Mehr junge Frauen mit riskantem Konsum |
Emanzipiert beim Feiern mitzuhalten scheint mit einem erhöhten riskanten Alkoholkonsum zusammenzuhängen. Aber auch Einsamkeit und Druck durch Social Media können laut Suchtexperten zum beobachteten Anstieg beitragen. / Foto: PZ/urbazon
Alkoholabhängigkeit gilt in Deutschland eher als Männer-Problem. Generell greifen Männer Statistiken zufolge häufiger zur Flasche als Frauen. Sie trinken sich öfter einen Rausch an und konsumieren Alkohol häufiger in riskanten Mengen. Lange Zeit war das die Regel.
Der riskante Alkoholkonsum bei Frauen zwischen 18 und 25 Jahren nimmt jedoch seit 2015 zu, wie es im Alkoholsurvey aus dem Jahr 2022 heißt, der von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) herausgegeben wird. Immer mehr junge Frauen trinken demnach jeden Tag Alkohol in einer Menge, die mehr als einem Glas Sekt oder einem kleinen Glas Bier entspricht.
Bei einer repräsentativen Umfrage der BZgA im Jahr 2021 gaben 16,4 Prozent der jungen Frauen und 16,9 Prozent der jungen Männer an, in den vergangenen zwölf Monaten Alkohol in gesundheitlich riskanten Mengen getrunken zu haben. Bei Männern entspricht das mehr als zwei Gläsern Sekt oder zwei kleinen Gläsern Bier pro Tag.
«Junge Menschen werden bei uns zum Glück in einer Welt groß, wo jungen Frauen die gleichen Möglichkeiten und auch die gleichen Risiken offenstehen wie jungen Männern», sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie, Falk Kiefer. «Dementsprechend ist es naheliegend, dass sich das Trinkverhalten angleicht.» Das Phänomen ist also auch eine Folge der Emanzipation.
Hochrechnungen zufolge trinken in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren Alkohol in riskanter Weise, wie die Deutsche Hauptstelle Suchtfragen (DHS) vergangenes Jahr in ihrem «Jahrbuch Sucht» berichtete. Rund 4,1 Millionen davon sind Männer, 3,8 Millionen Frauen. Laut dem «Alkoholatlas Deutschland 2022», der vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) herausgegeben wurde, sind es bei den Frauen allen voran die jungen, die einen riskanten Alkoholkonsum haben.
Suchthilfeeinrichtungen in Deutschland müssten sich an diese Entwicklung anpassen, sagt Kiefer. «Wir haben aktuell immer noch eine große Überzahl an Männern in der Suchthilfe», so der Suchtexperte, der Ärztlicher Direktor am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim ist. Dementsprechend richte sich das Angebot vor allem nach den männlichen Patienten. Grundsätzlich brauchen Frauen aus seiner Sicht keine anderen Therapien. Allerdings müsse in Gesprächsgruppen ein gleichberechtigter Austausch ermöglicht werden. Angebote speziell für alkoholkranke Frauen seien daher sinnvoll und notwendig.
Suchtexperte Kiefer geht davon aus, dass sich der gestiegene Alkoholkonsum bei Frauen im Laufe der Zeit durch alle Generationen durchsetzt. Sehr wahrscheinlich werde dadurch auch die Zahl der alkoholabhängigen Frauen steigen. Wer in jungem Alter damit anfange, jeden Tag Alkohol zu trinken, erhöhe mit der Zeit die Dosis.