Mögliche Ursachen für ständige Müdigkeit |
Annette Rößler |
15.09.2023 09:00 Uhr |
Dass man einmal müde ist, kommt häufig vor. Nur selten wird Müdigkeit als so stark oder einschränkend empfunden, dass sie Betroffene zum Arzt führt. / Foto: Getty Images/AndreyPopov
Medizinische Leitlinien beschäftigen sich meistens mit einer bestimmten Erkrankung und beschreiben deren Diagnose und Therapie. In ihrer S3-Leitlinie »Müdigkeit« dreht die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) den Spieß um und geht statt von einer Krankheit von einem Symptom aus – und zwar von einem sehr häufigen. Denn wer ist nicht wenigstens ab und zu müde oder erschöpft?
Gerade erst hat eine Studie des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Beratungsunternehmens Auctority ergeben, dass sich eine Mehrheit der deutschen Bevölkerung derzeit als erschöpft bezeichnet. In der Altersgruppe zwischen 30 und 40 Jahren sind der Studie zufolge sogar fast drei Viertel der Menschen erschöpft (73 Prozent), wofür vor allem hohe Anforderungen im Beruf, aber auch die Doppelbelastung durch Arbeit und Familie verantwortlich gemacht werden. Bei älteren Menschen werden hauptsächlich gesundheitliche Gründe als Ursache für Erschöpfung angegeben; darüber hinaus tragen laut der Studie unter anderem die allgemeine wirtschaftliche beziehungsweise politische Lage sowie die Informationsflut und die Medien zur Erschöpfung bei.
Müdigkeit, für die der Betroffene äußere Gründe ausmachen kann, ist in der DEGAM-Leitlinie aber natürlich nicht gemeint, sondern »primär ungeklärte und unverhältnismäßige Müdigkeit«, deren Ursache »nicht direkt evident ist«. Sie kann verschiedene Qualitäten haben, nämlich emotionale, kognitive, das Verhalten oder den Körper betreffende. Abhängig davon werden zur Beschreibung häufig auch unterschiedliche Formulierungen benutzt wie Unlust/Motivationsmangel, verminderte geistige Leistungsfähigkeit, Leistungsknick oder muskuläre Schwäche/Schlappheit.
Ein möglicher Auslöser chronischer Müdigkeit, der nach der überstandenen SARS-CoV-2-Pandemie derzeit auch medial recht präsent ist, ist Long Covid beziehungsweise das Post-Covid-Syndrom. Als dessen stärkste Ausprägung gilt die Erkrankung myalgische Enzephalomyelitis/chronisches Erschöpfungssyndrom (ME/CFS), deren Leitsymptom eine Verschlechterung der Symptomatik nach geringfügiger körperlicher und/oder geistiger Anstrengung ist (postexertionelle Malaise, PEM).
Bezüglich Long Covid verweist die DEGAM aufgrund der »ausgesprochen dynamischen Erkenntnislage« auf die entsprechende interdisziplinäre Leitlinie, die regelmäßig aktualisiert wird. Dort ist in der derzeitigen Fassung (Stand: 17. August 2022) zu lesen, dass die Diagnose Long/Post-Covid-Syndrom anhand von drei Kategorien möglich ist, nämlich bei Symptomen, die nach der Akutphase von Covid-19 fortbestehen, bei Symptomen, die nach der Akutphase neu auftreten, »aber als Folge der SARS-CoV-2-Infektion verstanden werden können«, sowie bei einer Verschlechterung einer vorbestehenden Erkrankung infolge einer SARS-CoV-2-Infektion.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.