Methotrexat schwächt die Immunogenität von Comirnaty |
Theo Dingermann |
27.05.2021 14:30 Uhr |
Viele Patienten mit Autoimmunerkrankung werden einmal wöchentlich mit Methotrexat behandelt, ob als Tablette, Spritze oder Fertigpen. / Foto: Getty Images/Rapid Eye Media CC
Ein Forscherteam aus New York und Erlangen hat untersucht, wie gut der Körper von Patienten unter immunsupprimierender Therapie eine Immunantwort auf die Covid-19-Impfung mit dem mRNA-Impfstoff Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech und Pfizer bilden kann. Ihre Daten haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der University Langone Health in New York und des Universitätsklinikums der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen heute in den »Annals of the Rheumatic Diseases«. Die Ergebnisse sind durchaus überraschend – dabei gibt es gute wie weniger gute Nachrichten.
Insgesamt nahmen an der Studie 82 Patienten, die an einer immunvermittelten entzündlichen Erkrankung (vor allem Psoriasis oder Arthritis) und immunsupprimierender Therapie teil. Deren Immunantwort auf die Comirnaty-Impfung wurde mit der von gesunden 208 Kontrollpersonen verglichen. Die Daten leiten sich aus zwei Kohorten ab: Die New Yorker Kohorte bestand aus 26 gesunden Personen sowie 25 Personen mit Autoimmunerkrankung, die mit Methotrexat (MTX) als Monotherapie oder in Kombination mit anderen immunmodulierenden Medikamenten behandelt wurden, und aus 26 Patienten, die eine immunmodulierende Therapie wie TNF-α-Blocker, aber kein MTX erhielten. Gesunde Personen und Patienten mit Autoimmunerkrankung, die kein MTX erhalten hatten, waren ähnlich alt (49,2 +/- 11,9 Jahre), während die Patienten, die MTX bekamen, generell älter waren (63,2 +/- 11,9 Jahre).
Die Erlanger Kohorte bestand aus 182 gesunden Probanden sowie elf Patienten, die eine TNF-α-Monotherapie erhalten hatten, und 20 Patienten, die mit Methotrexat behandelt wurden. Die Patienten der letzten Gruppe waren auch in dieser Kohorte im Durchschnitt älter als die gesunden Personen und als solche, die zwar erkrankt waren, die nicht mit Methotrexat therapiert wurden.
In der New Yorker Kohorte zeigten 25 von 26 (96,1 Prozent) der gesunden Teilnehmer eine adäquate humorale Immunantwort. Auch die Psoriasis- und Arthritis-Patienten, die nicht mit Methotrexat behandelt wurden, reagierten auf die Impfung mit ähnlich hohen Antikörpertitern (24 von 26, also 92,3 Prozent). Andererseits wurden bei den Patienten, die mit Methotrexat behandelt wurden, eine deutlich niedrigere Rate an einer adäquaten humoralen Reaktion beobachtet wurde (18 von 25, 72,0 Prozent). Dies gilt auch nach dem Ausschluss von Patienten, für die Hinweise auf eine frühere Covid-19-Infektion bestand.
In ähnlicher Weise erreichten in der Erlangener Kohorte 179 von 182 (98,3 Prozent) der gesunden Kontrollen, zehn von elf (90,9 Prozent) der Patienten, die kein Methotrexat erhielten, und zehn von 20 (50,0 Prozent), die Methotrexat erhielten, eine angemessene Immunogenität. Auffällig, aber in Übereinstimmung mit den Daten aus New York, ist der relativ niedrige Anteil von 50 Prozent der Patienten, die mit Methotrexat behandelt wurden.
Insgesamt entwickelten also mehr als 90 Prozent der Patienten ohne Methotrexat eine ausreichende Antikörper-Antwort, im Gegensatz zu 65 Prozent der Patienten mit MTX.
In der New York Kohorte wurden die Blutproben der meisten Probanden zudem vor und nach der Impfung einer Immunzell-Phänotypisierung unterzogen. Die Anteile von Spike-spezifischen B-Zellen, aktivierten CD4+ T-Zellen und CD8+ T-Zellen stiegen in allen Gruppen nach der Immunisierung signifikant an. Aktivierte CD8+ T-Zellen wurden bei gesunden Erwachsenen und Autoimmun-Patienten, die kein Methotrexat erhielten, induziert, aber nicht bei Patienten, die Methotrexat erhielten.
Insgesamt deuten die Ergebnisse dieser Studie darauf hin, dass der optimale Schutz gegen Covid-19 für Patienten mit Autoimmunerkrankung und immunmodulierender Therapie weitere Studien erfordert, um sicher sagen zu können, ob zusätzliche Impfstoffdosen, eine Dosismodifikation von Methotrexat oder sogar ein vorübergehendes Absetzen dieses Medikaments nötig ist, um die Immunantwort zu verstärken. Dieses Phänomen kennt man bereits von anderen antiviralen Impfstoffe in dieser Patientenpopulation, allerdings gibt es noch keine Erfahrungen mit mRNA-Impfstoffen, da Comirnaty weltweit überhaupt der erste zugelassene Vertreter dieser neuen Impfstofftechnologie war.
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