Milch auch bei Laktoseintoleranz zu empfehlen |
Annette Rößler |
24.01.2024 15:30 Uhr |
Als Kinder können alle Menschen Laktose verdauen. Diese Fähigkeit geht bei einigen Menschen im Laufe der Zeit verloren, sodass sie schließlich laktoseintolerant sind. / Foto: Adobe Stock/Cheangchai
Als Babys sind alle Menschen gleich – zumindest was ihr Vermögen angeht, Laktose abzubauen. Das Enzym Laktase, das im Dünndarm den Milchzucker in seine beiden Bestandteile Galaktose und Glucose spaltet, ist bei Neugeborenen vorhanden, verschwindet aber bei einigen Menschen im Verlauf der Jugend, sodass diese Personen als Erwachsene laktoseintolerant sind. Interessanterweise ist dies eigentlich die natürliche Entwicklung und die Laktase-Persistenz (LP), also die auch im Erwachsenenalter noch vorhandene Fähigkeit, Laktose zu verdauen, basiert auf bestimmten Mutationen. Diese liegen in der kaukasischen Bevölkerung relativ häufig vor, sind dagegen etwa bei Ostasiaten sehr selten.
Durch das Fehlen der Laktase bauen Personen mit Laktase-Non-Persistenz (LNP) den Milchzucker im Dünndarm nicht ab. Dieser gelangt also in tiefere Darmabschnitte, wo er von Bakterien verdaut wird. Dabei entsteht gasförmiger Wasserstoff, was bei Betroffenen zu Symptomen wie Bauchschmerzen, Meteorismus und Flatulenz führen kann.
Dass es für Personen mit LNP dennoch sinnvoll sein kann, gewisse Mengen Milch zu sich zu nehmen, berichtet jetzt ein Team um Dr. Kai Luo vom Albert Einstein College of Medicine in New York im Fachjournal »Nature Metabolism«. Die Forschenden stellen nämlich einen Zusammenhang her zwischen dem Milchkonsum und dem Risiko für Typ-2-Diabetes. Letzteres war bei Menschen mit LNP bei einem höheren Milchkonsum um etwa 30 Prozent verringert. Das galt jedoch nicht für Personen mit LP, die also Laktose verdauen können. Gewonnen wurden diese Erkenntnisse anhand der Auswertung der Daten von 12.653 Teilnehmenden der Hispanic Community Health Study/Study of Latinos (HCHS/SOL), validiert wurden sie mit Daten aus der UK Biobank.
Zum Mechanismus, der diesen Zusammenhang erklären könnte, haben die Forschenden folgende Vermutung: Die unverdaute Laktose fördere bei Personen mit LNP das Wachstum von bestimmten Bakterien im Darm, deren Stoffwechselprodukte mit Blick auf das Typ-2-Diabetes-Risiko Vorteile bieten. So hätten sich bei Personen mit LNP, nicht jedoch bei jenen mit LP, unter einem höheren Milchkonsum Bifidobakterien im Darm angereichert, während Prevotella-Stämme zurückgegangen seien. Im Blut seien bestimmte Metabolite wie Indol-3-Propionsäure erhöht gewesen, während andere, etwa die Abbauprodukte von verzweigtkettigen Aminosäuren, reduziert waren.
Unabhängige Experten halten diese Schlussfolgerung für plausibel. »Diese Studie zeigt jetzt Hinweise dafür, dass das Mikrobiom die Diabetesanfälligkeit tatsächlich kausal beeinflussen könnte«, sagt etwa Professor Dr. Robert Wagner, Leiter der Arbeitsgruppe Klinisches Studienzentrum am Deutschen Diabetes-Zentrum (DDZ). Dr. Lonneke Janssen Duijghuijsen, Wissenschaftlerin Ernährung & Gesundheit an der Universität Wageningen in den Niederlanden, weist jedoch darauf hin, dass die gezeigten Assoziationen keinen Beweis für einen ursächlichen Zusammenhang liefern. »Die vorgeschlagenen Zusammenhänge sind indirekt und lassen Raum für andere Einflussfaktoren«, sagt sie.