Pharmazeutische Zeitung online
Drug Repurposing

Mit zwei Krebsmitteln gegen Alzheimer

Obwohl sich bei der Diagnose und der Therapie der Alzheimer-Erkrankung deutliche Fortschritte ankündigen, kann von einem Durchbruch noch keine Rede sein. Neue, kreative Ansätze deuten jetzt allerdings an, dass die Krankheit innovativ behandelbar ist. Dabei spielen zwei Wirkstoffe eine Rolle, die längst bekannt und zugelassen sind.
Theo Dingermann
22.07.2025  13:00 Uhr

Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist eine komplexe, multifaktorielle neurodegenerative Erkrankung mit heterogenen molekularen Veränderungen in verschiedenen Zelltypen. Bisherige Behandlungsansätze, die sich auf einzelne Krankheitsmerkmale oder Gewebspathologien konzentrierten, waren oft unzureichend, was zu einer hohen Misserfolgsquote in der Medikamentenentwicklung führte.

Jetzt richten neuere Ansätze unter anderem den Blick auf Gliazellen. Dies ist eines der Resultate einer umfangreichen Studie von Forschenden um Yaqiao Li vom Bakar Computational Health Sciences Institute an der University of California, San Francisco. In ihrer Studie, deren Ergebnisse jetzt im Wissenschaftsjournal »Cell« publiziert wurden, verfolgen die Forschenden einen zelltypspezifischen und multizellulären Ansatz zur Wirkstofffindung, der auf menschlichen Daten und realer klinischer Evidenz basiert. Hierzu integrierten die Forschenden Einzelzell-Transkriptom-Daten von Post-mortem-Gehirnen, Screenings von Wirkstoff-Perturbationsdatenbanken aus menschlichen Zelllinien und Analysen von Patientenakten. Ziel war es, gestörte Gennetzwerke in Neuronen und Gliazellen gezielt zu korrigieren.

Auf Basis dieser umfassenden Screenings konnten die Forschenden die Kombination aus dem Aromatasehemmer Letrozol und dem Topoisomerase-Inhibitor Irinotecan, beide bekannt aus der Krebstherapie, als potenzielle Kombinationsbehandlung einer Alzheimer-Erkrankung identifizieren. Wie die Daten zeigen, entfaltet Letrozol eine zelltypspezifische Wirkung in exzitatorischen und inhibitorischen Neuronen und Irinotecan eine Wirkung auf Zellen des gliazentrierten Clusters, einschließlich Astrozyten, Mikroglia und Oligodendrozyten. Beide Wirkstoffe sind bekanntermaßen Blut-Hirn-Schranken-gängig.

Ergebnisse in präklinischen Modellen

Verschiedene vielversprechende Wirkstoffkandidaten wurden in einem Alzheimer-Mausmodell validiert, das sowohl Aβ- als auch Tau-Ablagerungen aufweist und viele Alzheimer-bezogene Phänotypen zeigt. Die Behandlung erfolgte über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten mit Dosierungen von 1 mg/kg für Letrozol und 10 mg/kg für Irinotecan an jedem zweiten Tag, um menschlichen Dosierungen so gut wie möglich zu simulieren und Stress zu minimieren.

In Verhaltens- und neuropathologischen Modellen verbesserte die Kombinationstherapie die Gedächtnisleistung der Mäuse signifikant und reduzierte AD-bezogene Pathologien, verglichen mit einer Placebo-Behandlung oder den jeweiligen Monotherapien.

Auch führte die Kombinationstherapie zu einer signifikanten Reduktion der Amyloid-β-Plaques und der p-Tau-Aggregation im Hippocampus. Zudem reduzierte Irinotecan Neuroinflammationsmarker wie das Ionisierte Calcium-bindende Adaptermolekül 1 (IBA1) in Mikroglia und das saure Gliafaserprotein (GFAP) in Astrozyten, während Letrozol hier keinen Einfluss entfaltete.

Schließlich führte die Kombinationsbehandlung zu einer signifikanten Reduktion des Neuronenverlustes in der sogenannten CA1-Region des Hippocampus. Aus früheren Studien weiß man, dass das Volumen der CA1-Region mit dem Schweregrad der AD korreliert.

Wirkmechanismen auf zellulärer Ebene

Mittels Einzelkern-Transkriptom-Analyse (snRNA-seq) des Hippocampus konnten die Forschenden bestätigen, dass die Kombinationstherapie krankheitsassoziierte Gennetzwerke zelltypspezifisch umkehrte. Zudem reduzierte die Behandlung eine gesteigerte Zell-Zell-Kommunikation über mehrere Zelltypen hinweg, was eine Reduktion hyperaktiver und dysregulierter neuronal-glialer Interaktionen andeutet. Beispielsweise nahm die erhöhte Kommunikation von hemmenden Neuronen zu Astrozyten ab. Dies könnte die Wiederherstellung der kognitiven Funktion unterstützen.

Besonders Letrozol beeinflusste primär die neuronale Integrität und Mechanismen im Zusammenhang mit synaptischer und metabolischer Aktivität. Irinotecan hingegen vermittelte eine stärkere entzündungshemmende Wirkung. Beide Wirkstoffe störten Proteinbindungs- und Prionenkrankheits-Signalwege und beeinflussten Neuroinflammation, synaptische Dysfunktion und Stoffwechselveränderungen positiv.

Real-World-Evidenz aus Patientenakten

Analysen von Daten aus elektronischen Patientenakten ergaben, dass Patienten, die mit Letrozol oder Irinotecan behandelt worden waren, ein geringeres Risiko für eine Alzheimer-Diagnose aufwiesen. Um einen möglichen Bias zu minimieren, wurden unexponierte Kontrollgruppen identifiziert, die hinsichtlich Kovariaten wie Alter, Geschlecht, ethnische Zugehörigkeit, Komorbiditäten und den ursprünglichen Indikationen ausgeglichen waren.

Zusammenfassend unterstreicht diese Studie das Potenzial von zelltypgesteuerten Kombinationsbehandlungen mit bereits zugelassenen Wirkstoffen, um multifaktorielle Erkrankungen wie die Alzheimer-Erkrankung zu therapieren. Die beobachteten Verbesserungen in der kognitiven Leistung und den pathologischen Markern im Mausmodell legen nahe, dass die synergetischen Effekte der beiden Medikamente durch unterschiedliche biologische Prozesse erzielt werden, die sich gegenseitig ergänzen, statt die gleichen Wirkmechanismen zu verstärken.

Bevor die Kombi aus Letrozol und Irinotecan jedoch nun therapeutisch bei Alzheimer-Patienten zum Einsatz kommen kann, müsste ihre Wirksamkeit und Unbedenklichkeit gerade in Bezug auf das Nutzen-Risiko-Verhältnis noch in Studien evaluiert werden.

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa