Museumsbesuch statt Medikament |
Kunsthistorikerin Nathalie Bondil, Ex-Direktorin des Museum of Fine Arts (MMFA) und heute Leiterin des Institut du Monde Arabe in Paris, ist überzeugt: Kultur wird im 21. Jahrhundert für unsere Gesundheit das, was Sport im 20. Jahrhundert war. Im Radiosender »France Info« erklärte sie: »Der Mensch ist biologisch darauf ausgelegt, von Schönheit berührt zu werden und dadurch Wohlbefinden zu empfinden.« In Montreal setzte Bondil die Idee 2018 schließlich praktisch um.
Den Erfolg solcher Museumsbesuche beschreibt Catherine Hanak, leitende Psychiaterin an der Uniklinik Brugmann in Brüssel anschaulich in der Wochenzeitung »Le Nouvel Obs«: »Wenn wir etwas Angenehmes tun, reagiert unser Gehirn wie bei einem kleinen Feuerwerk – Dopamin wird freigesetzt, und wir fühlen uns sofort wohl. Das passiert beim Sport, bei einem Spaziergang im Wald – und genauso, wenn uns ein Kunstwerk berührt.«
Auch in Deutschland zeigt die Forschung, dass Museumsbesuche Depressionen, Demenz und Einsamkeit lindern können – und das oft wirksamer und günstiger als Medikamente. Ein Bericht der TU Dresden empfahl daher, die Besuche in die Regelversorgung aufzunehmen. Darin heißt es: »Eine Jahreskarte fürs Museum wirkt offenbar deutlich wirksamer als Medikamente – besonders bei der Linderung depressiver Symptome von Menschen mit Demenz.«
Gemeinsam mit der Charité erprobt das Bode-Museum das Projekt »Das heilende Museum«. Es will die Achtsamkeit vor Kunstwerken erzielen. Dafür steht ein eigens dafür hergerichteter Raum zur Verfügung, in dem verschiedene Meditationstraditionen präsentiert werden. Wer teilnehmen möchte, kann die Übungen per Audioguide, Smartphone oder Website abrufen; dabei fallen Museumseintritt und ein Teilnehmerbeitrag an.
Schon 2019 wertete die Weltgesundheitsorganisation (WHO) über 3.000 Studien aus – mit klarem Ergebnis: Kunst- und Kulturangebote stärken die psychische und physische Gesundheit – sie helfen, Leiden zu verarbeiten und den Genesungsprozess zu fördern. Darauf basiert die Museumstherapie. Anders als die bekanntere Kunsttherapie erfordert sie kein künstlerisches Talent – nur die Bereitschaft, Kunst bewusst zu erleben, etwa nach dem Slow-Art-Prinzip, bei dem man sich Zeit für einzelne Werke nimmt. Neu ist die Erkenntnis: Schon die reine Begegnung mit Kunst kann heilsam sein – ganz ohne eigenes kreatives Schaffen.