Mögliche Gründe für männliche Unfruchtbarkeit |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 23.10.2023 14:25 Uhr |
Bei der Samenanalyse werden unter anderem die Konzentration der Spermien im Ejakulat ermittelt sowie deren Motilität und Morphologie beurteilt. / Foto: Adobe Stock/Arif Biswas
Um eine Infertilität beim Mann abzuklären, sind neben einer Ganzkörperuntersuchung und einer detaillierten Untersuchung der Geschlechtsorgane auch ein Hormoncheck und eine Samenanalyse nötig. Grundpfeiler der Diagnostik ist die Samenanalyse, bei der das Samenvolumen, die Konzentration der Spermien, deren Motilität und Morphologie ermittelt werden.
Den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gilt ein Mann als fruchtbar, wenn in einem Milliliter Ejakulat mindestens 16 Millionen Spermien enthalten sind. Zudem sollten 54 Prozent der Spermien vital sein, das Ejakulatvolumen mindestens 1,4 Milliliter betragen, der pH-Wert über 7,2 liegen und die Spermiengesamtzahl im Ejakulat mindestens 39 Millionen betragen.
Zu beachten ist, dass der Test nicht bewertet, wie effektiv die Spermien darin sind, eine Eizelle zu befruchten und zu aktivieren. Die Ergebnisse der Samenanalyse können daher nur bedingt zur Vorhersage der Fruchtbarkeit eines Mannes herangezogen werden, es sei denn, es werden gar keine Spermien im Ejakulat nachgewiesen. Denn auch eine niedrige Spermienzahl schließt keine Schwangerschaft aus und anders herum können Spermien, die in hoher Zahl vorhanden und mobil sind, einen nicht sichtbaren funktionellen Defekt haben.
Die Autoren kritisieren, dass die therapeutischen Möglichkeiten für Männer mit unerfülltem Kinderwunsch gegenüber denen für Frauen um etwa 15 Jahre hinterherhinkten. Jedem vierten Mann mit Fertilitätsproblemen werde gar keine Therapie angeboten, obwohl es einige wirksame Ansätze gebe. Hier seien als erstes Lebensstilveränderungen zu nennen. Eine Ernährungsumstellung, Sport und Gewichtsreduktion könnten die Spermienqualität deutlich verbessern. Männer sollten sich obst- und gemüsereich ernähren, gesundes Protein bevorzugen und auf Zucker und verarbeitetes Fleisch möglichst verzichten.
Des Weiteren sollten die Exposition gegenüber Umweltgiften, Alkohol, Tabakrauch und anderen Drogen sowie eine Überwärmung der Hoden möglichst eingeschränkt werden. Die Einnahme von spermatotoxischen Arzneimitteln sollte – falls möglich – beendet werden.
Als mögliche spezifische Therapien nennen die Autoren die Gabe von FSH oder LH bei nachgewiesener Hormonstörung und eine Antibiotikatherapie bei Infektionen. Für erektile Dysfunktion stehen etwa Phosphodiesterase-5-Hemmer zur Verfügung, bei retrograder Ejakulation (Ejakulation in die Harnblase) kann Pseudoephedrin versucht werden. Auch chirurgische Eingriffe können infrage kommen, etwa die Behebung von anatomischen Anomalien oder die Entfernung der Hodenkrampfadern. Letztere sind die häufigste behebbare Ursache von männlicher Unfruchtbarkeit.
Wenn diese Maßnahmen nicht helfen, kann eine künstliche Befruchtung versucht werden. Bei stark eingeschränkter Spermienqualität wird die intrazytoplasmatische Spermieninjektion eingesetzt, weil eine normale In-vitro-Fertilisation nicht Erfolg versprechend ist. Zum Teil können Spermien hierfür auch direkt aus dem Hoden entnommen werden.
Die Autoren gehen davon aus, dass neue Technologien und verstärkte Forschung die Diagnostik und Therapie der männlichen Infertilität verbessern werden. Noch würden unfruchtbare Paare hauptsächlich mittels künstlicher Befruchtung behandelt, was eine starke Belastung der Frau darstelle.
Darauf hatte kürzlich auch eine Expertengruppe in einem Konsensus-Statement hingewiesen. Zu den Ursachen der männlichen Unfruchtbarkeit sei nach wie vor wenig bekannt; sie müssten verstärkt erforscht werden, forderten 26 führende Fachleute aus zehn Ländern im Fachjournal »Nature Reviews Urology«. Die Wissenslücken führten dazu, dass bei Paaren, die sich für eine assistierte Reproduktion entschieden, meist die Frau die Hauptlast trage. Die Expertinnen und Experten stellen einen Aktionsplan vor, um Regierungen, Fachleute sowie die breite Öffentlichkeit dazu zu bewegen, die verminderte Fruchtbarkeit von Männern als ein weit verbreitetes, ernsthaftes medizinisches und soziales Problem anzuerkennen sowie Maßnahmen zu seiner Bekämpfung auf globaler Ebene umzusetzen.