Medizinprodukte und ihre Haftungsfragen |
Jennifer Evans |
27.03.2025 15:30 Uhr |
Haftungsfalle Medizinprodukt – wer bleibt auf den Kosten sitzen? / © Shutterstock
Die europäische Medical Device Regulation (MDR) sowie das Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG) enthalten keine Haftungsvorschriften. Im Schadenfall müssen die Richter hierzulande also auf das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) oder Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) zurückgreifen. Ausnahmen sind einige Regelungen in Arzneimittelgesetz.
Da sich die Verantwortungen der Akteure überlagern, kann das ein schwieriges Unterfangen sein, wie der Rechtsanwalt und Arzt Adem Koyuncu am Mittwoch bei einem Webinar der BVMed Akademie betonte. Oft sei nicht klar, wer zuständig ist. Was ist zum Beispiel, wenn der Anwender das Produkt nicht richtig implantiert hat? Ist der Haftungsgrund dann beim Behandler oder beim Hersteller zu suchen? Für Patientinnen und Patienten ist es laut Koyuncu oft schwierig, das beurteilen zu können – vor allem, wenn sie auf dem OP-Tisch liegen. Das führe oftmals dazu, dass Patienten sowohl den Arzt als auch den Hersteller verklagten.
Unabhängig von der Schuld haftet der Hersteller, wenn durch den Fehler seines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt wird. In diesem Fall ist er verpflichtet, dem Geschädigten den entstandenen Schaden zu ersetzen. Nach Angaben des Rechtsanwalts geht es meist um Konstruktions-, Fabrikations-, Organisations-, Warn- und Instruktionsfehler sowie Produktbeobachtungs- und Reaktionsfehler.
Als Hersteller gilt im Sinne des Gesetzes, wer das Endprodukt, einen Grundstoff oder ein Teilprodukt hergestellt hat. Darunter fällt aber auch jeder, der sich durch das Anbringen seines Namens, seiner Marke oder eines anderen unterscheidungskräftigen Kennzeichens als Hersteller ausgibt. Lässt sich im Schadensfall der eigentliche Hersteller nicht ausmachen, gilt auch jeder Lieferant als Hersteller – sofern dem Geschädigten nicht innerhalb eines Monats der richtige Name vorliegt.
Wann ist ein Medizinprodukt fehlerhaft? Als Faustregel gilt Koyuncu zufolge, wenn es nicht die »berechtigte Sicherheitserwartung« erfüllt. Mit anderen Worten, wenn es nicht die Sicherheit bietet, die unter Berücksichtigung seiner Darbietung (Zweckbestimmung, Produktbeschreibungen, Werbeaussagen, Gebrauchsanleitungen, Verpackung und Warnhinweise), des Gebrauchs und dem Zeitpunkts der Markteinführung erwartet werden kann. Oder es schlichtweg wirkungslos ist.
Für die Rechtsprechung bedeutet das: Die Juristen müssen alle Umstände des Einzelfalls in Betracht ziehen. Um nur ein Beispiel zu nennen: »Warnhinweise können die Sicherheitserwartung herunterschrauben«, so der Rechtsanwalt.