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Nach wie vor Evidenzlücken

Medical Cannabis 2019

Am 23. Juni 2015 war in dem angesehenen wissenschaftlichen Journal »JAMA« ein systematischer Review unter dem Titel »Medical Marijuana for Treatment of Chronic Pain and Other Medical and Psychiatric Problems« erschienen. Diese Arbeit wurde nun auf einen aktuellen Stand gebracht.
Theo Dingermann
12.08.2019  11:00 Uhr

Nach wie vor liegen für wenige Cannabinoide (Δ9-Tetrahydrocannabinol, THC und Cannabidiol, CBD) qualitativ akzeptable Studien vor, aus denen sich zuverlässige Wirkprofile ableiten lassen, so das Fazit des Autors der Arbeit »Medical Cannabis 2019«, Dr. Kevin P. Hill von der Abteilung für Suchtpsychiatrie am Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston.

Dieses Resümee findet seine Bestätigung in der übersichtlichen Zahl der von der FDA zugelassenen Präparate. Die THC-Cannabinoide Dronabinol und Nabilon wurden 1985 zur Behandlung von durch Chemotherapie induzierter Übelkeit und Erbrechen zugelassen, wobei Dronabinol 1992 eine zusätzliche Indikation zur Appetitanregung bei Erkrankungen erhielt, die mit einem Gewichtsverlust einhergehen, beispielsweise Aids. Cannabidiol wurde zugelassen für die Behandlung zweier seltener Formen der pädiatrischen Epilepsie, in dieser Indikation wurde kürzlich auch in Europa eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen.

Darüber hinaus werden Cannabinoide jedoch bei einer Vielzahl anderer Indikationen eingesetzt. Ganz oben auf dieser Liste stehen chronische Schmerzen. Die US-amerikanischen nationalen Akademien für Wissenschaft, Technik und Medizin widmeten sich diesem Thema intensiver und kamen zu dem Ergebnis, dass es schlüssige oder substanzielle Beweise dafür gibt, dass Cannabis oder Cannabinoide chronische Schmerzen wirksam zu lindern vermögen. Dabei stützte sich das Gremium auf eine einzige Metaanalyse von 28 Studien. Diese Studien waren allerdings sowohl hinsichtlich der getesteten Wirkstoffe als auch der behandelten Krankheiten sehr heterogen. Vielfach waren die Konfidenzintervalle so groß, dass zuverlässige Schlüsse nur bedingt gezogen werden konnten.

Eine neuere Metaanalyse zu 91 Veröffentlichungen ergab, dass Cannabinoide Schmerzen um 30 Prozent stärker zu lindern vermochten als Placebo. Die Number Needed to Treat wurde mit 24 und die Number Needed to Harm mit 6 berechnet. Nach wie vor, so eine Schlussfolgerung der JAMA-Publikation, gibt es somit keine schlüssigen Beweise dafür, dass Cannabinoide chronische Schmerzen wirksam und effizient zu lindern vermögen, wobei nach Datenlage die Risiken höher einzustufen sind als der Nutzen.

Wie bereits erwähnt, hat die FDA auf Basis zweier internationaler multizentrischer Studien mit einer hinreichenden Anzahl von Patienten (n = 120 und n = 171)  CBD als Zusatzmedikament zur Behandlung einiger Anfallsleiden zugelassen. Für zahlreiche andere Erkrankungen, einschließlich der Parkinson-Krankheit, der posttraumatischen Belastungsstörung und dem Tourette-Syndrom, existieren zwar plausible Hypothesen, deren kritische klinische Testung jedoch nach wie vor auf sich warten lässt. Die meisten klinischen Studien an Patienten mit diesen Krankheiten waren zu klein und oft unkontrolliert. Da nur wenige Pharmaunternehmen Cannabinoid-Studien durchführen, ist es unwahrscheinlich, dass in naher Zukunft weitere Cannabinoide von der FDA zur Therapie zugelassen werden.

Sorgen macht auch weiterhin das Nebenwirkungspotenzial con Cannabis. Akuter Cannabiskonsum ist mit Lern-, Gedächtnis-, Aufmerksamkeits- und Koordinationsstörungen assoziiert, die den normalen Alltag der Patienten zum Teil erheblich beeinträchtigen können. Während Konsens darüber besteht, dass akuter Cannabiskonsum zu kognitiven Defiziten führt, wird immer noch darüber diskutiert, wie persistent die kognitiven Effekte sein können, die nach einer akuten Intoxikation auftreten. Dies gilt besonders für Jugendliche, die Cannabis regelmäßig konsumieren.

Der Autor resümiert, dass es für eine Wirksamkeit von Medizinal-Cannabis bei den meisten Erkrankungen, für die eine Cannabisgabe als Therapieoption empfohlen wird, nur unzureichende Beweise gibt. Trotzdem empfehlen verschiedene US-Bundesstaaten Cannabis für die Behandlung von mehr als 50 Erkrankungen. Cannabis kann unter bestimmten Umständen nützlich sein, aber wegen der großen Evidenzlücken herrscht nach wie vor große Unsicherheit sowohl bei Ärzten als auch bei Patienten.

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