Medizin


Die Höhe der renalen Eiweißausscheidung ist bei nicht-diabetogenen,
proteinurischen chronischen Nephropathien unabhängig von der
Grunderkrankung ein Prädiktor für die Progression zur terminalen
Niereninsuffizienz. Verschiedene klinische Studien haben in den letzten
Jahren darauf hingewiesen, daß Hochdruckpatienten mit einer diabetogenen
Nephropathie von der Behandlung mit einem ACE-Hemmer profitieren
können.
Der Nutzen dieser Behandlung läßt sich dabei offenbar nicht allein mit der
antihypertensiven Wirkung dieser Medikamentengruppe korrelieren. Bislang ist
fraglich, inwieweit sich auch bei Patienten mit nicht-diabetogener Nephropathie ein
positiver Effekt zeigen läßt.
Dem ging die vorliegende prospektive, randomisierte Doppelblindstudie REIN nach
(The Ramipril Efficacy in Nephropathy study), in die 352 Patienten mit
nicht-diabetogener Nephropathie aufgenommen. wurden. Weitere Fragestellungen
waren, ob das Ausmaß einer Proteinurie mit der Progression einer Nephropathie
korreliert und ob sich durch die Behandlung mit dem ACE-Hemmer Ramipril die
Progredienz des Nierenleidens, eine weitere Abnahme der glomerulären
Filtrationsrate (GFR) sowie eine Zunahme der Proteinurie positiv beeinflussen läßt.
Bedingung für die Aufnahme der Patienten in die Studie war eine fortdauernde
Proteinurie von mindestens 1 g/d und eine Kreatinin-Clearance zwischen 20 und 70
ml/min. Nach der Randomisierung wurde je nach Ausmaß der Proteinurie eine
weitere Unterteilung der Studienteilnehmer in Patienten mit Hämproteinwerten unter
und über 3 g pro Tag vorgenommen. Beurteilungskriterium eines Therapieerfolgs
war der Verlauf der GFR im Studienzeitraum von fünf Jahren.
Die Patienten erhielten entweder Ramipril oder andere gebräuchliche
Antihypertensiva, jedoch keine anderen ACE-Hemmer. Die Dosis wurde individuell
gewählt, bei allen Patienten wurde ein diastolischer Blutdruck unter 90 mmHg
angestrebt.
Beide Behandlungsgruppen unterschieden sich hinsichtlich der Blutdrucksenkung und
der Häufigkeit kardiovaskulärer Ereignisse nicht. Bei der geplanten zweiten
Zwischenanalyse waren die Unterschiede bezüglich der GFR-Abnahme - und damit
die Verschlechterung der Filtrationsleistung der Nieren - zwischen beiden Gruppen
im Patientenkollektiv mit einer Proteinurie über 3 g/d hochsignifikant, so daß der
Randomisierungs-Code aus ethischen Gründen frühzeitig aufgedeckt wurde.
Es konnte gezeigt werden, daß die Abnahme der GFR im Kollektiv mit
konventionellen Antihypertensiva wesentlich stärker ausgeprägt war. In der
Ramipril-Gruppe war die signifikante prozentuale Abnahme der Proteinurie
umgekehrt proportional zur Abnahme der GFR. Während einer
Nachbeobachtungszeit von drei Jahren war der Prozentsatz der Patienten, bei denen
es nicht zu einer Verdoppelung des Serum-Kreatinins oder zur Entwicklung eines
terminalen Nierenversagens kam, in der Ramipril-Gruppe wesentlich höher als in der
Kontrollgruppe (18 versus 40 Prozent).
Fazit: Bei Patienten mit chronischer, nicht-diabetogener Nephropathie ist das
Ausmaß der Proteinurie ein Prognosekriterium für die Progression eines
Nierenleidens. Bei Patienten mit einer renalen Proteinausscheidung über 3 g/d
bewirkt die Therapie mit Ramipril eine Reduktion der Proteinurie und eine
Verzögerung des Abfalls der GFR, wobei das Risiko einer Progredienz in Richtung
terminales Nierenversagen um 50 Prozent sinkt. Der nephroprotektive Effekt
übersteigt das Ausmaß, das aufgrund der reinen Blutdrucksenkung zu erwarten
wäre.
Quelle: The Gisen Group, Lancet 349 (1997) 1857-1863.
PZ-Artikel von Wolfgang Kämmerer, Wiesbaden


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