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Viele Krebspatienten interessieren sich für Nahrungsergänzungsmittel. Eine gute Beratung soll auch verhindern, dass die Patienten sich selbst schaden. / © Getty Images/SDI Productions
Viele Patienten mit einer Krebsdiagnose fallen zunächst in ein tiefes Loch; das Gefühl von Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein bestimmt den Alltag. Daher ist es verständlich, dass sie den Wunsch haben, selbst aktiv etwas für sich zu tun und in der Apotheke um Rat fragen. Hinzu kommt womöglich die Angst vor einer anstehenden Chemotherapie oder Bestrahlung mit ihren bekannten Nebenwirkungen und der Wunsch, diese – möglichst ohne weitere Nebenwirkungen – zu lindern, oder die Angst vor Rezidiven.
Häufig wollen Betroffene während einer Chemotherapie die gesunden Zellen schützen, zum Beispiel durch Antioxidanzien wie Vitamin A, C und E. Diese können jedoch auch die erwünschten Effekte einer antitumoralen Therapie abschwächen. So spielen reaktive Sauerstoffspezies (ROS) für deren Wirkung eine zentrale Rolle. Vermindert man sie, kann auch die Wirkung der Chemotherapie herabgesetzt werden. Eine Doppelrolle kommt dabei dem Transkriptionsfaktor Nrf-2 zu. In gesunden Zellen hält er das Redox-Gleichgewicht aufrecht, in Tumorzellen ist er jedoch ständig aktiviert und kann zu deren Resistenz gegenüber Chemo- und Strahlentherapien beitragen.
Die Leitlinie Komplementärmedizin in der Behandlung onkologischer Patienten rät daher, dass Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente nur gegeben werden sollen, wenn ein Mangel nachgewiesen wurde. Es gibt aber auch Ausnahmen, zum Beispiel die Therapie mit Pemetrexed. Hier erhalten Patienten zur Reduktion der Toxizität eine Prämedikation aus Folsäure und Vitamin B12.
Grundsätzlich empfehlen die Fachgesellschaften, den Nährstoffbedarf über die Ernährung zu decken. Appetitmangel, Übelkeit oder Schädigungen der Mundschleimhaut können dies teils erheblich erschweren. Hier sind Trinknahrungen (»Astronautenkost«) eine sinnvolle Ergänzung.
Für viele Patienten ist das Kapitel Krebserkrankung nach der Chemotherapie/Bestrahlung nicht abgeschlossen. In manchen Fällen schließt sich eine Weiterbehandlung über Jahre an, etwa eine antihormonelle Therapie bei hormonrezeptorpositivem Brustkrebs mit einem Aromatasehemmer wie Letrozol oder Exemestan. Diese kann das Risiko für Osteopenie oder Osteoporose erhöhen, weswegen zusätzlich ein Bisphosphonat oder Denosumab plus Calcium und Vitamin D gegeben wird. Häufig kommt es durch den Hormonentzug auch zu Wechseljahresbeschwerden. Phytoestrogene sollten zu deren Linderung bei Patientinnen mit hormonsensiblem Tumor nicht zum Einsatz kommen, da eine Beeinflussung des Tumorgeschehens nicht ausgeschlossen werden kann.
Nicht nur zur Linderung der ebenfalls häufig auftretenden Gelenkbeschwerden ist häufig Selen im Gespräch. Dieses kann sowohl organisch gebunden, zum Beispiel als Selenhefe, oder anorganisch in Form von Natriumselenit verfügbar sein. Studien zeigen, dass Tumorpatienten von einer bedarfsdeckenden Versorgung profitieren. Sie zeigen aber auch, dass zu hohe Spiegel eher schaden als nutzen. Eine Substitution sollte laut Leitlinie daher nur erfolgen, wenn ein Mangel nachgewiesen ist. In diesem Fall sollte Natriumselenit der Vorzug gegeben werden, da es hier aufgrund der geringeren Speicherung im Körper nicht so schnell zu einer Überdosierung kommen kann.
Neben der Krebserkrankung und ihrer Behandlung sollte in der Beratung stets auch immer nach allen verwendeten Produkten und Präparaten gefragt werden, um neben möglichen Wechselwirkungen auch eventuelle Mehrfachquellen identifizieren zu können. Außerdem können evidenzbasiert nicht-medikamentöse Methoden empfohlen werden, etwa Bewegung zur Linderung einer tumorassoziierten Fatigue.