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Bariatrische Chirurgie

Nachsorge ein Leben lang

Die bariatrische Chirurgie gilt als effektivste Therapieoption zur Reduktion des Körpergewichts bei Adipositas sowie signifikanten Remission von Begleiterkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2 oder arterielle Hypertonie. In der Folge ist eine lebenslange Nachsorge und damit auch professionelle Beratung in der Apotheke erforderlich.
AutorKontaktBurkhard Kleuser
Datum 02.04.2023  08:00 Uhr

In Deutschland sind nach Selbstangaben aus den Jahren 2019/2020 mehr als 46 Prozent der Frauen und 60 Prozent der Männer von Übergewicht mit einem Body-Mass-Index (BMI) ≥ 25 kg/m² (Präadipositas) betroffen. Mit einem BMI von 30 kg/m² gilt circa ein Fünftel aller Erwachsenen (19 Prozent) als adipös (1), wobei die mit zahlreichen Komorbiditäten und hier insbesondere dem metabolischen Syndrom assoziierte Adipositas von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als eigenständige Erkrankung eingestuft wird (2).

Circa 15 Prozent der adipösen Menschen mit einem BMI ≥ 30 kg/m² (Adipositas Grad I bis 35 kg/m², Grad II 35 bis 40 kg/m²) leiden unter einem Diabetes mellitus Typ 2, 41 Prozent unter einer arteriellen Hypertonie. Das Risiko für diese Erkrankungen steigt mit zunehmendem Schweregrad der Adipositas, deren Prävalenz wiederum bei Frauen und Männern gleichermaßen auch mit dem Alter zunimmt.

Bei Betroffenen mit Adipositas Grad III (BMI ≥ 40 kg/m²) ist in 26 Prozent der Fälle ein Diabetes mellitus Typ 2, zu 51 Prozent eine arterielle Hypertonie zu beobachten (3). Daneben werden vielfach eine nicht alkoholische Fettleber, aber auch Hyperlipidämien sowie koronare Herzerkrankungen und Herzinsuffizienzen registriert.

Vor allem die bauchbetonte Adipositas ist mit einem erhöhten Diabetesrisiko verknüpft. Nicht zufällig dienen überbordende Bauchumfänge als wichtige Prognosemarker. Im Übermaß vorhandenes viszerales Fett im Bereich der Bauchhöhle, das die dortigen inneren Organe umgibt, führt nicht nur zu einer Dysregulation des Lipidstoffwechsels, sondern weist zudem eine besonders hohe hormonelle Aktivität auf.

Die Adipozyten sezernieren eine Vielzahl proinflammatorischer Adipokine, die chronische Entzündungsreaktionen hervorrufen und unterhalten (4). Durch erhöhte Plasma-Lipidspiegel wie vor allem freie Fettsäuren werden diese chronisch-entzündlichen Prozesse noch begünstigt. Die Entwicklung einer Insulinresistenz wird forciert.

Gemäß Studien der Internationalen Agentur für Krebsforschung (International Agency for Research on Cancer, IARC) steigt die Gefahr der Entstehung von Tumoren wie Brust-, Dick- und Enddarm-, Bauchspeicheldrüsen-, Magen-, Eierstock-, Speiseröhren-, Nieren-, Gallenblasen- oder Schilddrüsenkrebs (5). Allein das Risiko, an einem Ösophagusadenokarzinom zu erkranken, ist im Vergleich zu Normalgewichtigen um das 2,7-Fache erhöht.

Die pathophysiologischen Mechanismen, die zur Krebsentstehung beitragen, sind noch nicht vollständig geklärt. Auch hier scheinen jedoch durch Adipokine hervorgerufene chronische Entzündungen und die Dysregulation von Sexualhormonen ursächlich eine wichtige Rolle zu spielen (6). Mit Blick auf die Vorbeugung vermeidbarer Krebserkrankungen warnt die WHO daher eindringlich vor Adipositas und Übergewicht. Beides sei in vielen europäischen Ländern im Begriff, ein noch größerer Risikofaktor als übermäßiger Nikotinkonsum zu werden (2). Durch eine dauerhafte Gewichtsabnahme könne das individuelle Krebsrisiko erheblich gesenkt werden (7).

