Bei engem Körperkontakt kommt es relativ leicht zur Übertragung von topisch aufgetragenen Sexualhormonen vom Vater auf das Kind. / © Getty Images/Goodboy Picture Company
Testosteron gilt als das Hormon der Männlichkeit. Beim Fortbildungswochenende der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg stellte Professor Dr. Dogu Teber, Direktor der Urologischen Klinik Karlsruhe, Ursachen und Folgen eines Testosteronmangels vor – von Libidoverlust über Gewichtszunahme, erhöhtem Herz-Kreislauf- und Diabetesrisiko bis hin zu erektiler Dysfunktion.
Definitionsgemäß liegt ein Hypogonadismus vor, wenn der Testosteronspiegel unter 350 mg/dl (= 12 nmol/l) liegt. »Die Indikation zur Substitution ist allerdings nur gegeben, wenn auch Symptome auftreten, also die Funktion mehrerer Organe und die Lebensqualität beeinträchtigt sind«, sagte der Urologe.
Er verwies auf verschiedene Formen der Testosteron-Substitution. Am besten geeignet sei die transdermale Applikation per Gel. »Mit der einmal täglichen Applikation des Gels lassen sich am besten stabile Spiegel erzielen, die der physiologischen Rhythmik entsprechen. Auch die Dosisfindung funktioniert am besten mit dem Gel – besser als etwa Pflaster«, so der Experte. Sowohl intramuskuläre als auch perorale Darreichungsformen »peakten« dagegen zu stark, auch wenn Depotformen benutzt würden. Ohnehin sei die perorale Testosteron-Substitution in Deutschland nicht mehr üblich.
Doch Achtung: »Topische Sexualhormone sind in der Anwendung nicht ganz ohne. Sie können bei unbedachter Handhabung relativ schnell Auswirkungen auf die Angehörigen haben«, verdeutlichte Teber die Notwendigkeit einer korrekten Arzneimittelanwendung. Um Gefahren für Kontaktpersonen, Kleinkinder und Haustiere abzuwenden, sollte das pharmazeutische Personal die Patienten bei Verordnung und Abgabe topischer Sexualhormonpräparate über das Risiko einer versehentlichen Übertragung aufklären. Er stellte evidenzbasierte Präventionsmaßnahmen vor (siehe Kasten).
»Selbst bei Nutzung der gleichen Bettwäsche Nacht für Nacht ist das Risiko der Resorption durch die Partnerin oder den Partner mit relevanten Nebenwirkungen gegeben. Und Haustiere sind schon wegen ihrer geringen Körpermasse mit diesen Dosen überfordert«, so Teber.
Dass Kinder dafür die größte Vulnerabilität haben, verdeutlichte Teber mit einem Beispiel, das diesen Sommer durch die Medien ging: Dabei hatte ein frisch gebackener Vater seine neugeborene Tochter jeden Tag zum Kuscheln auf die Brust gelegt. Nach einer gewissen Zeit fiel bei dem Mädchen eine Klitoris-Hypertrophie auf. In den Medien war vom »Mikro-Penis« die Rede. Der Grund: Der Mann trug sein Testosterongel auf die Brust auf und wahrte nicht genügend zeitlichen Abstand.
In der Tat gibt es Fallberichte in der Literatur und Spontanmeldungen, die zeigen, dass Kinder und Haustiere nach engem Körperkontakt zu Anwendern topischer Hormonprodukte klinische Symptome einer hormonellen Exposition entwickeln können. So gibt es jene Fallberichte von Kleinkindern mit Veränderungen wie Penis- oder Klitoris-Vergrößerung, Akne und Entwicklung von Schambehaarung nach Kontakt mit Testosteron-Cremes oder -Gelen, die die Väter auf Arme oder Brust aufgetragen hatten. Auch über präpubertäre Jungen mit Gynäkomastie, deren Mütter Estradiol-haltige Rezepturen anwendeten, wird berichtet.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) warnten 2022 im »Bulletin für Arzneimittelsicherheit« vor der unbeabsichtigten Übertragung.