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Trenddroge

Lachgasmissbrauch und die Folgen

Günstig und leicht erhältlich – Lachgas (Distickstoffmonoxid) gilt als Trenddroge. Was viele Anwender nicht wissen: Der Konsum kann schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben.
Daniela Lukaßen-Held
15.07.2024  18:00 Uhr

Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wird Lachgas (N2O) immer beliebter. Es ist leicht verfügbar, gilt als risikoarm und sorgt für einen kurzen, aber intensiven Rausch. Dass Lachgas aber keineswegs so harmlos ist wie es scheint, zeigen aktuelle Berichte.

Einige Länder haben bereits reagiert. So sind der Besitz und der Verkauf von Lachgas in den Niederlanden seit Anfang 2023 verboten. Auch Großbritannien, Dänemark und die Schweiz haben Konsequenzen aus dem vermehrten Lachgasmissbrauch insbesondere unter Jugendlichen gezogen. Hierzulande ist ein Verbot geplant. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitete dazu eine entsprechende Gesetzesänderung, berichtet aktuell die Zeitung »Rheinische Post«. Die Gesetzesänderung könnte noch dieses Jahr in Kraft treten.

Jenseits der missbräuchlichen Anwendung als Droge findet Lachgas etwa in der Zahnmedizin zur Schmerz- und Angstlinderung Verwendung. Zudem wird es in der Auto-Tuningszene beispielsweise zur Steigerung der Leistung von Verbrennungsmotoren genutzt.

Warum das leicht süßlich riechende, farblose Gas unter dem Namen Lachgas bekannt ist, ist umstritten. Am wahrscheinlichsten ist, dass der Name auf das Gefühl der Euphorie zurückgeht, das entsteht, wenn es eingeatmet wird. So wurde Lachgas in der Vergangenheit zur Belustigung auf Jahrmärkten eingesetzt. Doch auch die Zwerchfellkrämpfe, zu denen es infolge des Einatmens kommen kann und die wirken, als würde die Person lachen, könnten zu dem Namen geführt haben.

Vom Narkosemittel zur Trenddroge

Entdeckt wurde Lachgas 1772 vom englischen Theologen, Philosophen und Chemiker Joseph Priestley, der dessen Eigenschaften in Selbstversuchen bemerkte. 1844 wurde N2O erstmals als Narkosemittel genutzt – von Horace Wells, einem US-amerikanischen Zahnarzt, der als Pionier der Narkose gilt. Doch schon früh erlangte Lachgas auch Berühmtheit als Droge. Die englische High Society etwa kannte das Rauschmittel schon im frühen 19. Jahrhundert. In der Hippie-Bewegung erlebte es dann eine Renaissance.

Die Tatsache, dass es leicht und günstig zu bekommen ist, hat den aktuellen Hype um Lachgas befeuert. Wer es konsumieren möchte, kann es etwa in Form von Kapseln erstehen, die eigentlich für das Aufschäumen von Schlagsahne gedacht sind. Die freie Verkäuflichkeit sorgt dafür, dass die Folgen des Konsums vielfach verharmlost werden.

Laut einem Bericht zu Drogentrends in Frankfurt am Main (MoSyD Jahresbericht 2022) vom Zentrum für Drogenforschung an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main haben 17 Prozent der Jugendlichen schon einmal Lachgas konsumiert. Einem Drittel aller Schüler wurde es schon angeboten. Damit gehört Lachgas mit Cannabis zu den am häufigsten angebotenen Drogen überhaupt.

Konsumenten füllen das Gas aus den Kapseln in Ballons und inhalieren es. Wird der Ballon weggelassen und direkt aus der Kartusche inhaliert, kann es infolge der Kälteentwicklung zu schweren Atemwegsreizungen und zu Verletzungen der Lunge kommen.

Die Wirkung von Lachgas tritt meist innerhalb von Sekunden ein: Glücksgefühle, Entspannung, eine veränderte Wahrnehmung. Und das oftmals nur für wenige Sekunden oder Minuten. Damit der Rausch länger anhält, konsumieren die Betroffenen oft noch mehr Lachgas, ohne die Dosierung zu kontrollieren.