Operative Verfahren

Adipöse Menschen mit einem BMI von 40 bis 45 kg/m² haben eine um acht bis zehn Jahre verringerte Lebenserwartung. Mit der Erhöhung der Zahl der Übergewichtigen bei gleichzeitiger Steigerung der Schweregrade nimmt nicht nur die Gesamtmortalität zu. Auch die Qualität der verbleibenden Lebensjahre sinkt signifikant. Denn starkes Übergewicht beansprucht nicht zuletzt im besonderen Maße auch den Stütz- und Bewegungsapparat mit oftmals starken Schmerzen bis hin zur Notwendigkeit unter anderem auch des Gelenkersatzes.

Sind die konservativen Möglichkeiten der oftmals aus vielerlei Gründen notwendigen Gewichtsabnahme erschöpft, kann, insbesondere wenn Adipositas-assoziierte Begleiterkrankungen weiter bestehen, eine bariatrische Intervention (baros = griech: Schwere, Gewicht; iatros = griech: Arzt) gemäß Vorgaben zur Indikation und zum Operationszeitpunkt der S3-Leitlinie »Chirurgie der Adipositas und metabolischer Erkrankungen« unumgänglich werden.

Bei der Indikationsstellung unterscheidet die Leitlinie zwischen Adipositas-chirurgischen und metabolischen Eingriffen (8; Kasten). Ob restriktiv oder malabsorptiv: Die derzeit praktizierten bariatrischen Interventionen führen zu einer verminderten Energiezufuhr. Das Magenvolumen wird chirurgisch so stark reduziert, dass nur noch kleine Nahrungsmengen aufgenommen werden können. Malabsorptive Effekte werden dadurch erzielt, dass die Resorptionsfläche insbesondere im Duodenum verringert wird.

In mehr als 50 Prozent der Fälle und insbesondere bei superadipösen Patienten wird die sogenannte Schlauchmagenoperation, auch Sleeve-Gastrektomie (sleeve, engl.: Ärmel; Grafik B), durchgeführt. Dabei werden bis zu 90 Prozent des linksseitigen Magens entlang einer Kalibrationssonde entfernt, sodass nur ein schlauchförmiger kleiner Restmagen erhalten bleibt.

Nachteilig ist, dass es mit der Verringerung des Magenvolumens in der Folge in vielen Fällen zum Rückfluss des sauren Mageninhalts in die Speiseröhre kommen kann. Dieser chronische Reflux kann mit der Schädigung des gesunden Plattenepithels der Schleimhaut der distalen Speiseröhre und somit einem Barett-Ösophagus (9) einhergehen, der langfristig zu einem Adenokarzinom der Speiseröhre führen kann. Alle zwei Jahre sollte daher nach bariatrischen Eingriffen eine gastroskopische Kontrolle erfolgen.

In diesem Zusammenhang von Relevanz ist, dass Adipositas generell mit erhöhten Prävalenzen gastroösophagealer Refluxerkrankungen verbunden ist. Bei Betroffenen werden Sleeve-Gastrektomien daher per se gemieden. Vielmehr gilt hier der Magenbypass als geeignetere Operationstechnik.

Im Ranking der bariatrischen Interventionen folgt die nach dem schweizerischen Chirurgen César Roux (1857 bis 1934) benannte Roux-Y-Magenbypass-Technik in Deutschland an zweiter Stelle. Bei dieser Technik wird die Nahrungspassage im Magen-Darm-Trakt durch zwei künstlich geschaffene Verbindungen so umgeleitet, dass große Teile des Magens und des Dünndarms umgangen werden (Grafik C).

Der Magen wird knapp unterhalb des Mageneingangs durchtrennt. Es verbleibt ein kleiner Magenteil, der Magenpouch, der mit dem unterhalb des Zwölffingerdarms durchtrennten Dünndarm verbunden wird. Die in den Zwölffingerdarm sekretierten Verdauungssäfte der Galle und der Bauchspeicheldrüse werden so in den weiter unten liegenden Darmabschnitt geleitet. Die Nahrungspassage durch den Zwölffingerdarm wird komplett ausgeschaltet. Erst in den späteren Darm abschnitten treffen Nahrung und Verdauungssäfte aufeinander. Dieses bedeutet, dass für die Verdauung und Resorption der Nährstoffe weniger Zeit und weniger Oberfläche verbleiben.

