Muntermacher, Motivator und Dünger |
Dabei ist es nicht entscheidend, dass durch Sport die Durchblutung angeregt wird. »Das hat keine funktionale Bedeutung. Die Durchblutung wird auch angeregt, wenn sie in Kopfstand oder in die Sauna gehen,“ erläutert Schneider. »Wir wissen inzwischen, dass Sport das Gehirn fit hält. Ausgelöst durch die Muskelkraft kommt es im Hirn zu einer Freisetzung von neurotrophen Proteinen wie dem BDNF (Brain-Derived Neurotrophic Factor und IGF 1 (Insulin-like Growth Factor). Diese wirken auf das Gehirn wie Dünger.« Vor allem die Aufmerksamkeit, die Konzentration und die Gedächtnisleistung profitieren.
Diese seien aber erstmal überhaupt nicht wirksam. Schneider veranschaulicht mit folgendem Vergleich: »Man stelle sich vor: Auf einem Feld nur Dünger aufzubringen, ist nutzlos, wenn nicht auch Saat aufgetragen wird. Übertragen auf das Hirn und den Dünger in Form der neurotrophen Proteine bedeutet das: Wir brauchen Trainingsreize, damit es zu einer Synaptogenese kommt, dass sich also Nervenzellen neu miteinander verknüpfen, und die Neuroplastizität zunimmt.« Trainingsreize lassen also jene Region im Hirn wachsen, die zuständig für das Gedächtnis ist, der Hippocampus. »Diese Entstehung der nervalen Neuverbindungen wird durch die neurotrophen Proteine befeuert -aber eben nur dann, wenn es einen Trainingsreiz gibt, und der ist gerade für die kognitiven Funktionen die Auseinandersetzung mit der realen Umwelt.«
Rächt es sich, wenn man erst in der Lebensmitte oder gar erst im Seniorenalter mit der sportlichen Aktivität beginnt? Angepasst an das Alter und die individuelle Gesundheitssituation könne jeder von körperlicher Aktivität profitieren. »Natürlich ist es besser, frühzeitig zu beginnen und regelmäßig aktiv zu sein. Doch auch bei älteren Menschen kann Bewegung die kognitive Leistungsfähigkeit positiv beeinflussen. Bei Bewegung kommt es zur Freisetzung von neurotrophen Proteinen. Das ist relativ simpel.«
Der Experte bringt neben der neurophysiologischen auch die psychische Ebene mit ins Spiel. »Vor allem in höherem Alter ist es immer auch eine Frage der Motivation. Wie bringt man den Menschen zur Bewegung? Dafür ist die individuelle Bewegungshistorie wichtig: Was hat man schon als Kind gelernt und gerne gemacht beziehungsweise versäumt? Deshalb ist es so wichtig, schon früh mit den Kindern zu beginnen und ihnen eine umfassende Bewegungsausbildung zukommen zu lassen. Gewissermaßen als Invest in die Zukunft. Im Alter erinnert man sich dann daran, was man als Kind gerne gemacht hat und kann daran anschließen. Und das bringt letzten Endes auch Spaß am Sport – das ist der zentrale Punkt, um dranzubleiben.« Ob es Ausdauersport ist oder Krafttraining spiele nur eine untergeordnete Rolle. Sport in der Gruppe ist ein guter Motivator, langfristig am Ball zu bleiben.
Ein Skelettmuskel setzt sich aus Faserbündeln zusammen, die wiederum etliche Muskelfasern umfassen. Diese Stränge enthalten die nur tausendstelmillimeterdicken Myofibrillen. Diese wiederum bestehen aus einer Vielzahl an Sarkomeren. In diesen kleinsten kontraktilen Einheiten des Muskels befinden sich zahllos aneinandergereihte Pakete von winzigen Molekülfäden, die Myosin- und die Aktinfilamente. Sie sind die eigentlichen Krafterzeuger: Auf ein Nervensignal hin schieben sich die Filamente aufgrund komplexer biochemischer Prozesse, bei denen Calcium eine Schlüsselrolle einnimmt, teleskopartig ineinander und verkürzen die Fibrille. Geschieht dies gleichzeitig in abertausenden Einheiten, verkürzt sich auch der ganze Muskel. / Foto: PZ/Stephan Spitzer