Kritik am Regierungsentwurf des Engpass-Gesetzes |
Ev Tebroke |
05.04.2023 18:00 Uhr |
Kritik am ALBVVG kommt auch von der Generika-Industrie. »Dieses Gesetz wird Engpässe nicht verhindern«, so Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Branchenverbands Pro Generika. Ziel des Gesetzes sei die nachhaltige Bekämpfung von Lieferengpässen, doch es nehme zunächst nur Kinderarzneimittel und Antibiotika ins Visier, bemängelt er. »Bei allen anderen Medikamenten bleiben die Problemursachen bestehen und die Versorgungslage, wie sie ist: wenig stabil und teilweise sogar prekär.« Im nun beschlossenen Kabinettsentwurf sind zudem die Onkologika aus den Regelungen zur Rabattvertragsvergabe wieder herausgefallen. Ursprünglich sollten bei dieser Medikamentengruppe – wie bei den Antibiotika- Hersteller gestärkt werden, die ihre Wirkstoffe in der EU produzieren. Bretthauer dazu: »Waren im Referentenentwurf ohnehin nur punktuell richtige Ansätze zu erkennen, wurden diese jetzt noch weiter zurückgestutzt. Ausgerechnet die Maßnahmen zur Stabilisierung der Versorgung mit Krebsmitteln fallen weg. Und das obwohl wir erst jüngst erleben mussten, dass Brustkrebspatient:innen um Tamoxifen bangten.«
Neben diversifizierteren Lieferketten fordert der Pro-Generika-Chef eine flexiblere Preispolitik für Generika. Seit Jahren kämpften Generika-Hersteller mit steigenden Kosten und hätten keine Möglichkeit, ihre Preise zu erhöhen. Es brauche einen Ausgleich. Der derzeitige gesetzliche Inflationsausgleich komme ausgerechnet da nicht an, wo er am dringendsten benötigt werde, bei den Generikaunternehmen. Sein Fazit: »Die jüngsten Engpässe sind entstanden, weil immer weniger Hersteller Generika kostendeckend produzieren können. Das Gesetz müsste Anreize schaffen, damit Unternehmen wieder in die Versorgung einsteigen. Diese Chance aber nutzt es nicht. Wenn Unternehmen mit der Herstellung von Arzneimitteln weiterhin rote Zahlen schreiben, werden sie sich aus der Versorgung zurückziehen müssen. Engpässe werden die Folge sein.«
Seitens der Krankenkassen gibt es Lob und Kritik: Sie begrüßten das Ziel der Bundesregierung, Versorgungsengpässen von Arzneimitteln durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken, betont Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbands der Ersatzkassen (vdek). »Positiv sehen wir die vorgesehene Verpflichtung pharmazeutischer Unternehmen zu einer erweiterten Lagerhaltung von Rabattarzneimitteln und weiterer Arzneimittel wie etwa Antibiotika zur Behandlung in Krankenhäusern. Gut sind zudem die Vorgaben, mehr Transparenz in der Versorgungskette zu schaffen und ein Frühwarnsystem beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte einzurichten.«
Kritik übt Elsner aber an den finanziellen Anreizen für die Pharmaindustrie, die das Gesetz mit Beschränkung von Festbeträgen und Rabattverträgen regelt. So sollen Kinderarzneimittel von der Festbetragssystematik und vom Abschluss von Rabattverträgen ausgenommen und den Pharmaherstellern gestattet werden, die Preise um 50 Prozent anzuheben. Damit schieße die Bundesregierung »über das Ziel hinaus«. Diese finanziellen Anreize böten in einem globalen Markt keinerlei Gewähr, dass tatsächlich mehr Arzneimittel für die Versorgung in Deutschland zur Verfügung stünden. Besonders ärgerlich sei, dass der eigentlich positive Ansatz des Gesetzentwurfs, für Rabattvertragsarzneimittel eine verstärkte Lagerhaltung einzuführen, somit ausgerechnet bei Kinderarzneimitteln, für die es ja künftig keine Rabattverträge mehr geben soll, keine Wirkung entfalten könne.
Aus Sicht der Ersatzkassen tragen Rabattverträge zu Arzneimittelversorgungssicherheit bei, weil sie für eine bessere Planbarkeit bei pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen sorgten. So habe der Lieferklima-Report 2023 der Techniker Krankenkasse dokumentiert, dass Rabattarzneimittel nur halb so häufig von Lieferengpässen betroffen seien wie rabattfreie Arzneimittel.