Lieferketten diversifizieren statt Produktion zurückholen |
Daniela Hüttemann |
13.09.2023 15:00 Uhr |
Ein anderer Vorschlag des vfa ist, die bestehenden Produktionslinien flexibler nutzen zu dürfen. Kleinere solcher flexiblen Anlagen kann sich Bathmann auch für Krankenhausapotheken oder größere Apotheken vorstellen.
Man dürfe Hersteller jedoch nicht dazu verpflichten, teure Anlagen und Personal für eventuelle Engpässe bereitzustellen und ansonsten brachliegen zu lassen, sondern müsse die Produktion so gestalten, dass eine rasche Umstellung möglich ist, wenn sich Lieferengpässe ankündigen. Wenn dann eine Firma einspringt, wie das beispielsweise die Hexal-Tochter Salutas beim Tamoxifen-Versorgungsengpass getan hat, müsse das auch honoriert werden. Gewinne machten die Unternehmen damit nicht.
Bathmann erinnerte aber auch daran, dass es nicht nur an den Wirkstoffen liegt, die fast nur noch in Fernost produziert werden. Probleme könne es auch bei den Ausgangs- und Hilfsstoffen geben. Mitunter lägen die fertig produzierten Arzneimittel in den europäischen Werken bereit, es fehle aber an Blisterfolien, Ampullen oder gar Papier für Faltschachteln und Beipackzetteln. »Das hat dann nichts mit China zu tun«, so Bathmann.
Der vfa selbst spricht sich für mehr Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette aus. Die Firmen hätten ein eigenes Interesse, lieferfähig zu bleiben. »Jeder Lieferausfall bedeutet ja auch gleich einen Umsatzausfall«, konstatierte Bathmann. Sinnvoll könne es auch sein, die durchaus von Land zu Land verschiedenen Lieferengpässe in der EU durch mehr Austausch im Binnenmarkt abzufedern und diesen Austausch zu erleichtern. Ein Überwachungs- und Frühwarnsystem sei also grundsätzlich sinnvoll.
Der vfa sei auch durchaus offen für Stresstests der Lieferketten, einschließlich Zulieferern und bei Technologie-Monopolen. Von feststehenden Listen sogenannter kritischer Arzneistoffe wie von der EU vorgeschlagen ist die Pharmaindustrie dagegen weniger begeistert und schlägt stattdessen eine »dynamische« Liste vor. »Da ungewöhnliche Nachfragepeaks schwer vorauszusagen seien, hält der vfa auch nichts von einer Vorratspflicht. Die führe nur dazu, dass man sich die Arzneimittel innereuropäisch einfach wegkaufe. Dann liegen sie in Deutschland auf Lager und fehlen anderswo.
Auf diesen Herbst und Winter würde sich das Lieferengpassgesetz (ALBVVG) ohnehin noch nicht auswirken, vermutet Bathmann. Es werde Nachfragepeaks geben. Die Produktionskapazitäten bei Fiebersäften seien zumindest bei Zentiva (Ibuprofen) in Prag nicht ausgeweitet worden. Und jahrelang kaputt gesparte und globalisierte Systeme ließen sich nicht von heute auf morgen reparieren.