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Beobachtungsstudie

Medikationsanalysen auf dem Weg in den Apothekenalltag

Strukturierte Medikationsanalysen in Apotheken zum Erkennen und Lösen arzneimittelbezogener Probleme (ABP) leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS). Dies zeigen auch Ergebnisse der Beobachtungsstudie zum Ausbildungsapothekenkonzept der Apothekerkammer Westfalen-Lippe.
AutorKontaktVerena Kurth
AutorKontaktCarolin Keip
AutorKontaktLaurette Reisdoerfer
AutorKontaktIsabel Waltering
AutorKontaktOliver Schwalbe
AutorKontaktRonja Woltersdorf
AutorKontaktGeorg Hempel und Ulrich Jaehde
Datum 21.05.2021  12:00 Uhr

Seit einigen Jahren werden im Rahmen von Modellprojekten Medikationsanalysen in öffentlichen Apotheken implementiert. Hierzu gehören zum Beispiel das ATHINA-Projekt (Arzneimitteltherapiesicherheit in der Apotheke) und die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen (ARMIN) (1, 2). Beim Ausbildungsapothekenkonzept (Apo-AMTS) der Apothekerkammer Westfalen-­Lippe (AKWL) handelt es sich um ein zweistufiges Ausbildungsprogramm, das als Schnittstelle zwischen Studium und praktischem Alltag in der Apotheke entwickelt wurde und sich an Pharmazeuten im Praktikum und ihre Ausbildungs-Apotheker richtet (3, 4). Seit 2012 wurden über das Programm rund 1500 sogenannte AMTS-Manager zertifiziert (Stand November 2020).

Das Apo-AMTS-Projekt wurde von der AKWL in Kooperation mit der AOK Nordwest und der Universität Bonn in der Beobachtungsstudie »Medikationsmanagement in AMTS-qualifizierten Apotheken in Westfalen-Lippe unter Einbeziehung der AOK-PatientenQuittung« evaluiert. Die Studie wurde unterstützt von der Apothekerstiftung Westfalen Lippe. Eingeschlossen wurden AOK-Nordwest-Versicherte ab 18 Jahren mit mindestens fünf Arzneimitteln in Dauermedikation. Ziel war die Darstellung der Reduktion von ABP durch Medikationsanalysen vom Typ 2a (5) sowie deren Einfluss auf die Medikationsqualität. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, Medikationsanalysen in öffentlichen Apotheken dauerhaft zu implementieren und weiterzuentwickeln und auch dem Patienten zugänglicher zu machen.

Dokumentiert wurden die Ergebnisse der Medikationsanalysen im TORPEDO-Bogen (Tool for Preparation, Execution and Documentation of Medication Reviews), einer für das Apo-AMTS-Projekt entwickelten und validierten Excel-Datei (6). Neben demografischen Daten, Angaben zur Medikation und identifizierten ABP mit damit verbundenen Maßnahmen ist dort auch ein an der Universität Bonn entwickelter Fragebogen zur Erfassung patientenberichteter Symptome (UAE-Checkbogen) enthalten (7). Als zusätzliche Informationsquelle konnte die AOK-PatientenQuittung genutzt werden, über die Patienten eine Aufstellung ihrer über die Krankenkasse abgerechneten Leistungen erhalten. Für die Dokumentationsleistung erhielten die Apotheken eine Aufwandsentschädigung von der AOK Nordwest.

323 Medikationsanalysen aus 87 Apotheken evaluiert

In die Analyse einbezogen wurden 323 Medikationsanalysen für AOK-Nordwest-Versicherte, die zwischen Oktober 2016 und November 2017 von AMTS-Managern aus 87 Apotheken durchgeführt wurden. Die Patienten waren im Mittel 72 (28 bis 97) Jahre alt. 75,2 Prozent der Patienten waren über 65, der Frauenanteil lag bei 60,7 Prozent. Für 227 Patienten konnte nach drei Monaten eine Nacherhebung (»Follow-up«) durchgeführt werden, um die Umsetzung der dokumentierten Empfehlungen sowie Veränderungen berichteter Symptome zu überprüfen.

Bei rund 98 Prozent der Patienten wurde mindestens ein ABP dokumentiert. Mit insgesamt 2275 ABP entsprach dies im Mittel 7,0 ABP pro Patient und 0,6 ABP pro Arzneimittel, drei Viertel davon für Rx-Präparate. Am häufigsten wurden ABP der Kategorien »Interaktionen«, »Ungeeignete Dosierung« und »Nebenwirkungen« dokumentiert (Abbildung).

6 von 10 Apothekervorschlägen wurden umgesetzt

Die AMTS-Manager dokumentierten für 91,6 Prozent der ABP mindestens einen Handlungs- oder Informationsbedarf. Von den formulierten Empfehlungen wurden 41,9 Prozent direkt nach der Medikationsanalyse ganz oder teilweise umgesetzt, bei Patienten mit Follow-up (n = 227) waren es 45,6 Prozent. Hier konnte nach drei Monaten eine Umsetzungsrate von 61,6 Prozent erreicht werden. Besonders hoch war die direkte Umsetzung dort, wo Informationen durch die Apotheke unmittelbar an den Patienten gegeben werden können, wie in den Kategorien »Ungeeigneter Einnahmezeitpunkt« und »Anwendungsprobleme« (53,1 Prozent und 45,7 Prozent).

