Migräneprophylaxe zur Infusion |
Brigitte M. Gensthaler |
10.10.2022 10:00 Uhr |
Patienten mit ständigen Migräneattacken leiden sehr. Wenn die etablierten Prophylaktika nicht greifen, kommen CGRP-Antikörper zum Einsatz. Nummer 4 kam gerade in den Handel. / Foto: Adobe Stock/Mobilise248
Eptinezumab (Vyepti® 100 mg Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Lundbeck) ist ein rekombinanter humanisierter Immunglobulin-G1(IgG1)-Antikörper, der an das Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) bindet. Er ist zugelassen zur Migräneprophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat.
Bei einer Migräneattacke steigt der CGRP-Spiegel signifikant an. Hier greifen die Antikörper Erenumab (Aimovig®), Galcanezumab (Emgality®), Fremanezumab (Ajovy®) und eben auch Eptinezumab ein. Während der Erstling Erenumab den CGRP-Rezeptor blockiert, fangen die anderen drei Vertreter das Neuropeptid in der Peripherie ab und verhindern so dessen Rezeptorbindung. Ohne Aktivierung der CGRP-Rezeptoren läuft die nachgeschaltete Signalkaskade, die mit der Entstehung von Migräneanfällen verbunden ist, nicht ab.
Während die anderen drei Antikörper subkutan injiziert werden, wird die empfohlene Dosis von 100 mg Eptinezumab alle zwölf Wochen intravenös über 30 Minuten infundiert (keine Bolusinjektion). Für Senioren oder bei Patienten mit eingeschränkter Nieren- oder Leberfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich.
Einige Patienten profitieren von der dreifachen Dosierung. Ob eine Dosiseskalation notwendig ist, sollte innerhalb von zwölf Wochen nach Behandlungsbeginn geprüft werden. Das Ansprechen auf die Medikation und die Fortsetzung der Behandlung sollten sechs Monate nach Beginn überprüft werden.
Wirksamkeit und Sicherheit von Eptinezumab wurden in den placebokontrollierten PROMISE-1- und -2-Studien mit knapp 2000 Patienten nachgewiesen. Die Teilnehmer von PROMISE-1 litten unter episodischer, die von PROMISE-2 unter chronischer Migräne mit oder ohne Kopfschmerzen durch Medikamentenübergebrauch (Medication Overuse Headache, MOH), in beiden Studien mit oder ohne Aura. Sie erhielten entweder 100 oder 300 mg Eptinezumab, in PROMISE-1 über 48 Wochen (vier Infusionen), in PROMISE-2 über 24 Wochen (zwei Infusionen). Während der Studien durften sie begleitend akute Migräne- oder Kopfschmerzmittel einnehmen.
In den Studien nahm die Zahl der durchschnittlichen monatlichen Migränetage im Vergleich zu Placebo bei beiden Dosierungen ab dem ersten Tag nach der Infusion ab. Allerdings erreichte in der ersten Studie nur die Hälfte der Patienten mit der 100-mg-Dosierung eine Halbierung der monatlichen Migränetage (und 56 Prozent mit der erhöhten Dosis). In der zweiten Studie mit Patienten mit chronischer Migräne lag der Anteil der Responder etwas höher (58 und 61 Prozent).
In der Langzeitstudie PREVAIL erhielten 128 Patienten mit chronischer Migräne 300 mg Eptinezumab alle zwölf Wochen über einen Zeitraum von bis zu 96 Wochen. Über diese Zeit wurden keine neuen Sicherheitssignale und eine anhaltende Wirkung in Bezug auf patientenbezogene Endpunkte beobachtet.
In klinischen Studien wurden mehr als 2000 Patienten mit Eptinezumab behandelt, davon etwa 1000 über 48 Wochen (vier Dosen). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Nasopharyngitis (dosisabhängig 6 und 8 Prozent der Patienten) und Überempfindlichkeitsreaktionen. Schwerwiegende Überempfindlichkeitsreaktionen, einschließlich anaphylaktischer Reaktionen, können innerhalb weniger Minuten nach der Infusion auftreten. Dann muss die Infusion sofort abgebrochen und eine geeignete Therapie eingeleitet werden. Die meisten Reaktionen traten während der Infusion auf und waren nicht schwerwiegend. Probleme an der Infusionsstelle waren selten und etwa gleich häufig unter Placebo und Verum.
In den Studien trat bei etwa 3 Prozent der Patienten, die Eptinezumab erhielten, und bei 2 Prozent der Patienten unter Placebo Erschöpfung/Fatigue auf, am häufigsten am Tag der ersten Infusion.
Patienten mit neurologischen oder kardiovaskulären Erkrankungen in der Anamnese, zum Beispiel Hypertonie oder ischämische Herzkrankheit, waren ebenso von den Studien ausgeschlossen wie Patienten mit nicht kontrollierten oder unbehandelten psychiatrischen Erkrankungen. Für Menschen mit kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Kreislauf-Erkrankungen und Hyperlipidämie liegen nur begrenzte Daten zur Sicherheit vor.
Aus Vorsichtsgründen soll Eptinezumab während der Schwangerschaft vermieden werden. Da humanes IgG in den ersten Tagen nach der Geburt in die Muttermilch ausgeschieden wird, ist ein Risiko für den gestillten Säugling nicht auszuschließen. Nach diesen Tagen müssen Nutzen und Risiken sorgfältig abgewogen werden.
Eptinezumab ist nun bereits der vierte monoklonale Antikörper für die Migräneprophylaxe. Hinsichtlich Wirkkonzept gibt es nichts Neues. Auch Eptinezumab hemmt die Wirkung von CGRP im Körper. Identisch ist auch das Einsatzgebiet bei Betroffenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat. Auch die einmalige Gabe pro Quartal birgt kein Alleinstellungsmerkmal, denn auch Fremanezumab ist dafür zugelassen. Einzig die Darreichungsform bietet einen Unterschied zu den Vorgängern: Während die anderen Antikörper subkutan injiziert werden, wird der Neuling intravenös verabreicht. Dass aber viele Patienten eine Infusion in der Praxis einer Injektion zu Hause vorziehen, ist nicht zu erwarten. Vorteilhaft ist einzig ein rascherer Wirkeintritt zu Beginn der Therapie. Insgesamt ist aber vorläufig die Bewertung als Analogpräparat vorzunehmen.
Sven Siebenand, Chefredakteur