Müller verteidigt höheren Kassenabschlag |
Jennifer Evans |
13.09.2022 17:00 Uhr |
Thomas Müller, Abteilungsleiter für Arzneimittel, Medizinprodukte und Biotechnologie im Bundesministerium für Gesundheit (BMG) hält die Sparpläne seines Ministeriums im Bereich der Apotheken für moderat. / Foto: PZ/Evans
Das Vorhaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz den Kassenabschlag für zwei Jahre von derzeit 1,77 Euro auf 2 Euro zu erhöhen, hat die Apotheker schockiert. Nach ihrem Einsatz während der Pandemie hatten sie sich stattdessen eine Unterstützung des Berufsstands erhofft, zumal die Bundesregierung immer wieder von einer Stärkung der Vor-Ort-Apotheken gesprochen hatte.
In seinem heutigen Vortrag beim Forum – Institut für Management betonte Thomas Müller, dass er die zusätzliche Belastung für die Apotheken zwar »nicht kleinreden« wolle, sie aber für durchaus »vertretbar« halte. In seinen Augen müssten eben alle Beteiligten einen Beitrag zur Stabilisierung der Kassenfinanzen leisten. Und die Erhöhung des Kassenabschlags, den die Apotheken den Kassen für jede abgegebene Rx-Packung gewähren, bezeichnete er vor diesem Hintergrund als »moderat«. Schließlich hätten die Offizinen an anderer Stelle gewonnen, etwa während der Coronavirus-Pandemie sowie durch die neue Vergütung des Botendienstes und der pharmazeutischen Dienstleistungen.
Mehrfach hob Müller hervor, dass derzeit nur eine Kabinettsfassung des geplanten GKV-Spargesetzes existiere, die noch parlamentarische Beratungen sowie die Anhörung im Gesundheitsausschuss durchlaufen müsse. Doch gleichzeitig steht das BMG laut Müller »unter Zeitdruck« und will das Gesetz noch im Oktober unter Dach und Fach haben. Ein Grund dafür ist, dass das Ministerium spätestens im November den endgültigen durchschnittlichen Zusatzbeitrag für 2023 festlegen wird. Und der Schätzerkreis müsse für seine entsprechende Prognose bereits bald loslegen.
Um den Entwurf zu verteidigten, setzte Müller ihn in einen größeren Kontext. Die »schwierige Lage« der GKV-Finanzen ergebe sich aus den hohen Defiziten etwa bei den Krankenhäusern, der Pflege und der »überproportionalen Steigerung« der Preise für patentgeschützte Arzneimittel. Zusätzlich trete der Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf die (Kosten-)Bremse. Außerdem machten die steigenden Energiekosten durch den Ukrainekrieg der Branche zu schaffen. Insbesondere bei den Generika entfällt Müller zufolge ein nicht unerheblicher Anteil auf gestiegene Produktionskosten, auch durch die Abhängigkeit der Präparate von Vorprodukten.
Beim Gesundheitsausschuss ist das Spargesetz jedenfalls nicht auf Gegenliebe gestoßen. Die Experten empfahlen dem Plenum, die Erhöhung des Kassenabschlags abzulehnen, weil sie den Bestrebungen der Bundesregierung zur Stärkung der Apotheken vor Ort diametral entgegenlaufe. Die PZ hatte über die Stellungnahme des Ausschusses berichtet. Auch andere Akteure aus der Gesundheitsbranche ließen zuletzt kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf.
Weit intensiver als auf die Apotheken ging Müller in seinem Vortrag aber auf die geplanten Anpassungen beim Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AMNOG) ein. Seit der Reform von 2011 müssen Hersteller und Kassen den Erstattungspreis für ein Medikament aushandeln. Dabei entscheidet der Gemeinsame Budnesausschuss (G-BA) über den Zusatznutzen eines Medikaments gegenüber der bisherigen Standardtherapie. Das geschieht auf Basis der Nutzenbewertungsergebnisse des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Dieses Ergebnis ist dann auch ausschlaggebend für den Preis, den die Kassen erstatten.
Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will nun »eine neue Balance« zwischen patentgeschützten Arzneimitteln und Generika schaffen, wie Müller schilderte. Denn dem BMG missfalle die Entwicklung, dass die Umsätze bei Original-Präparaten seit Jahren nach oben kletterten (Steigungsraten von 5 bis 10 Prozent), während sie hingegen bei den Generika stagnierten. Allein im Bereich der Orphan Drugs im ambulanten Einsatz habe sich der Umsatz zwischen 2017 und 2021 verdreifacht, berichtete er.
In Zukunft soll sich bei einem neuen Arzneimittel nun ein beträchtlicher Zusatznutzen besser auszahlen als ein geringerer. Der Premiumpreis geht also an jene Produkte, deren Zusatznutzen sehr hoch ist. Bei geringerem Zusatznutzen soll dann nach dem Willen des BMG demnächst ein Preisanker greifen, der sich an der jeweils patentgeschützten Vergleichstherapie orientiert und damit »die Preisspirale nicht weiter nach oben treibt«. Auch bei Kombinationstherapien, wie sie etwa bei einem Lungenkarzinom zum Einsatz kommen, soll künftig ein neuer Abschlag gelten. Und: Ein Hersteller, der mit seiner Entwicklung schnell ist, soll laut Müller mehr Geld bekommen. Das BMG erhofft sich davon vor allem mehr Wettbewerb im Arzneimittelmarkt.
An der freien Preisgestaltung, die mit dem GKV-Spargesetz von derzeit zwölf auf sechs Monate verkürzt werden soll, will das BMG aber grundsätzlich festgalten. »Das ist ein hoher Wert für die Industrie« und ein Vorteil für Deutschland, so Müller. »Ich bin gegen eine Preisdeckelung«, stellte er klar. Allerdings bedeutet natürlich auch die Verkürzung auf sechs Monate schon eine Einsparung.