Basieren circa 15 Prozent der bariatrischen Eingriffe auf der Ein-Anastomosen-Bypass- beziehungsweise Omega loop-Magenbypass-Methode, so wird im Gegensatz zum Roux-Y-Verfahren hier nur eine Anastomose (Neuverbindung) zwischen Magenpouch und dem Dünndarm hergestellt (Grafik D). Allerdings birgt der damit verbundene direkte Kontakt zwischen Magenpouch und Verdauungssekreten die Gefahr möglicher Gallerefluxe. Das Risiko der Entstehung ulzeröser Geschwüre im Bereich der Anastomose zwischen Magen und Dünndarm ist relativ hoch (10). Auch hier ist die langfristige engmaschige medizinische Kontrolle angezeigt.

Es gibt weitere Möglichkeiten der Intervention, zum Beispiel die Einengung des Magens durch die Anbringung eines Silikonbandes (Grafik E), wobei dieser Eingriff fast gar nicht mehr durch geführt wird. Studien mit Langzeit-Follow-up zeigen, dass diese Operationsmethode bezogen auf Langzeitgewichtsverlust und Komplikationsrate den anderen Methoden unterlegen ist. Als Medizinprodukte kommen zudem als Alternative vor bariatrischen Operationen teils schluckbare Magenballons (Grafik F) zur Verkleinerung des Magens und schnelleren Herbeiführung des Sättigungsgefühls zum Einsatz. Doch sind auch diese nicht frei von teils negativen Erfahrungen, Risiken und Nebenwirkungen.

Stichwort »Kontraindikationen«: Leitliniengemäß sollten bariatrische Eingriffe bei einer unbehandelten Bulimie, einer aktiven Substanzabhängigkeit und bei endokrinen Störungen als Basis der Adipositas gemieden werden.

Es gibt Hinweise, dass es bei einigen Patienten nach einer bariatrischen Operation zu einem erhöhten Alkoholkonsum kommt (11). Tatsächlich wird Alkohol nach dem Eingriff besser resorbiert, sodass schneller höhere Alkoholspiegel erreicht werden. Ebenso existiert ein Zusammenhang zwischen Adipositas und Depression.

Direkt nach einem bariatrischen Eingriff scheinen depressive Symptome abzunehmen; es kommt nach mehreren Jahren jedoch wieder zu einer Angleichung auf ein Depressionsniveau wie bei der nicht operierten Kontrollgruppe. Tatsächlich ist auch die Suizidrate bei operierten Patienten im Vergleich zur Kontrollgruppe erhöht (12). Eine psychotherapeutische Betreuung sollte daher nach der Operation für die Patienten zur Verfügung stehen.

Metabolische Prozesse

Einige Studien zeigen, dass die Roux-Y-Operation und die Schlauchmagenoperation mit Blick auf das Ausmaß der Gewichtsreduktion zu vergleichbaren Ergebnissen führen. Allerdings zeigt die Gewichtsabnahme durch die Roux-Y-Methode im Vergleich zur Schlauchmagenoperation gemäß Studiendaten nach fünf Jahren signifikante Vorteile (13). Grund könnte die bei der Sleeve-Gastrektomie nach einigen Jahren vielfach zu beobachtende Schlauchmagendilatation sein. In diesen Fällen kann ein weiterer Eingriff indiziert sein, bei dem ein Silikonring um den Magenpouch gelegt wird.

Je nach Art der Untersuchung liegt der Verlust des überschüssigen Körpergewichtes generell zwischen 50 und 70 Prozent (14–16). Die Gewichtsabnahme erfolgt in den ersten Monaten sehr schnell, ein Plateau wird in der Regel nach einem bis zwei Jahren erreicht.

Besonders beeindruckend sind die Erfolge der bariatrischen Chirurgie auf die Diabetesentwicklung. Bei 50 bis 75 Prozent der Patienten kann nach einem bis zwei Jahren eine komplette Typ-2-Diabetes-Remission mit Verbesserung selbst schwerer Begleiterkrankungen und hier auch einer diabetischen Nephropathie erreicht werden (17, 18). Auch hier scheint die Roux-Y- im Vergleich zur Schlauchmagenmethode vorteilhafter zu sein (19). Die nunmehr vorliegenden Zehn-Jahres-Daten deuten auf Diabetes-Remissionsraten von immer noch 25 bis 62 Prozent hin (20). Damit ist die bariatrische Chirurgie den derzeit zur Verfügung stehenden medikamentösen Therapieoptionen weit überlegen.

