Mit Romosozumab starten |
Annette Rößler |
13.11.2020 17:30 Uhr |
Bei schwerer Osteoporose werden die Wirbelkörper so fragil, dass es zu spontanen Brüchen kommen kann. / Foto: Adobe Stock/Teeradej
Romosozumab (Evenity®) ist der jüngste Neuzugang im Kreis der Osteoporose-Mittel. Der monoklonale Antikörper ist gegen das Glykoprotein Sklerostin gerichtet und adressiert damit ein neues Target. Da Sklerostin sowohl an der Regulation der knochenaufbauenden Osteoblasten als auch an der der knochenabbauenden Osteoklasten beteiligt ist, wirkt Romosozumab gleichzeitig osteoanabol und antiresorptiv.
Romosozumab darf nur bei postmenopausalen Frauen mit manifester Osteoporose und deutlich erhöhtem Frakturrisiko angewendet werden und auch nur ein Jahr lang. Als Begründung für die Begrenzung der Anwendungsdauer führen die Hersteller Amgen und UCB eine nachlassende Wirkung an. Eine Rolle spielt aber sicher auch der Anstieg des Herz-Kreislauf-Risikos, der unter Romosozumab zu beobachten ist, und der aus Sicht der Aufsichtsbehörden zunächst gegen eine Zulassung des Antikörpers gesprochen hatte: Sowohl in den USA als auch in Europa brauchte Romosozumab zwei Anläufe für die Zulassung.
Frauen, die so schwer von Osteoporose betroffen sind, dass sie für eine Romosozumab-Therapie infrage kommen, sind selten unvorbehandelt. Viele erhalten bereits eine antiresorptive Therapie mit einem Bisphosphonat oder einem Anti-RANK-Antikörper. Dies könnte jedoch ein Nachteil sein, wenn sie auf Romosozumab umgestellt werden sollten.
Denn Erfahrungen mit dem osteoanabol wirkenden Parathormon-Analogon Teriparatid (Fosteo®) haben gezeigt, dass es auf die Reihenfolge ankommt, in der dieses mit einer antiresorptiven Therapie sequenziert wird. Gibt man Teriparatid zuerst, ist der Zuwachs an Knochenmasse größer als wenn zunächst ein antiresorptiver Wirkstoff und dann Teriparatid eingesetzt werden. Das berichtete eine Gruppe um Professor Dr. Felicia Cosman von der Columbia University in New York am 9. November beim Jahrestreffen des American College of Rheumatology.
Um abzuschätzen, ob diese Einschränkung auch für Romosozumab gilt, das zwar wie Teriparatid osteoanabol wirkt, aber anders als dieses eben auch eine antiresorptive Wirkkomponente hat, sahen sich die Forscher vier Studien mit Romosozumab erneut an: ARCH (»New England Journal of Medicine« 2017, DOI: 10.1056/NEJMoa1708322), FRAME (»New England Journal of Medicine« 2016, DOI: 10.1056/NEJMoa1607948), STRUCTURE (»The Lancet« 2017, DOI: 10.1016/S0140-6736(17)31613-6) und eine namenlose Phase-II-Studie, die 2019 im Fachjournal »Osteoporosis International« erschienen war (DOI: 10.1007/s00198-019-05146-9). Sie interessierten sich dabei ausschließlich dafür, wie sich die Knochendichte (Bone Mineral Density, BMD) der Teilnehmerinnen entwickelt hatte, nachdem diese entweder Romosozumab oder eine antiresorptive Therapie zuerst erhalten hatten.
Die Analyse bestätigte, dass Romosozumab die BMD sowohl des Hüftknochens als auch der Lendenwirbelsäule substanziell erhöhte und dass der anschließende Switch auf ein Antiresorptivum diesen Zuwachs noch vergößerte. Auch bei Patientinnen, die zuvor mit dem Bisphosphonat Alendronat oder dem Anti-RANK-Antikörper Denosumab (Prolia®) behandelt worden waren, nahm die BMD unter Romosozumab zu, allerdings deutlich weniger als bei denjenigen, die mit dem Anti-Sklerostin-Antikörper gestartet hatten. »Da die BMD ein starkes Surrogat für die Knochenstabilität ist, stützen unsere Ergebnisse das Konzept, Hochrisikopatienten zuerst eine Therapie mit Romosozumab anzubieten und dann auf ein Antiresorptivum zu wechseln«, schließt der Abstract der Forscher.
Gegenüber der Nachrichtenseite »Medscape«, die aktuell über die Ergebnisse berichtet, kommentiert Dr. Marcy Bolster vom Massachusetts General Hospital in Boston: »Diese Studie liefert Evidenz für das Konzept eines ›anabolen Fensters‹, in dem es für die Patienten vorteilhaft ist, vor der Therapie mit einem antiresorptiven Arzneistoff einen osteoanabolen zu erhalten.« Wichtig sei jedoch auch, dass in künftigen Studien gezeigt werde, dass der Zuwachs an BMD auch eine Reduktion des Frakturrisikos bedeute, so die Ärztin, die nicht an der Studie beteiligt war.