Momelotinib bessert die Anämie |
Brigitte M. Gensthaler |
23.02.2024 07:00 Uhr |
Müdigkeit und Fatigue können Anzeichen einer Krebserkrankung des Knochenmarks sein. Dazu zählt die Myelofibrose. / Foto: Getty Images/Katarzyna Bialasiewicz
Myelofibrose (MF) ist ein seltener Blutkrebs, bei dem die normale Produktion von Blutzellen im Knochenmark aufgrund einer gestörten Signalübertragung durch JAK-Proteine nicht funktioniert. Neben der primären MF gibt es zwei sekundäre Formen infolge von Polycythaemia vera oder essenzieller Thrombozythämie. Typische Merkmale sind eine vergrößerte Milz (Splenomegalie), Thrombozytopenie und Anämie sowie Allgemeinsymptome wie Fatigue, Nachtschweiß und Knochenschmerzen.
Die MF betrifft vor allem Menschen ab 65 Jahren. Die Prognose ist individuell sehr unterschiedlich. »Eine Anämie hat hohen prognostischen Stellenwert und reduziert die Lebenserwartung und Lebensqualität deutlich«, berichtete Dr. Jan H. Schefe, Medizinischer Leiter Onkologie bei GSK Deutschland, bei der Launch-Pressekonferenz von Momelotinib (Omjjara® Filmtabletten). Viele Patienten benötigten Bluttransfusionen. Die Anämie habe viele Ursachen, darunter die Fibrose des Knochenmarks mit ineffektiver Hämatopoese, die Entzündung mit gestörter Differenzierung von Erythrozyten und erhöhte Hepcidin-Spiegel infolge Überaktivierung des Activin-A-Rezeptors Typ 1 (ACVR1), was den Eisenstoffwechsel stört.
Einzige kurative Therapie ist die allogene Stammzelltransplantation. Wenn diese nicht indiziert oder möglich ist, kommen Januskinase-(JAK-)Inhibitoren infrage. Seit Ende Januar 2024 ist Omjjara zugelassen für die Behandlung von krankheitsbedingter Splenomegalie oder Symptomen bei Erwachsenen mit primärer oder sekundärer Myelofibrose und moderater bis schwerer Anämie, die nicht mit einem JAK-Inhibitor oder mit Ruxolitinib vorbehandelt sind.
Momelotinib ist wie Ruxolitinib und Fedratinib ein JAK-Hemmer. Fedratinib hemmt selektiv die JAK2 sowie zusätzlich die FMS-ähnliche Tyrosinkinase 3 (FLT3). Momelotinib blockiert wie Ruxolitinib die JAK1 und -2 und zusätzlich ACVR1-Rezeptoren. Dies reguliert die hepatische Hepcidin-Expression herunter, was die Eisenverfügbarkeit und Produktion roter Blutzellen erhöht und eine Anämie bessern kann.
Den Nutzen haben zwei zulassungsrelevante Phase-III-Studien gezeigt: SIMPLFY-1 bei 432 JAK-Inhibitor-naiven und MOMENTUM bei 195 JAK-Inhibitor-vorbehandelten Patienten.
In der SIMPLIFY-1-Studie bekamen die Patienten entweder einmal täglich 200 mg Momelotinib oder zweimal täglich 5 bis 20 mg Ruxolitinib, jeweils plus Placebo. Nach Woche 24 konnten die Patienten der zweiten Gruppe in den Momelotinib-Arm switchen. Professor Dr. Steffen Koschmieder, Leitender Oberarzt Translationale Hämatologie und Onkologie an der Uniklinik RWTH Aachen, stellte die Post-hoc-Analyse von 181 anämischen Patienten (Hb durchschnittlich 8,8 g/dl) vor. Fast die Hälfte (47 Prozent) war mit dem neuen JAK-Inhibitor in Woche 24 unabhängig von Bluttransfusionen; zu Beginn waren es 29 Prozent. Unter Ruxolitinib sank dagegen die Rate der Patienten, die keine Transfusion brauchten, von 44 auf 27 Prozent. »Die Hämoglobin-Werte stiegen unter Momelotinib und blieben über 96 Wochen erhöht«, berichtete der Onkologe.
In der MOMENTUM-Studie war die Erkrankung bei den Patienten weiter fortgeschritten; alle waren anämisch (medianer Hb-Wert 8,0 g/dl) und hatten eine Splenomegalie. Sie erhielten täglich Momelotinib 200 mg oder Danazol zweimal 300 mg, jeweils plus Placebo. Auch hier war nach 24 Wochen ein Switch zu Momelotinib erlaubt. Das neue Medikament habe alle zentralen Endpunkte der Studie erreicht, so Koschmieder. Die Rate an Patienten ohne Transfusionsabhängigkeit stieg von 13 auf 30 Prozent, unter Danazol von 15 auf 20 Prozent. »Der Hämoglobin-Wert stieg unter Momelotinib deutlich stärker an als unter Danazol. Nach dem Switch gab es einen zusätzlichen Anstieg.«
Die häufigsten Nebenwirkungen waren Diarrhö, Thrombozytopenie, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Fatigue, Asthenie, Abdominalschmerzen und Husten. Eine Thrombozytopenie war die häufigste schwere Nebenwirkung (Grad 3 und 4) und führte am häufigsten zum Absetzen, zur Unterbrechung der Behandlung oder zu einer Dosisreduktion.
Bei einem Wechsel von Ruxolitinib auf Momelotinib, zum Beispiel wegen fortschreitender Anämie, sei kein Ausschleichen nötig, berichtete der Onkologe, da beide Wirkstoffe JAK-1 und -2 hemmen. Entwickeln Patienten unter Fedratinib eine Anämie, könne man ebenfalls auf Momelotinib umstellen, ohne eine Behandlungsphase mit Ruxolitinib zwischenzuschalten. »Aus klinischer Sicht sind wir froh um neue Therapieoptionen, auch wenn sie off Label sind.«