Lehren aus der SARS-CoV-2-Epidemie auf der »Diamond Princess« |
Theo Dingermann |
31.03.2020 08:30 Uhr |
Der Luxuskreuzer »Diamond Princess« lag zwei Wochen in Yokohama vor Anker und stand wegen eines SARS-CoV-2-Ausbruchs an Bord unter Quarantäne. Für Epidemiologen ist das ein ideales Setting. / Foto: Imago/Kyodo News
In einem Artikel, der am 26. März auf der Nachrichtenseite des Fachmagazins »Nature« publiziert wurde, berichtet Smriti Mallapaty von Studien, in denen die Auswirkungen der SARS-CoV-2-Epidemie auf dem Kreuzfahrtschiff »Diamond Princess« untersucht wurden. Dieser Ausbruch war ein ideales Setting für die Epidemiologie. Denn dieser relativ kleinen und genau definierten Umgebung konnte keiner entkommen, solange das Schiff unter Quarantäne stand.
Am 1. Februar wurde ein erster Passagier des Luxuskreuzers positiv auf eine SARS-CoV-2-Infektion getestet. Er war Tage zuvor in Hongkong von Bord gegangen und hatte sich während dieses Landgangs infiziert. Unmittelbar nach der Ankunft der »Diamond Princess« in japanischen Gewässern am 3. Februar wurde das Schiff mit 3.711 Passagieren und Besatzungsmitgliedern an Bord unter Quarantäne gestellt.
Letztlich infizierten sich etwa 700 Menschen auf diesem Schiff, sieben Patienten verstarben. Alleine diese Bilanz zeigt noch einmal deutlich, wie infektiös das SARS-CoV-2-Virus ist und wie es sich auf dem Schiff verbreiteten konnte. Zusätzlich liefern die Daten Informationen darüber, wie viele Passagiere symptomfrei blieben, obwohl sie sich infiziert hatten. Denn die eingeschlossene Personengruppe wurde intensiv getestet. Die japanische Gesundheitsbehörde führte etwa 3.000 Tests durch – an symptomlosen Passagieren ebenso wie an Passagieren, die von Krankheitszeichen berichteten. Einige Passagiere wurden auch mehrfach getestet.
Wie Kenji Mizumoto und Kollegen in einer Publikation im Fachjournal »Eurosurveillance« berichten, zeigten 18 Prozent aller Infizierten auf dem Schiff bis zum 20. Februar keinerlei Symptome. Bezogen auf eine »Normalbevölkerung« muss dieser Wert allerdings als zu niedrig angesehen werden, da sich unter den Passagieren überproportional viele ältere Menschen befanden.
Mizumoto und Gerardo Chowell publizierten zudem in der Zeitschrift »Infectious Disease Modelling«, wie wirksam die strengen Quarantänemaßnahmen, die den Passagieren der »Diamond Princess« verordnet wurden, die Virusverbreitung einzudämmen vermochten. Denn ab dem 5. Februar hatten sich die Passagiere des Schiffes für mehr als zwei Wochen ausschließlich in ihren Kabinen aufzuhalten.
Vor Anordnung dieser strikten Quarantäne hatte eine Person durchschnittlich mehr als sieben andere Passagiere infiziert. Das ist eine sehr hohe Infektionsrate, die wahrscheinlich dem Umstand geschuldet ist, dass die Menschen auf dem Schiff auf sehr engen Raum lebten, und für eine Normalsituation nicht realistisch ist. Nach Anordnung der Quarantäne fiel die Infektionsrate teilweise sogar unter eins. Das deutet an, dass eine Quarantäne eine sehr wirksame Maßnahme ist, die jedoch im Falle der Situation auf der »Diamond Princess« nicht optimal war, da die meisten Passagiere in Doppelkabinen untergebracht waren. Dies führte dazu, dass ein Infizierter fast regelmäßig seinen Zimmergenossen ansteckte.
All dies sind wichtige Erkenntnisse, aus denen jedoch die richtigen Schlüsse zu ziehen sind. Denn schließlich spielt sich die Corona-Pandemie in der Realität nicht auf einem Schiff ab.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.