Verbesserungen der metabolischen Stoffwechsellage sind zumeist bereits kurz nach der bariatrischen Intervention messbar. Tatsächlich führen Schlauchmagen- und Magenbypass-Operationen zu einer komplexen Beeinflussung metabolischer Prozesse, die multifaktoriell bedingt sind. Veränderungen hinsichtlich der Ausschüttung gastrointestinaler Hormone, der Zirkulation von Gallensäuren und der Zusammensetzung des Mikrobioms sind mit vielfältigen Effekten in Leber, Fettgewebe, Skelettmuskeln und Gehirn verbunden (21).

Im Gastrointestinaltrakt kommt es zu einer verringerten Ausschüttung von Ghrelin (Akronym engl.: »Growth Hormone Release Inducing«). Das Peptid wird in den enterochromaffinen Zellen des Magenfundus gebildet, eine verminderte Ghrelin-Bildung ist besonders nach einer Sleeve-Gastrektomie zu beobachten.

Das »Heißhunger-Hormon« entfaltet seine Wirkung im Hypothalamus und besitzt einen orexigenen, also appetitsteigernden Effekt. Veränderungen des Appetits sind innerhalb weniger Tage nach einer bariatrischen Operation nachweisbar.

Im Gegensatz zur verminderten Ausschüttung von Ghrelin kommt es in den neuroendrokrinen L-Zellen des Ileums zu einer vermehrten Sekretion von Glucagon-like peptide 1 (GLP-1) und Peptid Tyrosyl-Tyrosin (PYY). Zurückgeführt wird dies auf die Tatsache, dass die L-Zellen nach einem bariatrischen Eingriff und einer schnellen Magenentleerung einer verstärkten Exposition von Nahrungsbestandteilen ausgesetzt sind.

Das sezernierte GLP-1 steigert die glucoseabhängige Ausschüttung von Insulin in den β-Zellen und verringert so die postprandialen Glucosespitzen. In den Fett- und Skelettmuskelzellen kommt es zu einer verbesserten Glucoseaufnahme, was einer Insulinresistenz entgegenwirkt.

Nicht zuletzt kommt es durch GLP-1 und PYY neuroendokrin zu einer Senkung des Hunger- und einer Steigerung des Sättigungsgefühls, was zu einer reduzierten Nahrungsaufnahme führt. Patienten mit besonders großer Gewichtsabnahme nach einer bariatrischen Operation weisen auffallend hohe GLP-1- und PYY-Spiegel auf (22).

Zudem ist nach bariatrischen Operationen sowohl im Blut als auch im terminalen Ileum ein Anstieg der Gallensäurespiegel zu beobachten. Neuere Erkenntnisse belegen, dass Gallensäuren neben emulgierenden Eigenschaften bei der intestinalen Fettaufnahme auch Signalfunktionen bei der Regulation des Glucose- und Fettstoffwechsels besitzen.

Es konnten mehrere Zielstrukturen für Gallensäuren identifiziert werden, zu denen der in zahlreichen Geweben und Organen wie Leber, Fett und Muskeln vorkommende TGR5- beziehungsweise GPBAR-1-(»membrane-bound G protein-coupled bile acid«-)Rezeptor zählt, der nach bariatrischer Operation vermehrt hochreguliert wird (23). Die Stimulierung des Rezeptors ist mit einer erhöhten Energiebilanz verknüpft. Im Fettgewebe wird die chemische Energie der Glucose und Fettsäuren in thermische Energie und somit Fettverbrennung umgesetzt (24).

TGR5-Rezeptoren befinden sich auch auf den L-Zellen des Ileums, sodass die Bildung und Sekretion von GLP-1 und PYY in den Blutkreislauf noch weiter gesteigert wird (25). Daneben stimulieren insbesondere mit Taurin konjugierte Gallensäuren auch intrazelluläre Farnesoid-X-Rezeptoren (FXR), deren Hochregulation ebenso mit einer Verbesserung der Regulation des Blutzuckers und des Fettstoffwechsels einhergeht. Es sind positive Einflüsse auf die Vielfalt, also Diversität der Bakterien im Darm und Zusammensetzung des Mikrobioms zu beobachten (26, 27), der bei schlanken Menschen per se eine besondere Bedeutung zukommt.

