neu an die Varianten angepasst werden, sollte Kostaive auch im Vergleich mit den aktualisierten herkömmlichen mRNA-Impfstoffen bewertet werden. Der sa-mRNA-Impfstoff ist gegen eine sehr ursprüngliche Virusvariante gerichtet.
Die in mRNA-Impfstoffen enthaltene mRNA wird im Körper dazu genutzt, das Spike-Protein von SARS-CoV-2 zu produzieren. Bei Kostaive handelt es sich um das Spike-Protein einer sehr frühen Virusvariante. / © Adobe Stock/Juan Gärtner
Das Sicherheitsprofil für Kostaive wird in der Fachinformation wie folgt zusammengefasst: Bei der Grundimmunisierung (mit zwei Dosen) traten als häufigste Nebenwirkungen Schmerzen an der Injektionsstelle (49,1 Prozent), Druckempfindlichkeit an der Injektionsstelle (49,0 Prozent), Ermüdung/Fatigue (42,3 Prozent), Kopfschmerzen (35,4 Prozent), Myalgie (30,1 Prozent), Schüttelfrost (28,5 Prozent), Arthralgie (27,2 Prozent), Schwindelgefühl (20,1 Prozent) und Fieber (10,8 Prozent) auf. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht und klangen innerhalb weniger Tage nach der Impfung ab.
Es wurden aber auch Fälle von Überempfindlichkeit einschließlich Anaphylaxie beobachtet. Sehr schwere oder lebensbedrohliche Nebenwirkungen wurden nicht gemeldet, in der Vergleichsstudie mit Comirnaty wurden in beiden Gruppen keine Fälle von Myokarditis oder Perikarditis festgestellt.