Langzeitstudie zur Gentherapie bei Hunden gibt Anlass zu Sorge |
| Theo Dingermann |
| 17.11.2020 11:00 Uhr |
Im Normalfall wird per Vektor eingeschleuste DNA nicht in das Genom der behandelten Patienten integriert. / Foto: Fotolia/Sergey Nivens
In einer Vielzahl präklinischer Studien und jüngst auch in ersten klinischen Studien konnte die sichere Handhabung von Gentherapien, die von einem Adeno-assoziierten Virus (AAV) als Vektor vermittelt wurden, unter anderem bei der Behandlung der Hämophilie B demonstriert werden. Eine jetzt ausgewertete Langzeitstudie an Hunden dämpft jedoch die mit dieser Therapie verbundene Hoffnung. Damit reiht sich eine weitere Studie in eine lange Liste ein, die immer noch Bedenken zur Sicherheit der Methode aufkommen lässt.
Ein Forscherteam um Denise Sabatino von der University of Pennsylvania in Philadelphia publizierte nun Daten einer Langzeitstudie an hämophilen Hunden in »Nature Biotechnology«. Diese Hunde waren mit einem AAV-Vektor gentherapeutisch behandelt worden. Nach circa zehn Jahren Nachbeobachtung fanden die Wissenschaftler nun genomische Veränderungen, die von den Forschern so eingeschätzt werden, dass sie das Risiko für Leberkrebs erhöhen könnten.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass das Kapitel zur Sicherheit von AAV-Vektoren beim Einsatz in der Gentherapie noch nicht abgeschlossen ist. Vielmehr scheint weitere Forschung notwendig zu sein, um das Potenzial dieser Vektoren, die auch in zwei von der FDA zugelassenen Gentherapien am Menschen eingesetzt werden, besser verstehen zu lernen. Letztlich bereitet das Restrisiko, dass AAV-Vektoren in seltenen Fällen eine Krebsentstehung fördern könnte, immer noch Sorge.
Das Adeno-assoziierten Virus ist ein natürliches Virus, das derzeit als einer der Favoriten für die Herstellung von Gentherapievektoren gilt. AAV-Vektoren werden mittlerweile als sehr sicher eingestuft, um im Rahmen gentherapeutischer Verfahren Fremd-DNA in humane Zellen einzuschleusen. Im Normalfall wird diese DNA nicht in das Genom der behandelten Patienten integriert. Allerdings haben mehrere Studien an Mäusen gezeigt, dass eine Integration nicht ausgeschlossen werden kann und dass sich nach der genomischen Integration von AAV-Gentherapievektoren Leberkrebs entwickeln kann.
Sabatino und Kollegen haben nun Langzeitstudien an neun Hunden ausgewertet. Einige der Hunde waren bis zu zehn Jahren nachbeobachtet worden. Diesen Hunden war mittels AAV-Vektor das Gen des Gerinnungsfaktors VIII übertragen worden. Positiv konnten die Autoren vermerken, dass die Hämophilie-Symptome bei den Hunden während der gesamten Dauer der Studie korrigiert wurden.
Zudem untersuchten die Autoren, ob das Vektorkonstrukt auch in die Genome der Hunde integriert wurde. Es war war aufgefallen, dass bei zwei Hunden die Faktor-VIII-Menge in ihrem Blut nach vier Jahren unerwartet anstieg und bis zum Ende der Studie das Dreifache der frühen Werte erreichte. Tatsächlich war es bei diesen zwei Hunde und bei vier weiteren Hunde zu einer klonalen Expansion der Zellen gekommen, in denen Insertionen in der Nähe von Genen nachgewiesen wurden, die beim Menschen mit Krebs in Verbindung gebracht werden. Ein Tumor hatte sich jedoch bei keinem der Hunde entwickelt.
Zudem lagen die erhöhten Faktor-VIII-Werte immer noch viel niedriger als die von gesunden Hunden und wurden daher nicht als gefährlich angesehen. Sorge bereitet, dass die Autoren den Grund für diesen Anstieg nicht genau bestimmen konnten. Solche Anstiege wurden in laufenden klinischen Studien zur AAV-Gentherapie bislang nicht beobachtet.
Beruhigend ist hingegen, dass die Autoren bei den Hunden keine Anzeichen von Leberkrebs fanden. Die genomischen Veränderungen könnten jedoch Sicherheitsbedenken darstellen, die weitere Forschung und eine langfristige Überwachung der mit AAV-Vektoren behandelten Patienten erfordern.
In der laufenden Diskussion zu den Impfstoffkandidaten zum Schutz vor SARS-CoV-2 wird auch immer wieder von Strategien berichtet, bei denen Adenoviren als Vektoren für die Information des eigentlichen Impfantigens verwendet werden. Dieser Impfansatz hat nichts mit einer Gentherapie zu tun. Tatsächlich werden hier nicht Adeno-assoziierte Viren, sondern unterschiedliche Adenoviren verwendet.