Münch: »Die Rahmenbedingungen sind aus dem Ruder gelaufen« |
Jennifer Evans |
28.06.2023 12:30 Uhr |
Kammerpräsident Jens-Andreas Münch ermunterte die AKSA-Mitglieder, die pharmazeutischen Dienstleistungen stärker umzusetzen. Schließlich sei nur eine abgerechnete Dienstleistung auch eine messbare. / Foto: AKSA
Gleich zu Anfang seiner Rede stellte Jens-Andreas Münch klar, dass die Bundesregierung in der Vergangenheit »weitgehend ausgesessen« habe, dass die Apotheken bereits seit mehr als zehn Jahren vor den drohenden Problemen des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs im Gesundheitssystem gewarnt hätten. Erst die massiven Lieferausfälle der vergangenen Monate hätten vielen die Augen geöffnet. Münch bedauerte allerdings, dass nun einige die Schuld daran den Marktbeteiligten zuschieben wollen. Und das, »obwohl offensichtlich die Rahmenbedingungen völlig aus dem Ruder gelaufen sind«, bemerkte er.
Auch hob der Kammerpräsident hervor, dass die Lieferengpässe »nur die Spitze des Eisbergs unserer Probleme« seien. Für ebenso eklatant hält er die zeitintensive Bürokratie sowie den Personalmangel. Neue pharmazeutische Dienstleistungen anzubieten, hält er zwar zweifelsohne für »eine großartige Errungenschaft«, um die Therapie der Patienten zu optimieren. Doch im Alltag stehe bei der Durchführung oftmals zu wenig Zeit und Personal zur Verfügung. Zudem glichen die neuen Aufgaben die Defizite mangelhafter Honorierung in puncto Arzneimittelabgabe nicht aus. Dennoch sollte der Berufsstand »alles daran setzen«, die pharmazeutischen Dienstleistungen noch weit mehr als bisher zum Laufen zu bringen, appellierte er. Andernfalls setze man deren Errungenschaft »fahrlässig aufs Spiel«, sollten keine Leistungen aus dem Fonds abgerufen werden.
Die Entwicklung der Apothekenzahlen in den vergangenen 15 Jahren beschreibt Münch als einen ungebremsten Sinkflug. Mit rund 2000 Apothekenschließungen seit der Wiedervereinigung 1990 sei inzwischen praktisch der komplette Apothekenbestand der ehemaligen DDR verschwunden. Regionale Versorgungslücken seien kaum noch zu schließen. Da er die Ursachen vornehmlich für strukturell hält, forderte er ein systematisches und zielorientiertes Handeln der Politik.
Das Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz (ALBVVG) habe diese Forderung jedoch nicht erfüllt, wie Münch betonte. Selbst nach einer Stellungnahme des Bunderats, die vor allem Verbesserungen für die Apotheken ins Visier nahm, zeigte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) laut Münch keine Gesprächsbereitschaft. Den Protesttag am 14. Juni, den die Apothekerschaft als Folge veranstaltete, verbuchte er aber als einen großen Erfolg. Trotz aller Bedenken im Vorfeld. Denn: »Apotheker sind nicht unbedingt für Arbeitsniederlegungen bekannt. Die Fürsorge für unsere Patienten ist tief in unseren Genen verwurzelt«, so Münch.