Ministerpräsident Kretschmer fordert Ende der Impf-Priorisierung |
Michael Kretschmer ist seit 2017 Ministerpräsident von Sachsen. Der CDU-Politiker und gebürtige Sachse sieht die Zukunft der Covid-19-Impfungen vor allem in den Händen der Ärzte. / Foto: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Sebastian Kahnert
Seit einigen Wochen impfen niedergelassene Ärzte gegen Covid-19. Die Impfstoffbestellung und damit die Termingestaltung hat sich allerdings als kompliziert erwiesen. Auch aus diesen Gründen hatten sich zuletzt vermehrt Stimmen vor allem aus dem Ärztelager gemeldet, die eine baldige Abkehr der Impf-Priorisierungen fordern. Nun hat sich auch Michael Kretschmer (CDU), Ministerpräsident von Sachsen, klar dazu geäußert. In einer Live-Debatte im Rahmen des Sächsischen Apothekertags debattierte Kretschmer mit dem Präsidenten der Sächsischen Apothekerkammer Friedemann Schmidt und dem Chef des Deutschen und des Sächsischen Apothekerverbands Thomas Dittrich über die Zukunft der Gesundheitsversorgung in Sachsen und in Deutschland.
Sachsen hatte bereits Ende vergangener Woche angekündigt, ab dieser Woche allen Personen der dritten Priorisierungsgruppe ein Impfangebot machen zu wollen. In vielen Bundesländern werden bereits Über-60-Jährige mit Astra-Zeneca geimpft. Dass allerdings alle gelisteten Personen- und Berufsgruppen der dritten und damit letzten Priorisierungsstufe ein Impfangebot erhalten sollen, ist neu. Das bürokratische Prozedere der Priorisierung und des Impfmanagements nannte Kretschmer am Montag »typisch deutsch«. Allerdings stecke hinter der Impfreihenfolge auch eine »sehr kluge, ethische Abwägung«. Das mache es kompliziert, insbesondere, weil der Impfstoff derzeit Mangelware sei. »Jetzt kommen wir da hoffentlich raus«, so Kretschmer. Die Diskussionen, die derzeit in der öffentlichen Verwaltung ablaufen, wer wichtiger sei und als Erstes geimpft werden soll, müssten beispielsweise schnell beendet werden.
Er sei dafür die Priorisierung aufzuheben, sagte Kretschmer deutlich. Denn in etwa spätestens 10 Tagen gäbe es sehr viel Impfstoffe in den Arztpraxen, so der Ministerpräsident. Die niedergelassenen Ärzte müssten hier viel stärker in die Verantwortung gehen. »Je eher das passiert und je leichter das für die Ärzte auch ist, desto eher kommen wir auch auf hohe Zahlen. Ich wäre sehr dafür, wenn wir das möglichst schnell beenden würden«, fordert er in Richtung Berlin. Die Abschaffung der Impf-Priorisierung kann durch eine entsprechende Änderung der Coronavirus-Impfverordnung erfolgen, für die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zuständig ist.
Auch in Bezug auf die Rx-Arzneimittelpolitik fand Kretschmer deutliche Worte. »Ich gehe öfter zur Apotheke als zu Ärzten«, sagte er schmunzelnd und betonte, dass es sehr wichtig sei, dass Arzneimittel nicht nur per Post zugeschickt werden, sondern es auch jemanden gebe, »der immer da ist«. In Richtung Arzneimittelversandhandel sagte er, dass er sich bezüglich des Online-Handels keine weiteren Öffnungen wünsche, sondern eher noch die eine oder andere Sache zurückgedreht werden könnte.
Die Pandemie habe zudem gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen den Heilberuflern und der Politik sehr wichtig ist, darin waren sich die drei Diskussionsteilnehmer einig. Insgesamt sei diese bisher gut verlaufen, erklären Dittrich und Schmidt. Allerdings warnen die beiden Vertreter der Apothekerschaft, dass es nicht nur bei Dankbarkeit und warmen Worten bleiben dürfe. Denn die Apotheker hätten bewiesen, dass sie durch Kreativität kurzfristig viele neue Aufgabengebiete wie Desinfektionsmittel-Herstellung, Masken-Abgabe und die Durchführung von Coronavirus-Schnelltests übernommen und damit anstehende Probleme gemeistert haben.
Auch dadurch ist Deutschland bislang gut durch die Coronavirus-Pandemie gekommen, so der Konsens. Schmidt ging sogar einen Schritt weiter und sagte: »Wir lösen gemeinsam mit den anderen Beteiligten des Gesundheitswesens das Versprechen der Politik ein, dass es keine Triage in Deutschland geben soll. Und damit sind wir auch in der dritten Welle erfolgreich.«
Zudem wandten Dittrich und Schmidt ihre Forderungen an Kretschmer, dass es künftig klarere Strukturen bezüglich Vergütungsthematiken geben soll. Beispielsweise bei der Coronavirus-Test-Vergütung sagte Kretschmer, dass er die diesbezügliche Unzufriedenheit der Apotheker verstehen könne. Ärztliches Personal erhält für die Durchführung der Tests, die im Rahmen der Coronavirus-Testverordnung vergütet werden, je Test 15 Euro, während Apotheker für die gleiche Dienstleistung 12 Euro erhalten. »Das war der einzige Punkt in meinem Leben, wo ich gedacht habe, ich wäre auch gerne mal bayerischer Ministerpräsident. Da hätte ich Ihnen die paar Euro obendrauf gegeben. Für uns ist das aber eine große Summe, die wir für andere Dinge einsetzen müssen.« Damit spielte Kretschmer darauf an, dass Bayern nach der Festlegung der Vergütung angekündigt hatte, die drei Euro Differenz aus dem Landeshaushalt zu begleichen. Diese Ungerechtigkeit bedauere Kretschmer sehr. Eine gerechte Lösung in Berlin diesbezüglich sei bislang aber noch nicht gefunden, so der CDU-Politiker.
Dittrich und Schmidt forderten aber nicht nur Veränderungen bei Vergütungen. Sie pochten auch auf eine Verbreiterung des Leistungsspektrums und die Zukunftssicherung der pharmazeutischen Ausbildung. Damit könne die flächendeckende Arzneimittelversorgung durch die Apotheken auch im ländlichen Raum gesichert werden. Dittrich betonte dabei, dass es wichtig ist, auch in Sachsen die pharmazeutische Ausbildung verstärkt anzusiedeln. Dank eines »Klebe-Effekts« würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass die frisch ausgebildeten Apotheker oder PTA auch im Freistaat bleiben würden.
Die Gesprächsrunde können Sie hier nochmals ansehen: