Mit Mini-Antikörpern gegen Alzheimer |
Christina Hohmann-Jeddi |
19.08.2024 10:30 Uhr |
Im Gehirn von Alzheimerpatienten lagern sich β-Amyloid-Peptide zu Oligomeren und schließlich zu Fibrillen zusammen die letztlich sichtbare Amyloid-Plaques bilden. / Foto: Getty Images/Sebastian Kaulitzki/Science Photo Library
Ablagerungen von β-Amyloid (Aβ) im Gehirn spielen bei der Alzheimer-Erkrankung eine entscheidende Rolle. In diesen Plaques lagern sich Bündel (Fibrillen) des Aβ-Proteins zusammen. Es gibt zunehmend Hinweise, dass nicht die Plaques oder die Fibrillen, sondern deren lösliche Vorläufer wie Aβ-Monomere, -Oligomere und -Protofibrillen schädlich für die Nervenzellen sind. So sind etwa Studien zufolge Protofibrillen und Oligomere synaptotoxisch, schädigen also die Kontaktpunkte zwischen den Nervenzellen, was zu einer erhöhten Aktivität der Nervenzellen führt.
Diese neuronale Hyperaktivität ist eine frühe Form der Dysfunktion von Neuronen bei der Alzheimer-Erkrankung. Darauf weisen Forschende um Professor Dr. Arne Skerra und Hauptautor Dr. Benedikt Zott von der Technischen Universität München (TUM) in einer Publikation im Fachjournal »Nature« hin.
Das Team um Skerra arbeitet an einer neuartigen Methode, um die Aβ-Monomere abzufangen und so deren Zusammenlagerung und frühe Schäden an den Nervenzellen zu vermeiden. Hierfür entwickelte es sogenannte Anticaline. Diese synthetisch erzeugten Proteine besitzen ähnliche Eigenschaften wie Antikörper, können also Antigene spezifisch binden. Ihre Molekülmasse ist aber deutlich geringer als die von Antikörpern und sie können somit besser in Gewebe eindringen. Zudem sind sie weniger immunogen und können hochspezifisch niedermolekulare Strukturen binden.
Die Forschenden entwickelten das Anticalin H1GA, das gezielt Aβ-Moleküle bindet, und testeten dieses an Mausmodellen für Amyloid-Pathologie. Das Team produzierte H1GA in gentechnisch veränderten Bakterien der Art Escherichia coli und injizierte den Wirkstoff direkt in den Hippocampus (Teil des limbischen Systems im Gehirn) der Versuchstiere. Die Behandlung reduzierte die Aktivität der vorher hyperaktiven Gehirnzellen auf das Maß von gesunden Nervenzellen. Zudem scheint sie neuronale Fehlfunktionen reparieren zu können. »Unsere Ergebnisse deuten also darauf hin, dass der Abbau von Aβ-Monomeren eine Schlüsselrolle bei der Wiederherstellung der neuronalen Funktion in frühen Stadien der Alzheimer-Krankheit spielt«, heißt es in der Publikation.
In einer Mitteilung der TUM betont Zott: »Noch sind wir von einer bei Menschen anwendbaren Therapie ein großes Stück entfernt, aber die Ergebnisse im Tierversuch sind sehr ermutigend. Besonders bemerkenswert ist der Effekt, dass die neuronale Hyperaktivität in frühen Krankheitsstadien vollständig unterdrückt werden konnte.« Das Team arbeitet derzeit an einer effektiveren Darreichungsform des Wirkstoffs.