Studiengemäß wird eine Reduktion von Firmicutes und Bacteroidetes sowie eine Erhöhung von Proteobakterien beobachtet (28). Beides wiederum geht mit einem modifizierten Gallensäure-Stoffwechsel, sprich der vermehrten Bildung Taurin-konjugierter Gallensäuren einher (29). Somit scheint das komplexe Zusammenspiel zwischen intestinalen Hormonen, Gallensäuren und dem Mikrobiom zu den positiven Effekten einer bariatrischen Operation beizutragen.

Regelmäßige Kontrolle

Die lebenslange Nachsorge nach einer bariatrischen Operation nimmt einen zentralen Stellenwert ein. Leitlinien gemäß werden Nachsorgeuntersuchungen mit Messung unter anderem der relevanten Leber-, Nieren-, Vitamin- und Mineralstoffwerte als Basis entsprechender Supplementationsempfehlungen (Tabelle) nach 1, 3, 6, 12, 18 und 24 Monaten und dann im jährlichen Rhythmus empfohlen.

Mikronährstoff Vorkommen, Defizit Empfohlene Supplementation
Vitamin A
Schlauchmagen 5,2 % 1500 Retinolaktivitätsäquivalent
Roux-Y-Magenbypass 7,7 % 1500–3000
Vitamin B1 (Thiamin)
Schlauchmagen 1–49 %, Risikofaktoren sind Alkoholkonsum, Erbrechen 12 mg/Tag
Roux-Y-Magenbypass 1–49 %, Risikofaktoren sind Alkoholkonsum, Erbrechen 12 mg/Tag
Calcium
Schlauchmagen hohe Prävalenz 1200–1500 mg/Tag als Calciumcitrat
Roux-Y-Magenbypass hohe Prävalenz 1200–1500 mg/Tag als Calciumcitrat
Vitamin D
Schlauchmagen fast bei allen Patienten 3000 IE/Tag
Roux-Y-Magenbypass fast bei allen Patienten 3000 IE/Tag
Eisen
(Messung Ferritin)
Schlauchmagen <18 % 50 mg/Tag
Roux-Y-Magenbypass 20–55 % 50 mg/Tag
Folsäure
Schlauchmagen bis zu 65 % 600 μg/Tag
Roux-Y-Magenbypass bis zu 65 % 600 μg/Tag
Vitamin B12
Schlauchmagen 4–20 % 1000 μg/Tag oral oder 1000–3000 μg i.m. alle 3–6 Monate
Roux-Y-Magenbypass <20 % 1001 μg/Tag oral oder 1000–3000 μg i.m. alle 3–6 Monate
Vitamin E und
Vitamin K
Schlauchmagen geringe Defizite 15 mg Vitamin E/Tag
90–120 μg Vitamin K/Tag
Roux-Y-Magenbypass geringe Defizite 16 mg Vitamin E/Tag
Kupfer
Schlauchmagen geringe Defizite 1 mg/Tag
Roux-Y-Magenbypass 10–20 % 2 mg/Tag
Zink
Schlauchmagen 19 % 8–11 mg/Tag
Roux-Y-Magenbypass 40 % 8–11 mg/Tag
Supplementationsempfehlungen von Mikronährstoffen nach einer bariatrischen Operation

Eine bariatrische Operation macht zudem die Kontrolle der bisherigen und zukünftigen Medikation von Grund- und Begleiterkrankungen erforderlich, nicht nur mit Blick auf den Typ-2-Diabetes, sondern insbesondere auch auf die Remission der arteriellen Hypertonie. Gegebenenfalls kann komplett auf die Medikation verzichtet werden. Vor allem die Gabe von SGLT2-Inhibitoren sollte in den ersten sechs bis zwölf Monaten gemieden werden, da es ansonsten zu einer erhöhten Ketoazidosegefahr kommen kann.

Bei Patienten mit vorbestehenden Gichterkrankungen unter einer Allopurinol-Therapie hingegen sollte die Behandlung bis zu mindestens sechs Monaten nach der Operation fortgeführt werden. Denn gerade in der Phase des hohen anfänglichen Gewichtsverlustes können Gichtanfälle häufiger auftreten (30). Die pharmakokinetischen Effekte einer bariatrischen Operation auf die vom Patienten wegen weiterer Grunderkrankungen eingenommenen Medikamente sind zumeist nicht vorhersagbar. Gerade in frühen postoperativen Phasen müssen die Arzneistoffwirkungen genau beobachtet werden. Häufig ist eine Dosisanpassung notwendig, das gilt auch und gerade für Psychopharmaka.

Last, but not least können Schlauchmagen- und Roux-Y-Operationen zu unterschiedlichen Defiziten an Mikronährstoffen führen. Geht die Sleeve-Gastrektomie nicht zuletzt mit einer verringerten Azidität einher, so kann diese einen direkten Einfluss auf die Resorption von Eisen und Calcium nehmen. Die Minderung der Bildung des Intrinsic-Factors im Magen kann einen Vitamin B₁₂-Mangel nach sich ziehen.

Beim Roux-Y-Magenbypass steht die teilweise Ausschaltung des Duodenums und des proximalen Jejunums von der Nahrungspassage im Vordergrund. In diesen Dünndarmabschnitten ist jedoch die höchste Dichte an Transportern für die Calcium-, Eisen-, Zink- und Kupferaufnahme zu verzeichnen, sodass es zu einem Defizit insbesondere dieser Mikronährstoffe kommen kann.

Mängel beheben

Unabhängig von der Operationsmethode ist bei fast allen Patienten des Weiteren ein Vitamin-D-Mangel zu beobachten, der mit einer Knochendemineralisation verknüpft sein kann – dieses ganz abgesehen davon, dass infolge der geringeren mechanischen körperlichen Belastung aufgrund des Gewichtsverlustes der Demineralisationsprozess noch gesteigert sein kann. Eine Vitamin-D- und Calciumgabe ist daher obligatorisch.

Bei der Calciumsubstitution ist die verringerte Resorptionskapazität zu berücksichtigen, weswegen eine mehrmalige tägliche Gabe sinnvoll erscheint. Dabei sollte Calciumcitrat verwendet werden, das unter Berücksichtigung der verringerten Azidität besser als die Carbonatverbindung resorbiert wird.

Bei der Supplementation von Zink und Eisen ist die parallele Gabe zu vermeiden, da kompetitive Aufnahmewege existieren. Ebenso sollte auf den gleichzeitigen Konsum von Kaffee und schwarzem Tee verzichtet werden, da es zur Komplexbildung und damit einer verminderten Resorption kommen kann. Aufgrund der häufig schlechten gastrointestinalen Verträglichkeit von Eisen gilt die Infusion als bevorzugte Applikationsform.

Zur Vorbeugung der gefürchteten Wernicke-Enzephalopathie ist zudem auf die ausreichende Vitamin B₁ (Thiamin-)Supplementation zu achten (31). Oft deuten Doppelbilder, Sprechstörungen und Gangunsicherheiten auf eine beginnende degenerative Enzephalopathie hin. Diesen Symptomen muss große Bedeutung zugemessen und rechtzeitig mit hoch dosierter Vitamin-B₁-Gabe entgegengewirkt werden (32).

Können unter anderem Acetylsalicylsäure, Ibuprofen und Diclofenac die Magenschleimhaut schädigen, so sollte im Beratungsgespräch in der Apotheke deutlich gemacht werden, dass die Einnahme direkt nach einer bariatrischen Intervention möglichst zu vermeiden ist. Paracetamol und Metamizol sind wesentlich unproblematischer.

Ernährung anpassen

Ein Problem, das vor allem nach Roux-Y-Operationen auftritt, ist das sogenannte Dumping, von dem circa 20 bis 40 Prozent der Patienten nach einer Magenbypass-Operation betroffen sind. Unter dem Dumping-Syndrom versteht man die Sturzentleerung flüssiger und fester Nahrung vom Magen in den Dünndarm. Dabei muss zwischen einem Früh- und einem Spätdumping unterschieden werden.

Direkt im Anschluss an die Nahrungsaufnahme treten beim Frühdumping krampfartige Schmerzen, Erbrechen oder Übelkeit auf. Ursache ist, dass der hyperosmolare Nahrungsbrei aufgrund der eingeschränkten Pylorusfunktion bolusartig vom Magen in den Dünndarm abgegeben wird. Die Hyperosmolarität bedingt einen massiven Flüssigkeitseinstrom aus dem Interstitium in das Darmlumen. Aufgrund der Dehnung der Darmwand erhöht sich der Vagustonus, was die Beschwerden erklärt (33).

