Lachgasmissbrauch und die Folgen |
»Die neurologischen Folgen reichen von akuten Beschwerden wie Schwindelgefühlen und Bewusstlosigkeit – durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge – bis hin zu hypoxischen Hirnschäden. Bei chronischem Konsum kommt es zu Störungen im Zellstoffwechsel, wodurch Vitamin B12 in seiner Funktion beeinträchtigt wird, das heißt es entsteht ein funktioneller B12-Mangel«, erklärt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), im Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Ein solcher Mangel kann schwere neurologische Schäden wie die funikuläre Myelose – Rückenmarkschaden – und periphere Neuropathie auslösen. Diese führen zu Taubheitsgefühlen, Gangstörung und Lähmungserscheinungen.« Auch hämatologische Auswirkungen wie eine makrozytäre Anämie, eine durch DNA-Synthesestörung bedingte Blutarmut, können auftreten.
In einer Studie mit 241.566 Befragten gaben 3,3 Prozent der Menschen, die in den letzten zwölf Monaten Lachgas verwendet hatten, an, dass sie von Parästhesien betroffen waren »Journal of Psychopharmacology« 2019, DOI: 10.1177/0269881119882532). Auch Schäden im Gehirn sind eine mögliche Folge des Lachgaskonsums. Sie entstehen durch den Sauerstoffmangel, der eintritt, weil beim Einatmen des Lachgases mit diesem Atemstoß kein Sauerstoff in den Körper gelangt.
Mit dem Anstieg des Konsums ist es allgemein zu einer deutlichen Zunahme an lachgasbedingten gesundheitlichen Problemen gekommen. Die Zahl der Komplikationen stieg etwa in Frankreich von 37 im Jahr 2019 auf 338 im Jahr 2021. In einer Studie rückten französische Wissenschaftler die neurologischen Folgen des Lachgaskonsums während der Covid-19-Pandemie in den Fokus (»Journal of Neurology«, DOI: 10.1007/s00415-021-10748-7). Sie untersuchten zwölf Patienten mit neurologischen Problemen detailliert und fanden teils schwere Rückenmarksschädigungen.
Zu den Hauptkonsumenten zählen laut einer aktuellen Studie insbesondere junge Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status (»Journal of Neurology« 2024, DOI: 10.1007/s00415-024-12264-w). Der Lachgasmissbrauch führte bei 25 Prozent der Betroffenen zu einer Myelopathie, also einer Schädigung des Rückenmarks, und bei 37 Prozent zu Störungen peripherer Nerven.
Kommt es bei Lachgaskonsumenten zu Symptomen, erfolgt häufig eine Vitamin-B12-Gabe. Doch nicht immer bringt dies den erwünschten Effekt. »Wir sehen zunehmend Fälle, bei denen Folgeschäden bleiben«, berichtet Berlit.
Zwar kann der Missbrauch von Lachgas generell zu schwerwiegenden Beschwerden führen, es gibt aber vulnerable Gruppen, die besonders gefährdet sind. Dazu gehören Menschen, bei denen etwa aufgrund besonderer Ernährungsweisen wie Veganismus oder Vorerkrankungen wie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ohnehin ein Vitamin-B12-Mangel vorliegt. Auch ein regelmäßiger Alkoholkonsum oder der Konsum weiterer Rauschmittel steigert das Risiko für neurologische Komplikationen.
Doch wie hoch ist das Suchtpotenzial? »Im Gegensatz zu harten Drogen wie zum Beispiel Heroin macht Lachgas nicht körperlich süchtig«, informiert Berlit. »Doch das Narkosegas wird zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zur Euphorie zu erzeugen. Das kann natürlich zu einer psychischen Abhängigkeit führen.«
In einer aktuellen Pressemitteilung spricht sich die DGN für eine Kaufeinschränkung von Lachgas außerhalb medizinischer Indikationen aus. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt die Gesellschaft zudem eine Umfrage zur Prävalenz des Lachgasmissbrauchs und den neurologischen Folgen durch.