Negatives bleibt mehr im Kopf als Positives |
Seine Ursache scheint der Negativitätseffekt in der Evolution zu haben - denn früher hatte er einen Zweck: Vor Tausenden von Jahren war er überlebenswichtig, weil es für die Menschen damals hochgradig relevant, sich zu merken, welche Früchte schwer verdaulich oder sogar giftig waren, wo Bären hausten oder Raubtiere auf Jagd gingen.
Der Fokus auf diese Gefahren hat damals also Leben gerettet. Heute gilt das zwar auch noch, beispielsweise bei erhöhter Vorsicht beim Autofahren, weil man die Geschichten der Horrorunfälle kennt. Der Effekt ist jedoch auch eine große Gefahr: Die Negativitätsdominanz zerstöre den Ruf von Individuen, da sich auf ihre Fehler konzentriert werde, schreiben Baumeister und Tierney. Er führe Unternehmen in die Pleite, wenn Aktionäre gehört haben, es gehe diesen schlecht.
Der Effekt fördere zudem Stammesdenken, Rassismus, grundlose Ängste und Zorn beispielsweise gegenüber Flüchtlingen, weil sich Geschichten über gefährliche Straftäter unter ihnen eher einprägen als Geschichten über die Friedvollen. Zudem vergifte die Negativitätsdominanz die politische Öffentlichkeit und sorge dafür, dass Demagogen gewählt werden, da diese sich die Ängste und Sorgen der Menschen zunutze machten.
Christian Unkelbach ist Sozialpsychologe an der Uni Köln, der Negativitätseffekt ist eines seiner Kernthemen. Ihm zufolge geht es dabei im Grunde darum, dass negative Informationen im Durchschnitt mehr Aufmerksamkeit von Menschen bekommen als positive. Zudem würden sie tiefer verarbeitet und hätten mehr Einfluss auf unsere Entscheidungen.
Als klassischen Erkläransatz nutzt auch Unkelbach die Evolution: »Nehmen wir extrem vereinfacht an, Vorfahr A achtet mehr auf negative Informationen als Vorfahr B. Vorfahr A entdeckt dann das Raubtier vor Vorfahr B; A entkommt und B wird gefressen.« Der vorsichtigere Mensch, der sich die negativen Informationen über Gefahren besser einprägt, lebt also länger. Damit gibt er diese Herangehensweise auch über Gene und Erziehung weiter.
Unkelbachs Forschungsteam hat zudem einen Erklärungsansatz dazu, wie Lernprozesse ablaufen. Negative Informationen seien abseits der Nachrichten viel seltener als positive, und zudem viel diverser, da es sehr viel mehr Arten gebe, schlecht zu sein, also solche, gut zu sein. »Menschen achten mehr auf seltene Informationen – und die höhere Diversität führt zu einer tieferen Verarbeitung«, erklärt Unkelbach.