Laumann fordert effektivere Lieferengpass-Maßnahmen |
Melanie Höhn |
21.04.2023 12:00 Uhr |
Beim Apothekenbesuch der Kern-Apotheke in Düsseldorf (v.l.n.r.): NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), Apothekeninhaberin Michelle Pohst, Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. / Foto: Apothekerverband Nordrhein
Laumann und Preis besuchten am Mittwoch gemeinsam die Düsseldorfer Kern Apotheke, um sich ein Bild von aktuellen Herausforderungen im Apothekensektor zu machen. Diese seien zahlreich: Fachkräftemangel, Bürokratie, aber auch die aktuellen Lieferengpässe bei vielen Medikamenten stellten die Apotheken vor Ort vor große Herausforderungen, waren sich beide einig.
Speziell das Thema »Lieferengpässe« begleite das Gesundheitswesen bereits seit mehreren Jahren. Zuletzt habe die Pandemie nochmals gezeigt, dass es sich hierbei um ein Problem mit zahlreichen Ursachen handele, das dringend angegangen werden müsse, erklärte der AVNR im Nachgang. Obwohl nicht jeder Lieferengpass mit einem Versorgungsmangel gleichzusetzen sei und es in der Regel Alternativpräparate gebe, handele es sich dennoch um eine enorme Belastung für das Gesundheitswesen und für die Patientinnen und Patienten.
Das habe auch Minister Laumann betont: »Die aktuellen Lieferengpässe besonders bei Antibiotika bereiten mir zunehmend Sorge. Insgesamt hat sich bei Arzneimitteln im Zuge der Globalisierung in Europa eine zu hohe Abhängigkeit von Drittstaaten entwickelt. Hier brauchen wir aufgrund veränderter geopolitischer Rahmenbedingungen dringend diversifizierte und widerstandsfähige Lieferketten. Das bedeutet auch Produktionsstandorte in Europa, Deutschland und Nordrhein-Westfalen.«
Thomas Preis ergänzte: »Die Lieferengpässe von Arzneimitteln behindern die Versorgung der Patientinnen und Patienten immer stärker. So ist allein die Anzahl der durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gemeldeten Lieferengpässe innerhalb eines Jahres um über 20 Prozent auf mittlerweile fast 500 angestiegen«. Ein Ende der zunehmenden Lieferengpässe sei nicht zu erwarten. Fast 300.000 Patientinnen und Patienten seien in Nordrhein-Westfalen Tag für Tag in den Apotheken von Lieferengpässen betroffen. Um trotzdem die Versorgung sicherzustellen, bedeute das für die Apotheken enormen Personalaufwand. »Alleine die Kosten dafür belaufen sich pro Apotheke im Durchschnitt auf mehr als 3.000 Euro monatlich«, so Preis.
Die Bundesregierung wolle das Problem mit dem geplanten »Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln« (ALBVVG) lösen. »Die darin enthaltenen Regelungen sind aber nicht weitreichend genug, um Lieferengpässen an der Ursache entgegenzuwirken und langfristig die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung zu sichern«, kritisierte Laumann.
Der Minister nutzte den Apothekenbesuch, um nochmals die Position der Landesregierung zu betonen: Die Rabattvertragsvergabe müsse künftig bei allen versorgungsrelevanten Arzneimitteln einen europäischen Produktionsstandort als Kriterium für die Vergabe berücksichtigen und nicht nur bei Antibiotika, wie es im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehen ist. Zudem müsse eine ausreichende Lagerhaltung versorgungsrelevanter Arzneimittel im Regelsystem auch über längere Zeiträume hinweg sichergestellt werden, damit Lieferengpässe nicht so schnell auf die Versorgung durchschlagen. Darüber hinaus sei es wichtig, im Zuge des laufenden Gesetzgebungsverfahrens Bürokratie in der Versorgung durch die Apotheke vor Ort abzubauen.
Sogenannte Retaxationen durch die Krankenkassen, also die Verweigerung von Zuschlägen oder Erstattungen für bereits abgegebene Arzneimittel, sollten gesetzlich auf ein sinnvolles Maß beschränkt werden, fordert Laumann. Nur so könne die öffentliche Apotheke dauerhaft in der Fläche gehalten und das ohnehin schon knappe Personal effizient in der Versorgung der Patientinnen und Patienten genutzt werden. laumann kritisiert zudem: »Die von der Apotheke vor Ort geleistete Arbeit – auch in Hinblick auf die bestehenden Lieferengpässe, aber auch vor dem Hintergrund der hohen Inflation – muss wertgeschätzt und fair honoriert werden. Dies ist in dem vorgelegten Gesetzentwurf bislang meines Erachtens nicht der Fall. Wir werden eine Grundsatzdiskussion darüber führen müssen, wie wir auf der einen Seite die Gesetzliche Krankenversicherung nicht überfordern, aber zugleich die Arzneimittelversorgung der Bevölkerung langfristig und nachhaltig sichern können.«