Mechanismus der Thrombosebildung entdeckt |
Christina Hohmann-Jeddi |
04.09.2020 17:50 Uhr |
Eine gestörte Blutgerinnung ist typisch für Covid-19. / Foto: Getty Images/Science Photo Library - STEVE GSCHMEISSNER.
Die Gerinnungsstörung ist ein wesentlicher Teil der Pathogenese bei Covid-19, viele Mikro- und Makrothromben in der Lunge und in anderen Organen wurden bei Patienten entdeckt. Diese treten zum Teil auch auf, obwohl die Patienten Antikoagulanzien erhalten, deren Nutzen vor Kurzem noch einmal belegt wurde. Was die hohe Thromboseneigung verursacht, ist aber noch unklar. Ein Team von Forschern um Dr. Oskar Eriksson von der Universität Uppsala hat nun versucht, die Frage zu beantworten. Im Fokus stand dabei das Mannose-bindende Lektin (MBL), ein Protein, das in der angeborenen Immunabwehr eine Rolle spielt.
MBL ist ein sogenanntes Muster-Erkennungs-Molekül, das in der ersten Verteidigungslinie des Immunsystems fremde Strukturen erkennt, die auf vielen Pathogenen vorhanden sind. Findet es solche, aktiviert MBL das Komplementsystem über den Lektin-Signalweg. In MBL vermuteten die Forscher die Ursache für die überschießende Koagulation bei Covid-19-Patienten.
Um diese Hypothese zu testen, untersuchten Eriksson und Kollegen 65 schwerkranke Patienten, die intensivmedizinisch betreut wurden. Es zeigte sich, dass die 14 Prozent der Patienten, die eine symptomatische Thromboembolie entwickelten, höhere MBL-Level aufwiesen als Patienten ohne diese Komplikation. Der MBL-Wert korrelierte dabei stark mit dem Plasma-D-Dimer-Wert, der ein Marker für die Gerinnungsstörung ist, zeigte aber keine Korrelation zum Ausmaß der Entzündung oder anderer Organfunktionsstörungen.
Im Fachjournal »Thrombosis and Haemostasis« vertreten die Forscher die Ansicht, dass die Aktivierung des Komplementsystems über den MBL-Lektin-Signalweg zu der Koagulopathie bei Covid-19 beiträgt. »Unsere Ergebnisse sind besonders interessant, weil wir annehmen, dass MBL die Gerinnung in einer Weise anregt, die durch Blutverdünner nicht verhindert werden kann«, sagt Eriksson in einer Mitteilung der Universität Uppsala. Das könne auch erklären, warum so viele Patienten trotz der Antikoagulation, die zur Standardbehandlung gehört, Thromboembolien entwickeln. MBL scheint zusammen mit MASP-1, einem weiteren Enzym, die Blutgerinnung über mehrere Mechanismen zu erhöhen, unter anderem durch die direkte Aktivierung des Faktors XIII. Das in der Antikoagulation in der Regel verwendete niedermolekulare Heparin hemmt dagegen hauptsächlich Faktor Xa.
Die Forscher schlagen vor, den MBL-Wert zu nutzen, um Patienten mit einem hohen Risiko für Blutgerinnsel zu identifizieren. Das Molekül könne zudem ein mögliches Target für Therapien sein. Entsprechende Wirkstoffe befinden sich der Publikation zufolge schon in klinischen Studien.
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