Ausgehend von einer mittleren Anzahl von 11,2 Arzneimitteln pro Patient entsprach die beobachtete Senkung der Arzneimittelanzahl einer durchschnittlichen Reduktion von einem Arzneimittel bei jedem zweiten Patienten, passend zu dem häufig dokumentierten Patientenwunsch »die Medikamente zu reduzieren«. Tatsächlich konnte bei 88 Patienten die Anzahl um ein bis acht Arzneimittel gesenkt werden, elf Patienten hatten nach der Analyse insgesamt ein bis zwei Arzneimittel mehr.

Verbesserung der Medikationsqualität

Ein in Studien häufig verwendetes Instrument zur Messung der Medikationsqualität ist der Medication Appropriateness Index (MAI), bei dem die Eignung jedes Arzneimittels anhand von zehn Fragen bewertet und mit einem Punktwert gewichtet wird (8, 9). Je höher der Punktwert, desto ungeeigneter wurde die Gesamtmedikation eines Patienten bewertet. Für 100 Patienten mit Follow-up konnte der MAI im Median signifikant von 7 (IQA 10, Spannweite 0 bis 57) auf 2 (IQA 6; Spannweite 0 bis 48; p < 0,001) nach der Medikationsanalyse gesenkt werden. Dieser Effekt war auch drei Monate später mit einem MAI von 2 nachhaltig.

Auch wenn eine Reduktion der Arzneimittelanzahl nur für einen Teil der Patienten erreicht wurde, zeigt dies, dass auch bei weiterbestehender Polymedikation die Medikationsqualität insgesamt durch das Lösen von ABP verbessert wird. Das volle Potenzial der Verbesserung wurde hier dabei vermutlich eher unterschätzt, da die Gewichtung des MAI vor allem auf indikationsbezogenen Problemen liegt, die in der Apotheke aufgrund von unvollständigen Informationen oft nicht bewertet werden konnten.

Nebenwirkungsrate gesenkt

Über den UAE-Checkbogen wurden von Patienten berichtete Symptome erfasst. Schlafstörungen, Schwindel und Schmerzen wurden besonders häufig aufgeführt. Für mehr als ein Drittel der Patienten mit Follow-up (n = 227) wurden nach drei Monaten weniger Symptome dokumentiert. Die Symptomlast sank von im Durchschnitt 3,4 Symptomen bei der Anamnese auf 2,9 Symptome beim Follow-up.

Über Freitexte dokumentierte Rückmeldungen verdeutlichen die Bedeutung dieser Ergebnisse auch aus Patientensicht. So berichtete eine 75-jährige Patientin über die Besserung von Schlafstörungen, Magenbeschwerden und Durchfällen. Nach Anpassung der Medikation aufgrund einer diagnostizierten Lactose-Unverträglichkeit sei sie wieder aktiver und traue sich häufiger in die Stadt. Auch sei die Hausärztin mit dem gleichzeitig verbesserten Management der Blutdruckwerte zufrieden. 

Apotheker sind gut vorbereitet für Medikationsanalysen als Regelleistung

Das Ende des Jahres 2020 verabschiedete Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz sieht vor, dass pharmazeutische Dienstleistungen wie Medikationsanalysen breiter und vor allem dauerhaft implementiert werden sollen. Die große Anzahl an zertifizierten AMTS-Managern und die Daten aus der vorliegenden Studie sowie aus anderen Modellprojekten (10, 11) zeigen, dass bereits viele Apotheker gut auf die Implementierung vorbereitet sind. Zudem leisten Erfahrungen aus den Projekten einen wichtigen Beitrag zur weiteren Umsetzung. Mit jeder Medikationsanalyse nimmt auch die Kompetenz der Apotheker zu und das vertiefte Wissen kommt in der alltäglichen Information und Beratung allen Patienten zugute.

Dennoch gibt es Verbesserungspotenzial. Um identifizierte ABP besser beurteilen und darüber die Effektivität der Medikationsanalysen weiter steigern zu können, sollten Limitationen durch unvollständig oder unregelmäßig verfügbare Informationen, wie Indikationen oder Labordaten, überwunden werden. Ebenso stellt die interprofessionelle Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Apothekern mit klarer Zuordnung der Aufgabenbereiche ein wichtiges Element dar.

Digitale Veränderungen wie die Einführung der elektronischen Patientenakte oder Programme zur Kommunikation im Medizinwesen (KIM) können nicht nur zu einer effizienteren Bearbeitung bestimmter ABP beitragen, sondern auch personelle und zeitliche Ressourcen auf beiden Seiten schonen. Eine erweiterte Verfügbarkeit von Patientendaten bietet die Chance zur besseren Einschätzung der klinischen Relevanz detektierter potenzieller ABP und damit auch der effektiveren Kommunikation zwischen Arztpraxis und Apotheke.

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