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Ungewollt kinderlos

Mögliche Gründe für männliche Unfruchtbarkeit

Wenn Männer keine Kinder zeugen können, gibt es eine ganze Reihe von möglichen Ursachen. Spezielle Therapien gibt es nur wenige, aber eines kann in vielen Fällen helfen: den Lebensstil umzustellen.
Christina Hohmann-Jeddi
23.10.2023  14:25 Uhr

Etwa 10 bis 20 Prozent der Paare weltweit sind Schätzungen zufolge unfruchtbar. Das bedeutet, dass 50 Millionen Paare im fortpflanzungsfähigen Alter nach zwölf Monaten oder längerem zeitlich abgestimmten Geschlechtsverkehr keine Schwangerschaft erreichen. In 30 bis 50 Prozent der Fälle liegen die Ursachen auch beim Mann. Darauf weisen Forschende um Professor Dr. Michael Eisenberg von der US-amerikanischen Stanford University in einem Übersichtsartikel im Fachjournal »Nature Reviews Disease Primers« hin.

Die Suche nach den Gründen für eine ungewollte Kinderlosigkeit beschränke sich allerdings zu häufig auf die Frau, kritisieren die Autoren: Obwohl Unfruchtbarkeit bei Männern häufig ist, werde bei einem von vier ungewollt kinderlosen Paaren der Mann nicht untersucht.

Verschiedene Ursachen der männlichen Unfruchtbarkeit

Die Samenproduktion im Hoden ist komplex und streng hormonell kontrolliert. Das vom Hypothalamus ausgeschüttete Gonadotropin-Releasing-Hormon regt die Hypophyse dazu an, das Luteinisierende Hormon (LH) und das Follikel-stimulierende Hormon (FSH) freizusetzen, die in den Hoden die Bildung von Testosteron beziehungsweise die Spermatogenese anregen.

Dieser Prozess kann an unterschiedlichen Stellen gestört werden. Mögliche Ursachen hierfür sind etwa zurückliegende Erkrankungen in der Kindheit wie Mumps oder Hodenhochstand, Krampfadern am Hoden, Infektionen, Operationen oder Traumata des Gehirns sowie Medikamente, die die Hypothalamus-Hypophysen-Achse schädigen. Außerdem können anatomische Anomalien der Gonaden die Fruchtbarkeit mindern.

Auch genetische Ursachen sind möglich. So liegen Chromosomen-Aberrationen oder Genmutationen bei 15 Prozent der Männer mit Azoospermie (keine Spermien im Ejakulat) und bei etwa 5 Prozent der Männer mit Oligozoospermie (geringe Spermienzahl im Ejakulat) vor. Die häufigste genetische Ursache für verminderte Fruchtbarkeit des Mannes ist das Klinefelter-Syndrom; es tritt etwa bei einem von 600 männlichen Babys auf. Betroffene haben den Geschlechtschromosomensatz XXY, Hypogonadismus und eine verringerte Spermienproduktion.

Gesunder Lebensstil unterstützt die Fruchtbarkeit

Lebensstilfaktoren, vor allem Ernährung, Bewegung und Rauchen, haben ebenfalls einen großen Einfluss. So können eine westliche ungesunde Ernährungsweise und deren Folge, eine Adipositas, die Spermatogenese stören. Vor allem schädlich sind große Zuckermengen, etwa aus Süßgetränken, verarbeitetes Fleisch, Sojaprodukte und vollfette Milchprodukte. Rauchen kann die Mutationsraten erhöhen und die Samenqualität mindern. Während ein mäßiger Alkoholgenuss nach bisherigem Kenntnisstand die männliche Fertilität nicht beeinträchtigt, kann sich ein übermäßiger Alkoholkonsum negativ auswirken. Die Daten zu Marihuana sind dem Review zufolge inkonsistent.

Aber auch Exposition des Hodens gegenüber bestimmten Noxen wie Pestizide, Phthalate, Bisphenol A, Lösungsmittel sowie ionisierende Strahlung und gegenüber Hitze etwa in der Sauna kann die Samenproduktion stören. Des Weiteren hat die Medikation einen Einfluss auf die Fertilität: Extern zugeführtes Testosteron und anabole Steroide stören die Hypothalamus-Hypophysen-Achse, verschiedene Krebsmedikamente schädigen die sich schnell teilenden Keimzellen. Aber auch die chronische Anwendung von Opioiden, Sulfasalazin und Sirolimus sowie die Einnahme von 5-α-Reduktasehemmern können die Spermatogenese stören.

Oft unterschätzt wird, dass auch das Alter für die männliche Fruchtbarkeit eine Rolle spielt. Männer produzieren zwar während des gesamten Erwachsenenlebens Spermien, doch ihre reproduktive Gesundheit nimmt dennoch ab. Ab dem Alter von 30 bis 40 Jahren sinkt der Testosteronspiegel, was zu einem Hypogonadismus führen kann. Damit verbunden ist eine Abnahme aller Samenparameter.

Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt, etwa niedriges Geburtsgewicht, Frühgeburten und späte Totgeburten, sind bei Partnerinnen älterer Männer häufiger auf als bei denen jüngerer Männer. Dies liegt laut der Publikation an häufigeren Mutationen: So hatten Nachkommen von 40-jährigen Vätern in Studien doppelt so viele Mutationen in kodierenden Regionen von Genen wie Nachkommen von 20-jährigen Vätern.

Anamnese, Bildgebung und Samenanalyse

Um eine Infertilität beim Mann abzuklären, sind neben einer Ganzkörperuntersuchung und einer detaillierten Untersuchung der Geschlechtsorgane auch ein Hormoncheck und eine Samenanalyse nötig. Grundpfeiler der Diagnostik ist die Samenanalyse, bei der das Samenvolumen, die Konzentration der Spermien, deren Motilität und Morphologie ermittelt werden.

Den Richtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge gilt ein Mann als fruchtbar, wenn in einem Milliliter Ejakulat mindestens 16 Millionen Spermien enthalten sind. Zudem sollten 54 Prozent der Spermien vital sein, das Ejakulatvolumen mindestens 1,4 Milliliter betragen, der pH-Wert über 7,2 liegen und die Spermiengesamtzahl im Ejakulat mindestens 39 Millionen betragen.

Zu beachten ist, dass der Test nicht bewertet, wie effektiv die Spermien darin sind, eine Eizelle zu befruchten und zu aktivieren. Die Ergebnisse der Samenanalyse können daher nur bedingt zur Vorhersage der Fruchtbarkeit eines Mannes herangezogen werden, es sei denn, es werden gar keine Spermien im Ejakulat nachgewiesen. Denn auch eine niedrige Spermienzahl schließt keine Schwangerschaft aus und anders herum können Spermien, die in hoher Zahl vorhanden und mobil sind, einen nicht sichtbaren funktionellen Defekt haben.

Therapieansätze für männliche Unfruchtbarkeit

Die Autoren kritisieren, dass die therapeutischen Möglichkeiten für Männer mit unerfülltem Kinderwunsch gegenüber denen für Frauen um etwa 15 Jahre hinterherhinkten. Jedem vierten Mann mit Fertilitätsproblemen werde gar keine Therapie angeboten, obwohl es einige wirksame Ansätze gebe. Hier seien als erstes Lebensstilveränderungen zu nennen. Eine Ernährungsumstellung, Sport und Gewichtsreduktion könnten die Spermienqualität deutlich verbessern. Männer sollten sich obst- und gemüsereich ernähren, gesundes Protein bevorzugen und auf Zucker und verarbeitetes Fleisch möglichst verzichten.

Des Weiteren sollten die Exposition gegenüber Umweltgiften, Alkohol, Tabakrauch und anderen Drogen sowie eine Überwärmung der Hoden möglichst eingeschränkt werden. Die Einnahme von spermatotoxischen Arzneimitteln sollte – falls möglich – beendet werden.

Als mögliche spezifische Therapien nennen die Autoren die Gabe von FSH oder LH bei nachgewiesener Hormonstörung und eine Antibiotikatherapie bei Infektionen. Für erektile Dysfunktion stehen etwa Phosphodiesterase-5-Hemmer zur Verfügung, bei retrograder Ejakulation (Ejakulation in die Harnblase) kann Pseudoephedrin versucht werden. Auch chirurgische Eingriffe können infrage kommen, etwa die Behebung von anatomischen Anomalien oder die Entfernung der Hodenkrampfadern. Letztere sind die häufigste behebbare Ursache von männlicher Unfruchtbarkeit.

Wenn diese Maßnahmen nicht helfen, kann eine künstliche Befruchtung versucht werden. Bei stark eingeschränkter Spermienqualität wird die intrazytoplasmatische Spermieninjektion eingesetzt, weil eine normale In-vitro-Fertilisation nicht Erfolg versprechend ist. Zum Teil können Spermien hierfür auch direkt aus dem Hoden entnommen werden.

Die Autoren gehen davon aus, dass neue Technologien und verstärkte Forschung die Diagnostik und Therapie der männlichen Infertilität verbessern werden. Noch würden unfruchtbare Paare hauptsächlich mittels künstlicher Befruchtung behandelt, was eine starke Belastung der Frau darstelle.

Darauf hatte kürzlich auch eine Expertengruppe in einem Konsensus-Statement hingewiesen. Zu den Ursachen der männlichen Unfruchtbarkeit sei nach wie vor wenig bekannt; sie müssten verstärkt erforscht werden, forderten 26 führende Fachleute aus zehn Ländern im Fachjournal »Nature Reviews Urology«. Die Wissenslücken führten dazu, dass bei Paaren, die sich für eine assistierte Reproduktion entschieden, meist die Frau die Hauptlast trage. Die Expertinnen und Experten stellen einen Aktionsplan vor, um Regierungen, Fachleute sowie die breite Öffentlichkeit dazu zu bewegen, die verminderte Fruchtbarkeit von Männern als ein weit verbreitetes, ernsthaftes medizinisches und soziales Problem anzuerkennen sowie Maßnahmen zu seiner Bekämpfung auf globaler Ebene umzusetzen.

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