Nervenschädigungen durch funktionellen Vitamin-B12-Mangel

»Die neurologischen Folgen reichen von akuten Beschwerden wie Schwindelgefühlen und Bewusstlosigkeit – durch Verdrängung des Sauerstoffs in der Lunge – bis hin zu hypoxischen Hirnschäden. Bei chronischem Konsum kommt es zu Störungen im Zellstoffwechsel, wodurch Vitamin B12 in seiner Funktion beeinträchtigt wird, das heißt es entsteht ein funktioneller B12-Mangel«, erklärt Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), im Interview mit der Pharmazeutischen Zeitung. »Ein solcher Mangel kann schwere neurologische Schäden wie die funikuläre Myelose – Rückenmarkschaden – und periphere Neuropathie auslösen. Diese führen zu Taubheitsgefühlen, Gangstörung und Lähmungserscheinungen.« Auch hämatologische Auswirkungen wie eine makrozytäre Anämie, eine durch DNA-Synthesestörung bedingte Blutarmut, können auftreten.

In einer Studie mit 241.566 Befragten gaben 3,3 Prozent der Menschen, die in den letzten zwölf Monaten Lachgas verwendet hatten, an, dass sie von Parästhesien betroffen waren »Journal of Psychopharmacology« 2019, DOI: 10.1177/0269881119882532). Auch Schäden im Gehirn sind eine mögliche Folge des Lachgaskonsums. Sie entstehen durch den Sauerstoffmangel, der eintritt, weil beim Einatmen des Lachgases mit diesem Atemstoß kein Sauerstoff in den Körper gelangt.

Mit dem Anstieg des Konsums ist es allgemein zu einer deutlichen Zunahme an lachgasbedingten gesundheitlichen Problemen gekommen. Die Zahl der Komplikationen stieg etwa in Frankreich von 37 im Jahr 2019 auf 338 im Jahr 2021. In einer Studie rückten französische Wissenschaftler die neurologischen Folgen des Lachgaskonsums während der Covid-19-Pandemie in den Fokus (»Journal of Neurology«, DOI: 10.1007/s00415-021-10748-7). Sie untersuchten zwölf Patienten mit neurologischen Problemen detailliert und fanden teils schwere Rückenmarksschädigungen.

Zu den Hauptkonsumenten zählen laut einer aktuellen Studie insbesondere junge Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status (»Journal of Neurology« 2024, DOI: 10.1007/s00415-024-12264-w). Der Lachgasmissbrauch führte bei 25 Prozent der Betroffenen zu einer Myelopathie, also einer Schädigung des Rückenmarks, und bei 37 Prozent zu Störungen peripherer Nerven.

Kommt es bei Lachgaskonsumenten zu Symptomen, erfolgt häufig eine Vitamin-B12-Gabe. Doch nicht immer bringt dies den erwünschten Effekt. »Wir sehen zunehmend Fälle, bei denen Folgeschäden bleiben«, berichtet Berlit.

Zwar kann der Missbrauch von Lachgas generell zu schwerwiegenden Beschwerden führen, es gibt aber vulnerable Gruppen, die besonders gefährdet sind. Dazu gehören Menschen, bei denen etwa aufgrund besonderer Ernährungsweisen wie Veganismus oder Vorerkrankungen wie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen ohnehin ein Vitamin-B12-Mangel vorliegt. Auch ein regelmäßiger Alkoholkonsum oder der Konsum weiterer Rauschmittel steigert das Risiko für neurologische Komplikationen.

Doch wie hoch ist das Suchtpotenzial? »Im Gegensatz zu harten Drogen wie zum Beispiel Heroin macht Lachgas nicht körperlich süchtig«, informiert Berlit. »Doch das Narkosegas wird zunehmend genutzt, um die Stimmung aufzuhellen und Glücksgefühle und Halluzinationen bis hin zur Euphorie zu erzeugen. Das kann natürlich zu einer psychischen Abhängigkeit führen.«

In einer aktuellen Pressemitteilung spricht sich die DGN für eine Kaufeinschränkung von Lachgas außerhalb medizinischer Indikationen aus. In Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) führt die Gesellschaft zudem eine Umfrage zur Prävalenz des Lachgasmissbrauchs und den neurologischen Folgen durch.

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