Limonade fördert die Metastasierung von Darmkrebs |
Theo Dingermann |
22.09.2025 15:30 Uhr |
Wer Darmkrebs hat, sollte lieber die Finger von zuckergesüßten Getränken lassen. / © Getty Images/Peter Dazeley
Die Ernährung gilt weithin als einer der wichtigsten Einflussfaktoren, die zur Entstehung von Darmkrebs beitragen. Unter besonderer Beobachtung steht der Konsum von zuckergesüßten Limonaden. Dazu zählen alle Flüssigkeiten, die Zusätze von Saccharose oder Maissirup enthalten. Maissirup besteht aus Glucose und Fructose zu etwa gleichen Teilen. Besonders die Fructose-Komponente wird kritisch gesehen.
Seit den 1980er-Jahren steigt der Konsum zuckerhaltiger Limonaden weltweit. In den USA konsumieren mehr als die Hälfte der Erwachsenen und fast zwei Drittel der Jugendlichen täglich solche Limonaden. Dieser Trend geht einher mit einem alarmierenden Anstieg der Inzidenz und Mortalität von Darmkrebserkrankungen vor allem bei jungen Menschen.
Nun zeigen Forschende um die Professoren Dr. Tongzhi Feng und Dr. Qin Luo vom Department of Genetics am University of Texas MD Anderson Cancer Center in Houston, Texas, dass gerade die Kombination von Glucose und Fructose in den Limonaden die Metastasenbildung von Darmtumoren fördert. Die Ergebnisse dieser wichtigen Arbeit wurden im Wissenschaftsjournal »Nature Metabolism« publiziert.
Die Forschenden verglichen den Einfluss von 20 mM Glucose, 10 mM Glucose plus 10 mM Fructose (Glu+Fru) sowie 20 mM Fructose auf das Verhalten von Darmtumor-Zelllinien und in orthotopen Mausmodellen, bei denen Tumorzellen in den Blinddarm injiziert wurde.
In diesen Mausmodellen steigerte die kontinuierliche Gabe eines 25-prozentigen Zuckergetränks (Glucose : Fruktose = 45 : 55) über fünf Wochen die Zahl makroskopischer Lebermetastasen gegenüber Wasser oder Glucose, ohne die Größe des Primärtumors zu verändern. Dieser Effekt bestätigte sich in Transplantationsmodellen in die Milz und in die Mukosa des Dickdarms.
Mechanistisch identifizierten die Forschenden in ungezielte Metabolom-Analysen, bei denen mehr als 700 Metabolite pro Analyse nachgewiesen wurden, Sorbitol als einzig konsistent um den Faktor drei bis elf erhöhten Metaboliten, wenn die Modelle mit Glu+Fru behandelt wurden.
13C-Markierungsanalysen belegten, dass Sorbitol nahezu vollständig aus 13C-Fructose stammt. Daraus kann geschlossen werden, dass Sorbitol aus Fructose durch die Rückreaktion der Sorbitol-Dehydrogenase (SORD) gebildet wird, die NADH als Co-Substrat benötigt. Dies ist nicht die klassische Synthese von Sorbitol. Klassisch wird Sorbitol im Rahmen der NADPH-abhängige Reduktion von Glucose, katalysiert durch die Aldosereduktase (AR), gebildet.
In Gegenwart von Glu+Fru treiben zum einen die Glucose-Glykolyse, die die NADH-Reduktionsäquivalente liefert, und zum anderen die Fructose als SORD-Substrat gemeinsam die SORD-Rückreaktion an. Dabei wird NADH zu NAD+ oxidiert und das zelluläre NAD+/NADH-Verhältnis gesteigert.
Auf Patientenebene zeigte sich, dass sowohl die SORD-mRNA als auch die Konzentration des Enzyms in Darmtumoren gegenüber Normalgewebe erhöht war. Dies konnte auch durch Einzelzellanalysen vor allem in epithelialen Tumorzellen bestätigt werden.
Für die gesteigerte Metastasenaktivität ist die SORD-Aktivität notwendig, wie die Forschenden eindrucksvoll zeigen konnten. Denn eine Inaktivierung des Gens mit Hilfe von CRISPR/Cas9 verminderte in vier Zelllinien (SORD-KO) das Migrations-/Invasions-Potential ohne Wachstumsverlust des Tumors. Ebenso hob der SORD-Verlust in drei komplementären Mausmodellen den Glu+Fru-Metastasierungseffekt auf. Das war nicht der Fall, wenn die Aldosereduktase inaktiviert wurde.