Das Spätdumping tritt etwa eine bis drei Stunden nach der Nahrungsaufnahme auf. Man nimmt an, dass eine unverzügliche und schnelle Resorption der Glucose nach Übertritt in den Dünndarm erfolgt. Dies wiederum führt zu hohen Insulinspiegeln und verursacht letztendlich eine Hypoglykämie. Symptome sind Schwitzen, Hungergefühl, Schwäche und Verwirrtheit. Ein oraler Glucose-Toleranztest oder die kontinuierliche Blutzuckermessung können die Diagnose bestätigen (34).

Nicht selten treten Früh- und Spätdumping in Kombination auf, weil der rasche Übertritt des Nahrungsbreis in das Darmlumen die Ursache ist. Häufig führt bereits eine Ernährungsumstellung zur Besserung der Symptome. Kleine Portionen, kohlenhydratarme Lebensmittel und die strikte Trennung von Flüssigem und Festem sind Bestandteil der Ernährungstherapie.

In einem weiteren Schritt könnten Acarbose und GLP-Agonisten eingesetzt werden, um die Glucoseaufnahme zu verlangsamen und die Magenmotilität zu hemmen. In therapierefraktären Fällen kann auch der Einsatz von Somatostatinanaloga erwogen werden, da diese inhibierend auf die Insulinfreisetzung wirken und damit der Hypoglykämie entgegen wirken (35).

Chirurgisch kann versucht werden, den Magenpouch zu verkleinern und mit einem Silikonring zu umschließen, um den Magenausgang einzuengen. Letztendlich muss bei anhaltenden Beschwerden auch an einen Rückbau des Magenbypasses gedacht werden.

Verbesserte Fruchtbarkeit

Bariatrische Operationen werden zunehmend auch bei Frauen im gebär fähigen Alter vorgenommen, wobei die dadurch bewirkte Gewichtsabnahme oft erst eine Schwangerschaft ermöglicht: Bei Adipösen kommt es häufig zu Zyklusanomalien und einer damit verbundenen Infertilität. Der Gewichtsverlust nach einer bariatrischen Operation ist nicht nur bei Frauen, sondern oft auch bei Männern mit einer verbesserten Fruchtbarkeit verbunden (36).

Grundsätzlich gelten Schwangerschaften nach einer Schlauchmagen- oder einer Magenbypass-Operation als sicher und möglich. Doch kann die Vermeidung einer Schwangerschaft in den ersten ein bis zwei Jahren nach einer bariatrischen Operation angezeigt sein, da in dieser Phase des größten Gewichtsverlustes auch das Risiko für einen Mangel an Mikronährstoffen am höchsten ist. Insofern ist es wichtig, dass es vor einer Schwangerschaft zu einer Gewichtsstabilisierung gekommen ist (37).

So oder so: Im Beratungsgespräch in der Apotheke sollte stets darauf hingewiesen werden, dass die Wirkung oraler Kontrazeptiva nach einer Magenbypass-Operation oft nicht gewährleistet ist und bei Verhütungswunsch alternativ auf langwirkende reversible Kontrazeptiva wie Implantate zurückgegriffen werden sollte.

Ob Vitamin B, Zink, Kupfer, Selen, Calcium oder Eisen: Bei einer geplanten Schwangerschaft sollte – wenn nötig – die Supplementation von Mikronährstoffen bereits einige Monate vor der Konzeption eingeleitet werden, um dann konsequent weitergeführt und durch Laborwerte in jedem Trimenon kontrolliert zu werden. Folsäure ist wie bei allen Schwangerschaften Pflicht. Zudem ist auf eine ausreichende Proteinzufuhr von mindestens 60 g/Tag mit genügend essenziellen Aminosäuren zu achten.

Derzeit werden in Deutschland jährlich etwa 20.000 bariatrische Eingriffe durchgeführt. Aufgrund der Indikationskriterien und der sehr guten Erfolge ist zu erwarten, dass die Anzahl der Eingriffe deutlich steigen wird. In Nachbarländern wie der Schweiz und Frankreich sind die bariatrischen Eingriffe bezogen auf die Bevölkerungszahl bereits sehr viel höher (38).

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